Ein Jahrzehnt nach dem Wiener Frieden setzte in Ungarn mit dem neuen Kaiser/König Ferdinand II. abermals die Gegenreformation ein. Ihre wichtigsten Verfechter waren Ferdinand II., der Herzogprimas Peter Pázmány und Nikolaus Eszterházy. (N. Eszterházy stammte aus einer evang. Kleinadelsfamilie, konvertierte 19jährig und heiratete die Witwe Magochys, Ursula geb. Dersffy. Durch diese Heirat erhielt er auch die Güter Landsee, Lackenbach u.a., wo er seine neuen Untertanen mit Gewalt rekatholisierte.)

 

Der erste Zusammenstoß Eszterházys mit Ödenburg wirkte sich gleich verheerend für einige Harkauer aus. Im Jahre 1613, als Esterházy erst Freiherr und Oberhofmeister war, kaufte er in Wiener-Neustadt Wein und wollte diesen durch Ödenburg nach Lackenbach bringen lassen. Es gehörte aber zu den Privilegien der Stadt, daß kein Wein aus Österreich durch die Stadt transportiert werden dürfe. Die Stadt hätte das Recht gehabt, den Wein zu konfiszieren. Das tat sie aber nicht, wahrscheinlich um den Neureichen, in der Gunst des Kaisers stehenden Eszterhazy nicht herauszufordern. Die Stadt veranlaßte bloß, für den Weintransport einen anderen Weg zu wählen. Aus Rache über diese "angetane Demütigung" überfielen die Männer Eszterházys am St. Veitstag 1613 die Harkauer Schuhmacher Georg Stichinger und Peter Foitsburger, die auf dem Weg vom Csepreger Markt waren. Bei Gerisdorf wurden sie überfallen, gefangen genommen, in Ketten gelegt und eingesperrt. Ihre Ware, Schuh und Leder, wurde ihnen abgenommen. Anderntags transportierte man sie nach Lackenbach. Trotz Intervention der Stadt wurden sie dort längere Zeit gefangen gehalten. so willkürlich wurde der einfache Mann, wurden die Untertanen Ödenburgs vom späteren Palatinus (= Stellvertreter des Königs) behandelt! Auch sonst herrschte Willkür und Unterdrückung durch Habsburg und ihren Anhängern.

 

Wie über ein Jahrzehnt vorher Bocskay, so griff nun Siebenbürgens neuer Fürst, Gabriel Bethlen, zu den Waffen, um für Vaterland und Glaubensfreiheit zu kämpfen, nicht ganz ohne Drängen der tschechischen und österreichischen Stände, die ihn baten, ihnen gegen das Haus Habsburg, gegen Ferdinand II., zu Hilfe zu kommen, denn die Verfolgung der Protestanten hatte große Ausmaße angenommen, ja der 30jährige Krieg war ausgebrochen. In kürzester Zeit eroberte Bethlen Oberungarn und drang bis Österreich vor, wo sich sein Heer mit dem tschechischen Freiheitsheer des Grafen Thurn und mit den Abordnungen der österreichischen Stände vereinigte. Sie bedrohten Wien, und der Kaiser floh nach Linz. Am 27. November 1619 erfuhr Bethlen jedoch, daß Homonnai, ein ung. Magnat im Dienste Ferdinands, von Polen aus in Oberungarn, eingedrungen sei. Eiligst zog Bethlen sein Heer von Wien ab, um den Feind aus dem eigenen Land zu vertreiben. Seinen Rückzug nimmt er über Ödenburg. Von Moosbrunn/Österreich aus schreibt er an die Stadt und wirft ihr vor, daß sie ihm weder huldigte noch daß ihre Gesandten zu dem von ihm einberufenen Landtag erschienen seien. Er verzeihe ihnen wegen der Nähe der kaiserlichen Heere bei Wiener-Neustadt, komme aber nun als Fürst von Siebenbürgen zu ihnen und werde einen Teil seines Heeres bei ihnen lassen, so daß sie keinerlei Befürchtungen von Seiten der Kaiserlichen zu haben brauchen. Sie mögen ihm angesehene Bürger entgegensenden und ihn in der Stadt würdig empfangen. Dafür verspricht er der Stadt, sie vom Schaden zu bewahren. Er und sein Hofgesinde beabsichtigen, in der Innenstadt zu übernachten. Diesmal verhält sich die Stadt anders als gegenüber Bocskays Heer im Jahre 1605. Die Stadt öffnet ihm ihre Tore, und er wird von der Bürgerschaft freundlichst empfangen. Nachdem er zweimal in Ödenburg, im "Weißen Rößl", übernachtet hatte, zog er mit seinem Anhang Richtung Preßburg, ließ aber 1500 Mann "zum Schutz der Stadt" zurück. "Von hieraus verheeren sie die ganze Umgebung", schreibt Esterházy am 5. Dezember an den Kaiser, und fügt hinzu: "Mein bester Marktflecken (Lackenbach ?) wurde eingeäschert." Darum bat er den Kaiser, er möge ihm wenigstens 2.000 Mann senden. Mit diesen würde er die Besatzer vertreiben, denn die Stadt Ödenburg würde ohnehin keinen Widerstand leisten.

 

Tatsächlich überraschte Dampierre, der kaiserliche Heerführer, nachts die Stadt und drang mit seinen 1500 Reitern und Fußvolk in die Stadt ein. Bethlens Besatzung war nicht in der Stadt, sondern "in der Umgebung, um ihre Versorgung zu sichern... Mit Dampierres Heer kam auch viel Gesindel, das raubte und plünderte, trieb das Vieh weg, in der Vorstadt zertrümmerte es die Möbel?" schreibt Tschany als Augenzeuge in seiner Ödenburger Chronik. Die Stadt zahlte Dampierre noch 2400 Taler, damit er die Vorstadt nicht verbrenne.

 

Wir sehen "Feind wie Freund" drangsalieren die Bevölkerung der Stadt und deren Umgebung, rauben und plündern. Da mag es den Harkauern gleich schlimm ergangen sein, ob die Söldner Bethlens als "Freunde" von Ödenburg über Harkau nach Lackenbach und Landsee zogen, unterwegs plündernd und raubend, oder ob die Kaiserlichen als "Feinde" dasselbe taten.

 

Im September 1620 zogen Bethlens Söldner schon wieder über Harkau gegen Eszterhazys Güter, Lackenbach und Landsee. Auf Eszterhazys dringendem Hilferuf zog ihnen Dampierre (über Harkau?) nach und besiegte sie bei Lackenbach. Nach der verlorenen Schlacht bei Lackenbach war der Schrecken in Ödenburg (und in den Stadtdörfern) besonders groß, darum flehten sie Bethlen dringend um Hilfe an. Bethlens Heer, das bei Hainburg stand, eilte der Stadt zur Hilfe und zog - wieder über Harkau - nach Lackenbach. Jedoch Dampierre hatte Lackenbach voher verlassen, um Preßburg zu besetzen. Bethlens Heerführer ließ eine Besatzung zurück und zog weiter gegen Güns und Steinamanger. Nachdem Dampierre in einer Schlacht bei Preßburg gefallen war, wurde Collalto sein Nachfolger. Der zog wieder mit Unterstützung Eszterhazys mit dem kaiserlichen Heer (über Harkau) nach Lackenbach, Kobersdorf, Schlaining nach Csepreg (Tschapring). Wie groß Eszterhazys und Collaltos Rache war, beschreibt ein Bericht über die Zerstörung Csepregs vom 6. Januar 1621, wo die Kaiserlichen- laut des Berichts - 1200 Menschen, die sich in die Kirche geflüchtet hatten, ermordeten. "In der Kirche wateten die Söldner...im Blut..." heißt es im Bericht. Unter den Toten war auch der große Gelehrte und Lehrer der dortigen Lateinschule Emmerich Zworanitsch mit vielen seiner Schüler. Aber nicht nur Csepreg, sondern auch Pereszteg und Deutschkreutz (wieder ein Durchzug durch Harkau!), alles Güter des Grafen Nadásdy wurden verwüstet. Diese neuerlichen Verwüstungen der Kaiserlichen erfüllte auch die Bürger Ödenburgs (und ihre Dörfer) mit Schrecken.

 

Am 12. Januar 1621 erließ Kaiser Ferdinand 11. einen Aufruf an alle seine Untertanen in Ungarn, sich zu ergeben, für ihn Partei zu ergreifen, ansonsten werde er zur Vernichtung seiner Gegner seinen Heerführer Buquoit nach Ungarn senden. Die ihm aber huldigen, sollen ohne Strafe ausgehen. Nachdem Preßburg, Ungarns damalige Hauptstadt, und Ungarisch-Altenburg in die Hände der Kaiserlichen gefallen war und Collalto mit seinen Söldnern Mitte Mai 1621 vor Ödenburg erschien, ritt der große Bürgermeister der Stadt, Dr. Christoph Lackner, ihm "bis zum Birnbaumwäldchen (beim Wienerberg) entgegen, um seine Vaterstadt vor der Verwüstung zu retten..?" schreibt Payer in seiner Chronik. Lackner teilte dem Heerführer mit, daß die Stadt bereit sei, dem Kaiser zu huldigen, darum möge er die Stadt verschonen. Collalto empfing den allseits geschätzen Juristen, der an der Uni. in Padua studiert hatte, und Bürgermeister freundlich und gab dem Befehl heraus, bei Todesstrafe sei die Plünderung in der Stadt verboten. Zum Leidwesen der Söldner fiel die Plünderung in der Stadt tatsächlich aus. Allerdings ließ sich Collalto für diese "Gnade" von der Stadt 20.000 Gulden und 2.000 Eimer (= ca. 1300 hl!) Wein geben. Außerdem verlangte er die Einquartierung und "Bewirtung" des Heeres in der Vorstadt und in den Stadtdörfern.
Von Ödenburg zog Collalto wieder über Harkau nach Grüns, Rechnitz und Körmend, wo sich die Söldner besonders auf Graf Báttyanis Gütern, der Anhänger Bethlens war, versorgen konnten, als ob sie sich unterwegs nicht auch von Feind und Freund versorgen hätten lassen! Besonders viel zu leiden hatte diesmal die Stadt Güns. Aber überall wurde von beiden Seiten geraubt und geplündert, und das arme Volk mußte es erleiden und erdulden.

 

Unter wechselvollem Kriegsglück begannen endlich wieder die langwierigen Friedensverhandlungen zwischen beiden Parteien. Zu den Verhandlungen war der Kaiser und seine Ratgeber auch bereit, weil die Hauptmacht des kaiserl. Heeres unter Leitung ihres Heerführers Tilly nach der Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag unterwegs war, die Kurpfalz, Heidelberg, das Stammland des "Winterkönigs", Friedrich V., zu erobern und zu rekatholisieren. Dazu aber wollte der Kaiser im Osten seinen Rücken frei haben. Endlich konnte der für Ungarn und für die Protestanten in Ungarn doch günstige Friede in Nikolsburg geschlossen werden (31. Dezember 1621).

 

Im Grunde genommen wurden in diesem Nikolsburger Frieden die Rechte, wie sie im Wiener Frieden niedergelegt waren, wieder erneuert. Damit endet auch eine besonders leidvolle Zeit für die damaligen Harkauer, für unsere Vorfahren. Wie wir gesehen haben, waren sie weder vom "Feind" noch vom "Freund" verschont geblieben. Welche Not und welch unsägliches Leid mögen diese Kriegszüge auch in Harkau hinterlassen haben! Selbst wenn nicht alle Durchzüge der kaiserlichen und bethlenschen Heere durch Harkau erfolgt waren, weil der eine oder andere Heereszug auf der einige hundert Meter westlich von Harkau gelegenen alten Römerstraße durchgeführt wurde, war es für die Harkauer nicht einfach, ihr Vieh, ihre Habe, sich selbst vor den Söldnern im Wald zu verstecken, zumal diese Straße ihren Weg zu dem sie bergenden Wald kreuzte. Aber jedesmal gingen unsere Vorfahren mit neuem Mut, neuem Gottvertrauen, neuer Kraft immer wieder an die Arbeit und bauten aus den Ruinen sich die alte Heimat neu auf.

 

Übrigens gab es in Harkau bis zum Jahre 1945 eine Chronik, die diese Zeit der Kämpfe und Durchzüge der Heere Bethlens und der Kaiserlichen mit ihren Verwüstungen, Raub und Plünderungen sehr ausführlich schilderte. Ich selbst habe diese Chronik, sie war nicht gedruckt, sondern handschriftlich erhalten, im Jahre 1940 gelesen. Sie war Eigentum der Familie Konrad Kappel und wurde die "Tulikopfsche Chronik" genannt; wahrscheinlich weil sie von dieser Familie stammte. Wer sie geschrieben hat - wahrscheinlich ein Harkauer Bauer, vielleicht aber auch ein Pfarrer oder Lehrer der Gemeinde, konnte ich nicht feststellen. Die Familie Tulikopf erscheint in Harkau erst im Jahre 1653 zum ersten Mal, vielleicht hat auch sie die Chronik mütterlicherseits geerbt und von Generation zu Generation weitergegeben, bis sie in den Kriegswirren von 1945 verbrannte. Stünde uns die Chronik auch heute noch zur Verfügung, hätten wir die Geschehnisse in Harkau anhand eines Augenzeugen noch genauer schildern können. Eines ist mir aus der Chronik noch genau in Erinnerung. Der Chronist nannte Bethlen immer "Betlehem".
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)