joseph fruhmann01Josef Fruhmann, geboren in Ödenburg, jetzt wohnhaft in Denkendorf
 
Ich erinnere mich an den letzten Tag in Wandorf noch sehr genau und versuche, einige Details wieder zu geben.
Damals, am 20.4.1946, war ich 15 1/2 Jahre alt und niemand wusste, ob es ein Abschied für immer sein würde oder nur für kurze Zeit.
 
Das Dorf wurde abgeriegelt, dass niemand mehr hinaus konnte. Es herrschte Ausgehverbot. Überall standen russische und ungarische Soldaten. Sogar der Hohlweg beim Heldenfriedhof war abgesperrt. Dies war meine Hausstrecke und ich wusste von der Absperrung nichts. Ich machte mich dann doch auf den Heimweg und es sprangen Soldaten aus dem Straßengraben und hielten mich fest. Es waren Ungarn, die mich nicht nach Hause ließen (50 m). Ein Russe kam dazu und befahl dem ungarischen Soldaten, mich los zu lassen. So kam ich noch mit einem blauen Auge davon.

Am nächsten Vormittag mussten wir, meine Eltern und ich, mit dem erlaubten Gepäck mit einem Fuhrwerk nach Agendorf fahren, wo ein Güterzug auf uns wartete. Auf der Fahrt mit dem Fuhrwerk sprach man vom Auszug aus dem Paradies. Alle Obstbäume standen in voller Blütenpracht. In Agendorf angekommen, wurde die vorgeschriebene Menge an Gepäck gleich verladen.

Am späten Nachmittag kamen ein paar Männer und brachten ein Dokument, das bescheinigte, dass mein Vater mit seiner Familie bleiben dürfe. Wir waren total überrascht. Mein Vater lehnte das Angebot ab mit der Begründung: wenn die gesamte Verwandschft (Eltern und Brüder mit Familien) gehen müssen, dann bleibe ich auch nicht zurück.

Der Zug fuhr ab. Am nächsten Tag hielt der Zug dann in Linz in Oberösterreich an. Dort blieben wir auch über die Nacht. Wir Jungs nahmen die Gelegenheit wahr und schliefen in einem auf dem Nebengleis abgestellten Personenzug. Dort war mehr Platz als in dem mit den vielen Personen beslegten Güterwagen.

An der Grenze zu Deutschland hielt der Zug an. Alle Personen mussten aussteigen und wurden mit DDT-Pulver eingestäubt. Wir wurden ehandelt, als hätten wir Läuse. Danach fuhr der Zug weiter. Wir jungen Burschen kletterten auf das Wagendach und nahmen während der Fahrt dort unseren Platz ein. Das Wetter war gut und die Landschaft sehr schön. Für uns war es ein Abenteuer.

In Geislingen angekommen, dachten wir, so jetzt sind wir am Ziel. Leider war es nicht so. Es ging wieder los. Die nächste Station war Waiblingen. Dort kamen wir in ein Barackenlager. Aber auch hier gab es keine Arbeit für unsere Eltern. Nach einer Woche ging es weiter nach Schwäb. Gmünd, wo wir alle in der Turnhalle untergebracht wurden. Das uns vorgesetzte Essen wir sehr gewöhnungsbedürftig. Ich erinnere mich an einen gekochten Fisch, der fürchterlich schmeckte und eine Haut hatte wie eine Schlange.

Da meine Eltern, Großvater, Onkel, Tanten und Bekannte in Ödenburg in den verschiedenen Textil-Fabriken gearbeitet hatten, hieß es, in Esslingen gibt es eine Spinnerei und Weberei, wo alle Arbeit und Quartier bekommen werden. So kamen wir dann nach Esslingen-Brühl in die Württ. Baumwollspinnerei und Weberei und alle bekamen Arbeit. Der Speisesaal wurde unser Lager. In der Betriebsküche konnten die Frauen kochen, wenn man etwas zum Kochen hatte.

Wenn ich mich richtig erinnere, waren die Familien Johann Fruhmann sen., Josef, Rudolf, Johann jun., Kovacs Rudolf, Teicher Karl, Unger Andreas, Hammer Elisabeth, Brunner Samuel, Degendorfer Andreas, Kalbantner Luise und Mutter, Schneider Michael, Kraus Elisabeth, Drescher Theresie (insgesamt 54 Personen) im Speisesaal untergebracht.
Von diesen Personen wurde mein Vater zum Vertrauensmann gewählt, um alle Anliegen bei der Betriebsleitung, Herrn Direktor Kleitz und Herrn Bluthardt zu besprechen. Es ging u.a. um Beschaffung von Lebensmitteln wie Kartoffeln usw.

Nach ca. 9 Monaten wurden wir dann auf dem Brühl und in Mettingen in Privatunterkünfte eingewiesen. Meine Eltern und ich wohnten bei der Familie Haug in einem Zimmer. Es war sehr eng, aber wir wurden gut behandelt. Die gesamte Familie war sehr nett. Wir bekamen auch Kartoffeln und andere Lebensmittel.

Es begann trotzdem eine sehr schwere Zeit, bis wir alle Fuß gefasst hatten. Aber wir haben es alle gemeistert. Wir werden Ödenburg und Wandorf nicht vergessen und machen immer wieder gerne einen Besuch.