a) Die Sanierung des Gemeindehaushalts.
a) Die Vorgeschichte der Verstaatlichung.
Die Generalversammlung der Diözese forderte 1901 die Gemeinde auf, dass sie in Anbetracht der grossen Kinderzahl einen dritten Lehrsaal baue und eine dritte Lehrerstelle einrichte. Die Schülerzahl überstieg schon bald die 200 und wurde dennoch nur von 2 Lehrern unterrichtet.
Der Lehrer Johann Hafenscher (1884-1908) lebt noch heute als ein strenger, den Rohrstock schwingender, doch von den Leuten geachteter Lehrer im Gedächtnis der Gemeinde. Das Schreiben, Lesen und Rechnen, sowie die biblischen Geschichten brachte er seinen Schülern gut bei. Es wird erzählt, dass er vor allem in seinen älteren Jahren dem Alkohol zugetan war. In solchen Fällen schlug er die Kinder, dann setzte er sich an das Harmonium und liess einen Choral nach den andern singen, manchmal stundenlang. daher beherrscht die noch heute lebende ältere Generation, die unter seiner Fuchtel stand, viele Choralmelodien und –texte.
Der zweite Lehrer Philipp Nitschinger (1893-1916) war ein befähigter Pädagoge. Als Pädagoge und später als Direktor war er korrekt. Er war ein Freidenker. Auf diesen seinen Charakterzug kommen wir noch später zurück. Die Gemeinde konnte die bisherigen Lasten nur schwer tragen: Für die Gehälter der 2 Lehrer musste sie selbst aufkommen und von den alten Schulden war sie gerade erst befreit worden.
Deshalb verzögerte die Gemeinde die Errichtung der dritten Stelle. Aber im Jahre 1904 verpflichtete der Verwaltungsausschuß des Komitats die Kirchengemeinde zu der Errichtung zweier neuer Lehrerstellen. Davor konnte man sich nicht drücken. Die Zahl der Schulpflichtigen betrug damals 263, hingegen betrug die Kirchensteuer 6,40 Kronen Paargeld und 79% Ersatzkirchensteuer (egyházi pótadó). Die Kirchengemeinde verpflichtete sich, für den dritten Lehrer die Wohnung zu stellen und 1/8 des Anfangsgehaltes zu entrichten. Der Staat war nur dann gewillt die zusätzliche Staatssubvention zu zahlen, wenn die Kirchengemeinde 50% des Anfangsgehaltes übernahm. Man kann ruhig sagen, dass er nur deshalb von der Gemeinde so grosse Lasten verlangte, damit sie gezwungen werde, ihre Schule dem Staat zu überlassen. Philipp Nitschinger agitierte stark in dieser Richtung, und es schien, dass er in der Gemeinde viele Anhänger hatte. Der neue Geist, der von der Kirche wegführte und von der weltlichen Macht die Lösung der Fragen erwartete, drang bereits in die Gemeinde ein.
b) Die Verstaatlichung
Im Jahre 1905 bat die Kirchengemeinde die Diözese, die Vorgenehmigung zur Verstaatlichung der Schule zu erteilen, die sie im selben Jahr auch erhielt. Es begannen die Verhandlungen mit dem Staat, während sich Edmund Scholtz, nachdem er die Verstaatlichung nicht verhindern konnte, sehr für die Sicherung der evangelischen Interessen einsetzte. Vom 10. Juni 1906 stammt der Beschluss zur Verstaatlichung der Schule und vom 25. November 1906 datiert der Erlass Nr. 80.680 des Kultusministers. Demnach gingen die schulischen Immobilien mit der Ausnahme des Turmes, unter Beibehaltung des Eigentumsrechtes der Kirchengemeinde, in die Nutznießung des Staates über. Der Staat übernahm die Personalausgaben der Schule, während die Sachausgaben, wie Bau und Einrichtung der noch nötigen Lehrsäle, Erhaltung der Gebäude, Feuerversicherung derselben, die große Sommerreinigung und das Heizen, weiterhin Pensionszulagen der Lehrer und darüber die 5% von den staatlichen Direktsteuern, die als schulerhaltender Beitrag die Kirchengemeinde belastete. Der Staat hingegen sicherte der Kirchengemeinde folgende Begünstigung zu: sie übernahm die vorhandenen zwei Lehrer. Der eine Lehrer konnte gegen besondere Entlohnung außerhalb der Unterrichtszeit den Kantorendienst versehen. In Zukunft werde der Staat immer einen Kantorlehrer einstellen. Der jeweilige evangelische Pfarrer kann der Präses oder ein Mitglied der Schulverwaltung (iskolagondnokság) sein. Bis zur Verstaatlichung der katholischen Schule werde er nur evangelische Lehrer einstellen und danach würde man die konfessionelle Verteilung der Bevölkerung in Betracht ziehen. Den Betsaal kann die Kirchengemeinde außerhalb der Unterrichtszeit benutzen.
c) Die materiellen Nachteile der Verstaatlichung
Die Verstaatlichung der Schule war ein bedeutendes Ereignis im Leben der Gemeinde, damals wahrscheinlich unvermeidlich. Doch ihre Nachteile wurden schnell offenbar. Die schulischen Lasten der Kirchengemeinde verminderten sich nicht, sondern stiegen. Wegen des schnellen Zuwachses der Schülerzahl wurde der aus zwei Lehrsälen bestehender Gebäudeflügel mit Kosten in Höhe von 17.000 Kronen errichtet. 1913-14 mussten die zwei im Erdgeschoß befindlichen Lehrerwohnungen zu zwei Schulklassen umgebaut werden. Kostenpunkt 7.000 Kronen. Die Kirchengemeinde war gezwungen, jeweils Darlehen aufzunehmen, mit deren Rückzahlung sie bis 1931 beschäftigt war. Mit dem Anwachsen des Gebäudes wuchsen selbstverständlich auch die Kosten für dessen Reinigung und für die Heizung. Aber der Staat, beharrend auf den Buchstaben des Verstaatlichungs-Gesetzes, steuerte nichts bei. Wenn man noch dazu bemerkt, daß das Apponyische Schulgesetz von 1909 den konfessionellen Schulen eine große Staatshilfe zuteil werden ließ, so war klar, dass die evangelischen Kirchengemeinde Wandorf nach ihrer verstaatlichten Schule größere Lasten zu tragen hatte, als die hiesige röm. kath. Gemeinde nach ihrer konfessionellen Schule. Unbestritten, die evangelische Kirchengemeinde Wandorf war mit der Verstaatlichung ihrer Schule schlecht gefahren.
d) Die seelischen Nachteile der Verstaatlichung
Auch in kirchlicher Hinsicht zeigten sich bald ungünstige Folgen. Philipp Nitschinger wurde Direktor der Schule und versuchte immer wieder, den staatlichen Charakter der Schule zu betonen und sie somit dem Einfluß der Kirche zu entziehen. Kirchenlieder unterrichtete er kaum, in einem Fall verbot er deren Unterricht sogar, obwohl die älteren Schüler bisher geschlossen bei Beerdigungen sangen. Er beharrte auf dem Standpunkt, daß der Kantor nur außerhalb der Unterrichtszeit seinen Kantorenobliegenheiten nachgehen dürfe. Und dadurch machte er dem Kantor die Teilnahme an Beerdigungen, die alter Sitte gemäß nachmittags um 2 Uhr stattfanden, unmöglich. Aus diesem Grunde mußte Josef Bernhard, der kirchlich eingestellt und ein guter Chorleiter war, sein Amt als Kantor niederlegen. Die Hauptversammlung der Kirchengemeinde protestierte dagegen wiederholt. Es gelang auch, die Angelegenheiten zu schlichten beziehungsweise günstig zu erledigen mit Hilfe der Schulinspektion und des Ministeriums. Aber der Geist der Schule blieb vom kirchlichen Standpunkt aus bis zum Ende des 1. Weltkrieges ungünstig. Beigetragen dazu hatte auch die Amtstätigkeit des Lehrers Ignaz Ritzinger (1908-1912), der wegen Ehebruchs in der evangelischen Schule Alsóság sein Lehramt verloren hatte. Er führte eine gegen Gott gerichtete und antikirchliche Tätigkeit unter der Dorfbevölkerung und den Schulkindern aus.
e) Das Nitschinger-Ritzinger’sche Disziplinarverfahren
Im Jahre 1909 wurden nach wiederholten Klagen Disziplinarverfahren gegen Philipp Nitschinger und Ignaz Ritzinger angestrengt. Die Anklage gegen Nitschinger lautete: Schlagen der Kinder, ungebührliches Betragen gegen Vorgesetzte und Eltern und das Nichtüberlasen des Konferenzzimmers zugunsten der Kirchengemeinde. Die Anklage gegen Ritzinger: Verweigert das Lernen von Chorälen, verhindert, daß die Konfirmanden die Konfirmandenstunde besuchen, erläutert den Kindern die Abstammung vom Affen und behauptet, daß die Bibel die Unwahrheit sagt. Die Verfahren zogen sich bis 1911 hin und endeten mit der Amtsenthebung der beiden Lehrer.
Ritzinger wurde nach einem Jahr im Stillen versetzt. Die heute (1950) noch lebenden über 40 Jahre alten Leute waren seine Schüler. die Auffassung dieser Leute über Kirche und Religion bezeugt, dass die Anklage gegen die beiden Lehrer zutreffend waren und dass die Arbeit beider Lehrer in dieser Hinsicht nicht umsonst war. Der Geist der Schule änderte sich erst nach der Pensionierung Nitschingers.
Quelle: Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde in Wandorf
Prof. Pröhle (1950), übersetzt aus dem Ungarischen von Matthias Ziegler
Prof. Pröhle (1950), übersetzt aus dem Ungarischen von Matthias Ziegler