abb18abb20Die gesamte moderne Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konzentrierte sich also auf den Westen der Stadt, wobei die beiden Bahnhöfe, der Südbahnhof und der Raaber Bahnhof, die Kristallisationskerne waren. In Richtung Bahnhöfe wurden neue Straßenzüge und Stadtviertel angelegt, etwa an Stelle des alten evangelischen Friedhofes, der verlegt werden musste. Aufmerksamkeit verdient vor allem die Kossuth - Straße, die zum heute stillgelegten Südbahnhof führte. Hier stehen schöne Villen inmitten von prächtigen Gärten. Man sagt, dies wäre die erste Gartenstadtgasse im ganzen damaligen Ungarn gewesen.

 

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abb22Der riesige rechteckige Deák-Platz, der nun neu gestaltet wird, ist typisch für die städtebaulichen Ambitionen des 19. Jahrhunderts. In kommunistischer Zeit war er als „1. Mai-Platz“ der große Aufmarschplatz der Stadt. Hier wurden die Repräsentationsbauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts errichtet: die Reformierte Kirche, das Lehrerseminar, das Stadtmuseum (Ferenc Liszt-Museum), das man in der 1909 angekauften Lenck-Villa mit ihrem riesigen Garten unterbrachte und 1913 eröffnete, und die Universität am anderen Ende des Platzes.

 
 

abb23abb24Am westlichen Stadtrand liegen auch die größten Parks der Stadt. Schon 1783 kaufte die Stadt den etwa fünf Hektar großen „Neuhof“, um einen „Französischen Garten“ anzulegen. Daraus wurde der heutige Elisabeth-Park. Im Anschluss daran wurde an die Hochschule (heute die bekannte Universität für Forstwirtschaft und Holzverarbeitung) der botanische Garten angelegt.

An den Hängen des Ödenburger Berglandes, in den Löwern (Löver), wo sich die ausgedehnten Obstgärten und am oberen Rand die Kastanienhaine befanden, entstanden zunächst Gartenhäuser und gegen Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Villen. Heute sind die „Löwern“ wieder das bevorzugte Wohngebiet der wohlhabenden Soproner.  

 

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abb25Im Westen der Stadt entstanden also – sehr früh und Richtung weisend für Ungarn – Grünanlagen, Alleen und an den Hängen des Ödenburger Berglandes, in den Löwern, die Villenviertel der Unternehmer und höheren Beamten. Von den im historisierenden Stil nach Wiener Vorbild errichteten Villen sind einige auch heute noch erhalten und lassen nach der Renovierung einiges vom Lebensstil dieses wohlhabenden Bürgertums erahnen.

Die Bedeutung der Naherholung und des Tourismus wurden ebenfalls schon früh erkannt. Im berühmten Verschönerungsverein, den es wieder gibt (in kommunistischer Zeit war er verboten) wirkten die angesehenen Bürger Ferdinand Braun, Vinzenz Hillebrandt, Josef Zettl. Braun erhielt 1828 Bürgerrecht. Als Seifensieder und Wachszieher wurde er enorm reich und machte sich die Erschließung der Wälder als Naherholungsgebiet zur Aufgabe. Wanderwege und Aussichtswarten wurden angelegt (die „Ferdinandshöhe“ oberhalb von Wandorf mit einem Obelisk erinnert an Braun). Wichtig für die touristische Erschließung waren auch Franz Printz, der aus einer deutschen Familie Ödenburgs stammte, ein Jusstudium in Wien absolvierte und städtischer Beamter war, sowie Karl Heimler, der den ersten umfangreichen Reiseführer der Stadt schrieb.

 

Größere Mietshauskomplexe für die Industriearbeiterschaft entstanden nur wenige, meist im Anschluss an die Fabriken. Das berühmte Lencksche Durchgangshaus in der Innenstadt, das ebenfalls ein Mietshaus war, diente eher der Mittel- und Oberschicht. Neue, weniger ausgedehnte Stadtteile entstanden auch im Anschluss an die alten Vorstädte, besonders in der Raaber Vorstadt, die, wie schon erwähnt, immer mehr städtischen Charakter annahm. Vor dem alten Raaber Tor, am Steinmetzplatz, und in Richtung Kuruzzenberg. Die alte Windmühle wurde im 19. Jahrhundert umgebaut. Die Lagerhäuser in diesem Stadtteil, im Anschluss an den Holzmarkt, wurden 1876 zu Kasernen umgebaut, später wurden daraus Wohnhäuser. (43)Quelle/Hinweis:
zur städtebaulichen Entwicklung im 19. Jahrhundert siehe vor allem: Horvath Zoltan: Sopron városias fejlödése a kapitalizmus elsö idö szakában 1848 - 1914 (Die städtische Entwicklung Ödenburgs im ersten Abschnitt des Kapitalismus). In: SSz. 1985, S.119-146

 

Der Osten der Stadt blieb weitgehend unverändert. Hier lagen die typischen Wirtschaftsbürger-Viertel, die bis heute ihren dörflich-vorstädtischen Charakter erhalten haben und bis zur Vertreibung 1946 fast nur von Deutschödenburgern bewohnt waren (Neustift, Michaelergasse, Sandgrube, Wieden, Wolfsergasse, Pocsigasse...). Die prekäre wirtschaftliche Situation der Weinbauern und Handwerker hat hier eine Umgestaltung weitgehend verhindert.

 

Autor: Michael Floiger