Im Dezember 2021 gab es annlässlich des Jubiläums der Volksabstimmung vom Jahr 1921 eine Ausstellung in Ödenburg zu sehen.

Wir bedanken uns bei András Krisch, der uns die Inhalte für unsere Leser zur Verfügung gestellt hat!

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Wahlkreis in der Kleinen Gasse (heute Pócsi strasse), 1921Die Deutschen Wähler
Eine ähnliche Rolle bei der Entscheidung spielte, wie bei den Ungarn, auch bei den Deutschen, die im Gebiet der Volksabstimmung wohnhaft waren, die individuellen, familiären, wirtschaftlichen Interessen oder politische und religiöse Aspekte. Gleichzeitig betrachteten sich die Deutschen in vielerlei Hinsicht als organische Bestandteile des geschlossenen deutschen Sprachraumes und waren sich im Klaren darüber, dass sie mit diesem Gebiet durch wesentliche wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen verknüpft sind.

Das Fehlen von Schuleinrichtungen deutscher Sprache auf mittlerer und Hochschulebene verursachte bei vielen eine Wendung Richtung Österreich. Die Mehrzahl der Stimmen für Österreich wurde von Bürgern mit deutschem Bewusstsein abgegeben, was sich oft als Gegenreaktion auf die Madjarisierung und auf den ungarischen Nationalismus interpretieren lässt. Das Verhalten der ungarischen Aufständischen spornte viele an, für Österreich abzustimmen, obwohl auch ein bedeutender Teil der Ödenburger Deutschen die Stimme für unsere Heimat abgab.

 

Die Evangelische Kirche und die Volksabstimmung
krisch02 Im Propagandakrieg vor der Volksabstimmung waren sowohl die evangelischen Seelsorger als auch die katholischen Pfarrer – abgesehen von einer einzigen Ausnahme – grundsätzlich ungarnfreundlich. Auch die Ungarische Evangelische Kirche rief ihre Gläubigen auf, für Ungarn abzustimmen. Als interessante Randbemerkung ist zu erwähnen, dass in der Ödenburger evangelischen Gemeinde der Standpunkt der Ungarischen Kirche vom Inspektor Jenő Zergényi in deutscher Sprache verkündet worden war. Die Ergebnisse hatten aber gezeigt, dass die Gläubigen, seien es Ungarn oder Deutsche, ihre Stimmen unabhängig vom Standpunkt der Pfarrer und Seelsorger abgegeben hatten.

 

Nach der Volksabstimmung
In der Zeit, die der Ödenburger Volksabstimmung folgte, begann das Verschwinden einer fast 600 Jahre alten ungarndeutschen Kultur. Dies beschleunigte sich jetzt, was unvoraussehbare und unumkehrbare Folgen für alle hatte, die im Gebiet der Volksabstimmung gelebt hatten. Ödenburg als deutsches kulturelles und geistiges Zentrum mit einer starken evangelischen Gemeinschaft konnte sein Dasein nur mehr zweieinhalb Jahrzehnte lang fristen. Die Vertreibung der Deutschen im Jahre 1946 wurde in einer Stadt vollzogen, die seit den Anfängen des 14. Jahrhunderts nachgewiesenermaßen mehrheitlich deutsch und auch 1921 Ungarn treu geblieben war.
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Das Ödenburger Deutschtum

Ödenburg war die größte von Deutschen bewohnte Stadt der Westungarischen Region. Schon im 13 – 14. Jahrhundert trafen sie hier ein, in mehreren Wellen, kontinuierlich von den benachbarten österreichischen und süddeutschen Gebieten. Somit kann das Deutschtum der Region als authentische Bevölkerung bezeichnet werden.
Ihre Ansiedlung ist mit der sog. „schwäbischen” Besiedlung nach Vertreibung der Türken in keinem Zusammenhang. Bei der Volkszählung im Jahre 1850 bekannten sich 97% der Bevölkerung zum Deutschtum.

 

krisch11Die Ödenburger Deutschen vor der Volksabstimmung
1850 trifft man auf wenige Bürger ungarischer Nationalität in Ödenburg, wohingegen bei der Volkszählung 1949 kaum noch Deutsche zu verzeichnen sind. Assimilierungsbestrebungen sind bereits zu Zeiten des Dualismus festzustellen, diese versprachen aber bis zu den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in Ödenburg nicht allzu viel Erfolg.
Die Zunahme des Ungarntums war zu dieser Zeit zum Teil der madjarisierenden Schulpolitik, der Assimilierung der Juden, der höheren Fertilitätsrate der Ungarn zuzuschreiben, sie ist aber zum größten Teil der Zuwanderung zu verdanken. Das Ödenburger Deutschtum konnte den Madjarisierungsbestrebungen dank seinem hohen Bevölkerungsanteil und seinem sich auf alle Bereiche des Lebens erstreckenden Einfluss lange widerstehen.

 

krisch12Das Idealbild der Nation von Bleyer
Landesweite Bekanntschaft genoss der Minister für nationale Minderheiten, Jakob Bleyer. Seiner Meinung nach widerspreche das Bekenntnis zum Deutschtum dem Umstand nicht, Mitglied der ungarischen Nation zu sein. Er war gegen den Anschluss Westungarns an Österreich, da dadurch das Deutschtum in Ungarn eine weitere Schwächung erfahren hätte. Nach Trianon und dem Erfolg der Volksabstimmung für Ungarn war es aber nicht mehr ausreichend, ein guter Ungar zu sein, indem man als zweisprachiger Bürger Patriot war. Das Bleyersche Ideal funktionierte nicht.

 

krisch13Edmund Scholtz
Seelsorger und Politiker

Der Agendorfer Pfarrer war in Fragen der Volksabstimmung und auch des Burgenlandes ein Anhänger von Jakob Bleyer. Er ermutigte seine Gemeinde, neben dem Bekenntnis zum Deutschtum gute ungarische Patrioten zu sein. Durch die Madjarisierungspolitik der ’20-er, ’30-er Jahre und die sich beschleunigende Assimilierung der Deutschen wurde der seiner Heimat bis zum Allerletzten treu gebliebene Seelsorger aber gänzlich enttäuscht.

 

Die Austellung war zu sehen im Dezember 2021 im Hof des Rejpál Hauses, Ödenburg (Grabenrunde 7), hier mit freundlicher Genehmigung von Andreas Krisch abgelegt. Bitte beachten Sie die Quellenhinweise zu den Bildern und die Unterstützer des Projektes.