Infolge seiner grenznahen Lage und guten Schienenverbindung fassten die Hersteller von Kriegsmaterial, die zur Dislozierung ihrer Produktion verpflichtet waren, bereits im Sommer 1944 Agendorf ins Auge. Auf seine größeren Gebäude warfen der Landesinspektor der ungarischen Kriegsmaterialherstellung sowie auch ihre deutschen Interessenten ein Auge.

Nach der Errichtung des Arbeitslagers ließ der Gemeindevorstand den Agendorfern die Einberufung zustellen, die von den Militärbehörden zum Schanzenbau oder zum „Judenbewachungsdienst“ der am Stellungsbau beschäftigten Häftlinge verpflichtet worden waren. Tagsüber versahen sie den Dienst mit Stöcken „ausgerüstet“, während des Nachtdienstes jedoch mussten sie Waffen tragen. Die Kommandantur des Stellungsbauabschnittes mobilisierte durch Einberufungsbefehl auch die Fuhrleute. Die erste Gruppe der Häftlinge traf Anfang Dezember aufgrund des Verteilungsplanes der SS über Hegyeshalom und Sopron ein. Die 120 deutschen Befestigungserrichter ließen sich am 14. Dezember in Agendorf einquartieren. Die Kommandantur des Stellungsbaues beabsichtigte, in sämtlichen Schuppen 1.200 jüdische Arbeiter unterzubringen.

 

Der Löwenanteil der Zwangsarbeiter von Agendorf waren ursprünglich Hauptstädter, doch unter ihnen befanden sich auch Verhaftete aus der Karpato-Ukraine. Die 1.200 Häftlinge wurden in 50er Gruppen zusammengefasst, an ihrer Spitze bestellte die SS je einen Jupo (jüdischen Polizisten). Vor der Einquartierung beschlagnahmte die Wache die Gebrauchsgegenstände der Häftlinge, die täglich mit einem halben Liter Rinderrübensuppe und einem Kilo Brot, das allerdings nur an jedem dritten Tag zustand, vorlieb nehmen mussten. Täglich ließ man die Zwangsarbeiter, und von ihnen getrennt auch die Bevölkerung von Agendorf, zwischen Schneeverwehungen ausrücken. Die Arbeit wurde nur bei sehr starkem Schneefall eingesellt. Einen derart starken Schneefall gab es zwischen dem 15. und 22. Januar, als die Stellungen wegen Schneeverwehungen unzugänglich wurden.
 
mosaik p048Zum Appell ließ die SS die Arbeitsgruppen in der Morgendämmerung auf dem Straßenabschnitt antreten, der den Schuppen am Nächsten lag. Auch die Kranken mussten antreten, sogar die Toten mussten von ihren Kameraden zum Appell mitgebracht werden. Die Beschimpfung, Misshandlung der Häftlinge am Rande der Reihen gehörte unausbleiblich zum täglichen Appell. Laut Sterbematrikel ereigneten sich die ersten beiden Todesfälle am 11. Dezember: Als Todesursache waren „Schuss, der durch den Kopf drang“ und „Schussverletzung der Lunge“ angegeben. Laut Verzeichnis der „in Agendorf verstorbenen Pflichtarbeiter“ (über 581 Personen) starb am 11. Dezember auch ein dritter Pflichtarbeiter. Infolge allgemeiner Schwäche, Aushungerung und Erfrierung starben die zum Tode gehetzten Menschen wie Fliegen.
 
Wegen der zunehmenden Zahl von gewaltsamen Todesfällen wandte sich der führende Notar von Agendorf an den Oberstuhlrichter des Kreises von Sopron. Bis Ende Dezember wurde (nach Auseinandersetzungen zwischen den deutschen und ungarischen Behörden) eine eigenartige Stellungnahme darüber erlassen, derzufolge die Unfälle der Stellungsbauarbeiter vor Ort im Sterbematrikel eingetragen werden können. Anlass zu Reibereien gab ebenfalls das Schicksal der Leichen, welche man morgens auf die Innenverkehrswege der Gemeinde herausgetragen hatte. Zugespitzt hatte sich die Lage dann, als Typhus sich in den armseligen Unterkünften breit gemacht hatte. Ende Januar tobte bereits der Fleckentyphus unter den in Lumpen gekleideten Menschen, die anhaltend jeder Reinigungsmöglichkeit beraubt waren. Im deutschen Bericht vom 8. Februar 1945 sind 120 Erkrankungsfälle verzeichnet. Die Deutschen begannen um diese Zeit, die Ansteckungskranken gesondert unterzubringen. Wie in anderen Arbeitslagern gab es auch in Agendorf einen Arzt, doch er besaß keinerlei Ausrüstung oder Medikamente. Die von Typhusfieber Befallenen aßen Schnee, um das Fieber niederzudrücken.
 
Von Anfang Februar an begannen die deutschen Sanitärbehörden im Soproner Kreis mit dem Bau von so genannten Entlausungskammern, mit denen ab dem 10. Februar bereits „sehr gute Resultate“ erzielt worden waren. Der Notar von Agendorf verständigte jedoch den Oberstuhlrichter von Sopron, dass bisher der Tod von 250 Juden im Sterbematrikel eingetragen worden war. Die Zahl der Häftlinge am Stellungsbau betrug am 20. Februar 1945 noch 685. Der Ort Agendorf musste am 24. Februar unter Quarantäne gestellt werden. Der Flecktyphus wütete auch noch am 2. März. In Agendorf büßte auch der Schriftsteller Tibor Székely sein Leben ein. Unter den Häftlingen des Lagers befanden sich der Reporte János Elek und der 33jährige hauptstädtische Journalist Ferenc Doros, der am 8. Februar dem Befestigungsbau zum Opfer fiel.
 
Wegen der Nähe zu Sopron ließ man einzelnen Arbeitsgruppen von Agendorf auch in der Stadt selbst arbeiten. Die zum Südbahnhof abkommandierten Häftlinge entluden Waggons, verluden Zementsäcke oder arbeiteten in der Nähe von Kasernen, Lagerhäusern. Den Rückweg zum Lager in Agendorf mussten sie im Laufschritt zurücklegen. Es kam vor, dass der Begleitposten den in der Reihe letzten Häftling, oder jenen, der aus irgendeinem Grund zurückgeblieben war, erschoss.
 
Am 6. März 1945 wurde in Agendorf eine kleinere deutsche Einheit stationiert. Ihr gehörten 442 Mann an, davon entfielen 153 Personen auf das Personal des Stellungsbaues, die Pioniereinheit zählte 71 Mann. Zum Bestand der Schanzarbeiter gehörten 600 Mann, den fünf verschiedenen ungarischen Einheiten wurden 570 Mann zugeteilt. Das Lager wurde zwischen dem 20. und 26. März geräumt. Ein großer Teil des Wachpersonals wurde verlegt, die Zwangsarbeiter wurden nach Entlausung in die Ziegelfabrik Lenk in Sopron abkommandiert. Der Kreisnotar von Agendorf meldete am 1. März, dass in der Gemeinde 591 Pflichtarbeiter den Tod gefunden hatten. Bei der Exhumierung jedoch fand man 820 Leichen. Die Identität von 224 Personen blieb unbekannt. Hier möchte ich bemerken, dass die Mehrheit der hilfsbereiten Agendorfer nicht nur den geflüchteten Häftlingen Lebensmittel gab, sondern sie ließ ihnen auch im Bereich der Schuppen Lebensmittel zukommen. Außerdem steckte man ihnen auch während des Anmarsches zu den Unterkünften insgeheim Lebensmittel zu. Deshalb wurde nicht nur ein Bewohner von Agendorf von den Judenpolizisten gezüchtigt. Die Schanzgruben sind am Gemeinderand auch heute noch zu sehen. Die Begräbnisstätten der Zwangsarbeiter von Agendorf befanden sich neben dem Gemeindefriedhof. Man hat für die Exhumierung und den Abtransport der sterblichen Überreste der Pflichtarbeiter gesorgt, ihre Beisetzung fand am 27. April zusammen mit den Opfern von Sopron und Füzesabony statt.
 
Es ist bemerkenswert, dass auch die Bewohner von Görbehalom an den Schanzarbeiten von Agendorf teilgenommen hatten. 25% der Abkommandierten jeder Gruppe mussten Spitzhacke und Säge aus eigenem Bestand mitnehmen. Die die Kriegsarbeit verordnenden ungarischen, hauptsächlich jedoch deutschen Einheiten, hatten die niedrige Zahl der zur Arbeit angetretenen bemängelt. Die Begünstigungen, das Fernbleiben von Bemittelten und jener mit verschiedenen Bescheinigungen ausgerüsteten erweckten großes Missfallen. Zur weiteren Festigung der Disziplin hatten die Behörden den 6. Januar 1945 auch das System der ärztlichen Untersuchung bei Zwangsvorführung verordnet. Abkommandierte unter der Zivilbevölkerung waren verpflichtet, im Krankheitsfalle sich morgens bei der obligatorischen ärztlichen Untersuchung zu melden. Dennoch trat kaum Besserung in der Zahl der sich zur Arbeit meldenden ein. Der Notar von Agendorf hatte z.B. unter Berufung auf die 450 Kriegsdienstleistenden und zur Kriegsarbeit verpflichteten Bewohner der Gemeinde eine 50prozentige Verringerung der für die Gemeinde festgesetzten Zahl der Pflichtarbeiter beantragt. Seinen Versuch begründete er u.a. damit, dass in den Bauernhöfen anstelle des Wirtes die Frauen die Arbeit verrichten müssen: „ich kann Mütter mit Kleinkindern nicht zur Schanzarbeit schicken, weil es tagsüber keinen Kindergarten oder Hort gibt, wo man die Kinder beaufsichtigt“. Sein Ersuchen wurde abgelehnt.
 
Agendorf hatte trotz wiederholte Mahnungen und Zwangsvorführungen die vorgeschriebene Anzahl von Pflichtarbeitern nicht gestellt und es kam nicht den Befehlen des in Nagycenk stationierten Stabes für Arbeitsführung Nr. 662 nach. Anfang Februar bedrängte der Oberstuhlrichter von Sopron die Notare, woran es wohl liegen mochte, dass der Ausfall so hoch sei, wie die Kontrolle erfolgt sei, dass so viel Arbeiter täglich nicht erscheinen? Unter ihnen hatten besonders die Bewohner von Agendorf, Kroisbach und Pereszteg starke Ablehnung an den Tag gelegt. Sie wollten die Arbeit verlangsamen. Sie wartete auf die sowjetischen Truppen. Die Schützengräben (Schanzen) erwiesen sich bereits als überflüssig.

 

Quelle: Agendorfer Mosaik
Andreas Böhm (1991)