Neben dem Existenzkampf, der bei vielen Familien den Alltag überschattete, wuchs allmählich auch der Wunsch nach Zerstreuung und Ablenkung. Die vielerlei Neigungen zum Ende des ausgehenden Jahrhunderts führten bei der ständig wachsenden Bevölkerung zur Gründung von Vereinen. Die Zugewanderten brachten aus ihren Heimatgebieten Gewohnheiten und Neigungen mit, die sie auch in Wandorf ausleben wollten. Vereine förderten die Geselligkeit, die Kameradschaft und nicht zu- letzt die Zusammengehörigkeit.
 

Der Wandorfer Freiwillige Feuerwehrverein
Aus den häufigen großen Feuerbränden der Vergangenheit (letzter war 1856) erwuchs die Erkenntnis, daß Feuerbrände durch geschulte und geübte Feuerwehrmänner wirkungsvoller bekämpft werden können, als dies durch die bisherige Gemeinschaftshilfe möglich war. So gründete man allenthalben Feuerwehrverbände auf freiwilliger Basis, die von der Bevölkerung und den Gemeindeverwaltungen unterstützt und gefördert wurden.
 

Auch in Wandorf entstand ein Feuerwehrverein, der zuletzt 40 aktive Mitglieder umfaßte und eine unbekannte Anzahl passiver Förderer:
 
A. Schindler (Harkau, mein Heimatdorf ) hat im Archiv der Stadt Ödenburg eine Zusammenstellung der "Freiwilligen Feuerwehr" des Komitats Ödenburg aus dem Jahre 1902 gefunden. Danach sind von Wandorf folgende Daten bekannt geworden:

Anzahl Häuser

Einwohner

Gründungsjahr

Kommandant

Offiz

U-Offiz

Kletterer / Pumper

309

2225

1890

Steiner N.

3

2

10 / 14

 

Wandorf hatte im Vergleich mit anderen Gemeinden die höchste Zahl an Häusern, an Einwohnern und hatte die stärkste Feuerwehrtruppe mit insgesamt 30 Mann.

 
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50 Jahre Wandorfer Feuerwehr (1891-1941)
 

Der letzte Kommandant der Feuerwehr war Matthias Plöchl, und der Vorsitzende des Vereins hieß Michael Gritsch, Bankdirektor der Englisch-Ungarischen Bank, in Ödenburg. In ihrer Zeit erhielt die Feuerwehr neue Uniformen. Vorher trugen die Feuerwehrmänner die überall in deutschen Landstrichen bekannte alte deutsche Feuerwehruniform. Ihr Kommandant war damals noch Samuel Tschurl, ehemaliger Artilleriefeldwebel der k. und k. Armee. In der Nähe des Kriegerdenkmals im Ortskern, neben der Brücke, die über den Altbach (Krebsbach) die Brennberger Straße mit dem Dorfplatz verband, stand das Spritzenhaus, in dem die gut erhaltenen Löschfahrzeuge und sonstige Löschgeräte untergebracht waren. Der Verein besaß auch schon eine Motorspritze. Nahe dem Spritzenhaus stand der Schlauchturm, der zum Trocknen der Wasserschläuche und für Kletterübungen diente. Diese hatten immer zahlreiche Zuschauer angelockt und waren eine Attraktion für Kinder.
 

Die aktiven Feuerwehrmänner waren meist Handwerker und Arbeiter. Der Verein unterhielt eine freiwillige Krankenkasse auf Gegenseitigkeit, aus welcher kranke Mitglieder unterstützt wurden.

 
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Matthias Plöchl, Kommandand der Freuwilligen Feuerwehr mit seiner Mannschaft
 

Feuerbrände waren in Wandorf seltener geworden, da es keine strohgedeckten Häuser mehr gab, so daß die Feuerwehr auch selten Brandeinsätze hatte. Der letzte Einsatz war beim Feuerbrand im Bauernhaus "Kalbantner-Brahma", gegenüber von der Kreißlerei Rath.
 

Allseits beliebt waren die jährlich beim Gastwirt Nika abgehaltenen Maskenbälle des Feuerwehrvereins. Die Bälle waren eher "Kostümbälle". Dabei tauchten seltsame Kostüme auf, an denen ihre Träger oft wochen-, wenn nicht monatelang arbeiteten. Da gab es Kostüme dicht-vollgenäht mit Maiskörner, deren Gewicht ganz erheblich war. Andere kamen als elektrische Glühbirnchen, wieder andere als eine Gruppe Hochzeiter mit alten Hochzeitstrachten, Schneeballkostüme u.a.
 

Maskierte hatten das Recht, sich gegen eine "Berührung" zu wehren. Dafür sorgten auch die Feuerwehrmänner, die entlang des Weges zum Gasthof Nika für die Masken- und Kostümträger einen Spalier bildeten, um sie vor Zudringlichkeiten zu schützen. Einen besonderen Wert legten die. Maskierten bis zur Demaskierung (um die Mitternachtsstunde) unerkannt zu bleiben. Selbst nahe Angehörige wurden in das Geheimnis nicht eingeweiht.

 
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Das Spritzenhaus mit Schlauchturm
 

Im Sommer waren es die Gartenfeste, zu denen der Feuerwehrverein eingeladen hatte. Diese fanden im Gasthof Manninger, später Gasthof Schöll, statt. Auch öffentliche Tombolas gehörten zum Unterhaltungsprogramm der Wandorfer Feuerwehr. Diese hatten großen Zuspruch und zogen auch viele Fremde an. Zu gewinnen gab es Gegenstände, die zur damaligen Zeit noch Seltenheitswert hatten, wie Fahrräder, oder Motorräder. Einmal war sogar eine Milchkuh als erster Preis auf der Tribüne "im Dorf" ausgestellt. Die Gewinn-Nummern wurden auf der Tribüne vor den Augen der Zuschauer gezogen, um einem Verdacht auf Manipulation vorzubeugen.
 

Der Wandorfer Männergesangverein "Harmonie"
Der Verein wurde 1894 gegründet. Die Gründungsmitglieder und der erste Chorleiter konnten nicht mehr festgestellt werden. Bekannt ist, daß vor dem 1. Weltkrieg Lehrer Josef Bernath der Dirigent des Chores war.
 
Augenzeugen, die die Gründung des Vereins und seine ersten Auftritte erlebt haben, berichteten, daß sangesfreudige Chormitglieder im Gasthof Nika oft deutsche Singspiele, Duette, Zwiegesänge und Couplets mit Musikbegleitung sehr gekonnt vorgetragen haben.


 
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Der Wandorfer Gesangverein

Noch unter Chorleiter Josef Bernath wurde das deutsche Liedgut gepflegt. Sein Nachfolger war Schuldirektor Jakob Guhr, der seine ungarische Gesinnung schon durch die Annahme eines ungarischen Namens (Guranyi) zu erkennen gab. Als Chorleiter des Gesangvereins studierte er immer mehr ungarische Lieder ein, die von den Sängern wegen Unkenntnis der ungarischen Sprache vielfach nicht verstanden wurden. Diese Tendenz mißfiel den Vereinsmitgliedern, und sie waren froh als er wegen "persönlicher und familiärer" Gründe die Chorleitung abgab.

Sein Nachfolger, der Simmel-Johann-Vetter (Johann Degendorfer) war bestrebt wieder deutsche Volkslieder in das Repertoire (Stückeverzeichnis) des Vereins aufzunehmen. Zu diesem Zwecke bildete er aus den jüngeren Sängern ein Doppelquartett, das sich nur deutschen Volksliedern widmete und die damalige Jugend auch bei Wanderungen und Ausflügen erfreute. Diesem Doppelquartett gehörten an: Hans Brunner, Luis (Alois) Brunner, Franz Herbig, Karl Schwenk, Wetzer-Binder, Richard Brunner, Hans Raab, Ferdinand Raab, Andreas Fürst. Die Mitglieder wechselten im Laufe der Zeit. Ihr Chorleiter blieb der Johann Vetter, auch als die Chorleitung des Gesamtvereins auf Lehrer Polster überging.

Dieser war ein sehr dynamischer, mitreißender Chorleiter, der den Verein auf ein beachtliches Niveau brachte. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges r und schon vorher wurde er als ungarischer Reserveoffizier ständig eingezogen (Oberungarn, Siebenbürgen, Südungarn), wodurch auch der Gesangverein als kulturelle Institution des Dorfes an Bedeutung verlor, bis er schließlich zerfiel.

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Zum deutschen Liederschatz des Doppelquartetts gehörten die allgemein bekannten deutschen Volkslieder, wie "Ich hatt einen Kameraden", "Es war einmal ein treuer Husar", "Müde kehrt ein Wandersmann zurück", Matrosenlieder, "Du kannst nicht treu sein", "Nun sind wir verheirat' etwa 50 Jahr", "Tief im Böhmerwald", "Wenn ich den Wandrer frage: Wo gehst Du hin, wo kommst Du her?", "In einem kühlen Grunde" usw. Eines der meist gesungenen Lieder war das Protestlied: "Deutsch sind wir allweil noch, dös wär nit schlecht und was ein Deutscher is, taugt nicht zum Knecht, taugt nit zum Leid umtrogn, haut lieber drein, Himmel-Kreiz-Sackra deutsch wolln ma sein, Himmel-Kreiz-Sackra frei wolln ma sein."

Die Ortsgruppe der Naturfreunde in Wandorf
Dieser Verein entstand im Jahre 1931, seine Mitglieder waren meist jüngere Arbeiter und Sozialdemokraten. Ihre Aktivitäten waren Touristik und Naturforschung. Sie unternahmen jährlich Ausflüge, besonders nach Österreich zur Rax und zum Schneeberg. Ihr Vorsitzender war Gastwirt Johann Schöll.

Der Freiwillige Bürgerliche Schützenverein
Der Verein bestand hauptsächlich aus Reservisten der ungarischen Honved-Armee. Der Vorsitzende des Vereins war der Notar Kiss und der Geschäftsführer Fürdös lanos, ungarischer Reserveoffizier, im Zivildienst Angestellter der Stadt Ödenburg. Der Verein nahm an zahlreichen Wettbewerben teil; über seine Erfolge und Mißerfolge ist wenig überliefert. Der Verein war in der Bevölkerung von Wandorf nicht sehr populär. Grund dafür mag gewesen sein, daß er auch ein Instrument der Madjarisierung war, worauf schon aus der ungarischen Vorstandschaft geschlossen werden kann.

Der Rotkreuz-Verein I
Das Landes-Rotkreuz hatte auch in Wandorf eine örtliche Niederlassung. Ihre Mitglieder waren hauptsächlich Handwerker und Arbeiter. Ihre Zahl betrug etwa 25 Mitglieder. Sie wurden in Lehrgängen geschult und auf den Ernstfall vorbereitet. Im Laufe des Jahres leisteten sie in etwa 250-300 Fällen "Erste Hilfe". Der Vorsitzende des Vereins war der Kinobesitzer Andreas Schwenk.

Der Ortsverband des Jugend-Rotkreuzes
Neben dem Rotkreuz-Verein wirkte noch unter der Leitung der energischen, wie zielbewußten Lehrerin "Pocsubay-Ruch Erzsebet (Erzsi-Neni) ein Ortsverband des Jugend-Rotkreuzes. Er wurde 1926 gegründet und hatte etwa 100 Mitglieder. Der Sitz des Verbandes war in der verstaatlichten evangelische Volksschule, wo die "Erzsi-Neni" auch Lehrerin war.
Sie organisierte Vorträge über das Gesundheitswesen, aber auch Märchen standen auf ihrem Programm. Der Verband war auch auf sozialem Gebiet sehr aktiv. Es wurden Bücher, Kleidungsstücke, Lebensmittel gesammelt und an bedürftige Kinder gespendet. Das hierfür notwendige Geld wurde durch Theateraufführungen der Schuljugend eingespielt.
Der Jugend-Rotkreuzverband war mit Geräten und Material für Erste-Hilfe-Leistungan gut ausgestattet. Wieviel Einsätze er durchgeführt hat, ist nicht bekannt.

Es ist auch nicht bekannt, inwieweit ein Zusammenhang zwischen dem IJugendverband der Erzsi Neni und dem Erwachsenen-Rotkreuzverein des "Kinoherrn" bestand. Offensichtlich handelte es sich organisatorisch gesehen um zwei getrennte Vereine, auch mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Denn der Jugend-Rotkreuz-Verband widmete sich auch anderen Fragen, als der "Erste-Hilfe-Leistung" So das Organisieren von Vorträgen über geschichtliche, geographische, biologische und volkswirtschaftliche Themen (ähnlich der Volksbildungsvereine). Es muß vermutet werden, daß der Jugend-Rotkreuz-Verband in dieser Weise auf Jugendliche und Erwachsene generell einwirken, bzw. Einfluß nehmen wollte (Vaterländische Erziehung).

Anzumerken wäre noch, daß es in Wandorf kein Armenhaus gab, obwohl ein Bedarf manchmal angezeigt war (Wohnungsräumung wegen rückständiger Mietzahlungen).
Auf der Gemarkung von Wandorf stand - in der Nähe von Ödenburg ein Waisenhaus für ungarische Waisenkinder. Wandorfer Kinder fanden keine Aufnahme.

Der Wohltätigkeitsverein und andere Vereinigungen (Tafel der Nächstenliebe)
Seine Mitglieder waren hauptsächlich Arbeiter. Seine Ziele waren die Förderung der Spartätigkeit und die Wohltätigkeit. Bedürftige Familien wurden hauptsächlich zu Weihnachten beschenkt. Er war eine parteipolitische, sozialdemokratische Vereinigung. Der Verein wurde vom Friseurmeister Feiler geleitet.

Weitere, soziale Vereinigungen in Wandorf:
  • Abteilung der alten Artilleristen
  • Abteilung der ehemaligen 18-er Honvéden
  • Abteilung der ehemaligen Angehörigen des 76-er Regiments
  • Der Kriegerbund, ehemalige Frontkämpfer.
 
Der Kriegerbund war auch der Initiator und die Triebfeder zur Errichtung des Kriegerdenkmals. Sie gaben ihren verstorbenen Mitgliedern auch das letzte Geleit. Zu diesen Anlässen erschienen sie mit ihrer dunkel- blauen Uniform zu der sie einen mit Federn geschmückten Helm trugen.
 

Der Ungarländische Deutsche Volksbildungsverein (UDV)
Er wurde in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg gegründet. Sein Ziel war die Erhaltung und Pflege des deutschen Brauchtums, der deutschen Sitten und der deutschen Muttersprache, kurz: die Wahrung der Identität der in Ungarn lebenden deutschen Bevölkerung. Er kämpfte gegen die Madjarisierung der Deutschen, die immer stärker das Leben der deutschen Bevölkerung bestimmte, Gleichzeitig betonte der Verein die Treue zur ungarischen Heimat und zum ungarischen Vaterland.
 

In Wandorf formierte sich der Verein erst 1935 neu, Vorsitzender der Wandorfer Ortsgruppe war Bäckermeister Johann Berger. Um ihn scharten sich meist jüngere Bürger. Zum Programm des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins gehörten auch Musikwettbewerbe, die der Förderung deutscher Volksmusik dienten.
 

Im Jahre 1936 fand in Wandorf ein Musikwettstreit statt. Teilgenommen haben folgende Musikkapellen (nach der Reihenfolge ihres Auftretens);
 
  • Musikkapelle Harkau, Leitung Gottlieb Schrammel
  • Musikkapelle Agendorf, Leitung Matthias Fürster
  • Ödenburger Bauernkapelle, Leitung Karl Groß
  • Wandorfer Musikkapelle Gritsch, Leitung Andreas Gritsch
  • Musikkapelle Raabfidisch, Leitung Johann Schröttner
  • Musikkapelle Kroisbach, Leitung Josef Schuster
  • Ödenburger Veteranen-Kapelle, Leitung Josef Lakitsch
  • Wandorfer Musikkapelle Degendorfer (Simmel), Leitung Karl Degendorfer
  • Wandorfer Levente-Musikkapelle, Leitung Gutav Türk
 
Sieger dieses Wettstreits wurde die Musikkapelle Harkau, die sich aus Musikern von mehreren Kapellen zusammensetzte. In Wandorf kam eine derartige Einigung zwischen den Musikkapellen nicht zustande.
 

Beim Musikwettstreit mußte jede Kapelle zwei Stücke vortragen, ein Pflichtstück und ein selbst gewähltes Stück.
 
Das Pflichtstück war ein langsamer Ländler von Joseph Güngel op. 31 "Klänge aus der Heimat".
 

Am Vormittag des Wettbewerbs gaben alle neun Kapellen gemeinsam ein Platzkonzert, bei dem die Anwesenden schon einen kleinen Vorgeschmack bekamen von dem, was am Nachmittag geboten werden würde. Da jede der Kapellen eine hervorragende Leistung brachte, fiel es der Jury schwer, die Entscheidung zu treffen. Schließlich gab man Harkau vor der Ödenburger Veteranen-Kapelle den Vorzug.
 

Die Musikkapellen in Wandorf
Wir wissen nicht, seit wann in Wandorf Musikkapellen existieren. Aus mündlichen Überlieferungen wissen wir jedoch, daß schon vor der Gründung von Blaskapellen in Wandorf die Streichmusik gepflegt wurde. Schon Mitte des vorigen Jahrhunderts spielten Streichquartette zu Hochzeiten und anderen Anlässen auf. Die Streichmusik wurde besonders von der Familie Peischl ausgeübt. Die älteste Blasmusik in Wandorf war die "Simmel:Kapelle" (Degendorfer). Die Kapelle hatte besondere Beziehungen zu Österreich, wohin sie schon im letzten Quartal des 19. Jhdts. zu Musikwettbewerben (Eisenstadt, Wiener-Neustadt) eingeladen wurde und mit ihrem damaligen Kapellmeister, Andreas Degendorfer sen., großartige Erfolge erzielte.

 
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Die Heranbildung musikbegeisterter Bürgersöhne erfolgte nach strengen Kriterien. Selbstverständliche Voraussetzung war ein gutes Musikgehör, denn in der Kapelle wurde nicht nur Blasmusik, sondern auch Streichmusik gespielt. Die Ausbildung .dauerte allgemein vier Jahre. Die ersten drei Jahre waren dem Violinunterricht gewidmet, im vierten Jahr hat der Musikschüler sein erwähltes Blasinstrument erlernt. Erst danach durfte der junge Musiker in der Kapelle mitspielen. Diese "strengen" Ausbildungsregeln lockerten sich allmählich und die Blaskapellen wurden zum Nebenerwerb:

Die "Simmel-Kapelle" (Degendorfer) und die Kapelle Gritsch waren ursprünglich Bauernkapellen. Ihre Besetzung kann noch "klassisch" genannt werden: 2 Klarinetten, 2 Flügelhörner, 2 Trompeten, 2 Baßflügelhörner, 1 Baß und wenn nötig 1 Schlagzeug (Trommel, "Tschinön"). Die Kapellen bezogen ihr Notenmaterial über den Instrumentenhändler Riedl (Ödenburg) aus böhmischen und steirischen Quellen. Riedl reparierte auch defekte Musikinstrumente, lieferte neue Instrumente und alles Zubehör. Das Repertoire (Vorrat einstudierter Stücke) bestand hauptsächlich aus Walzern, Ländlern, Polkas und Märschen, seltener auch ungarischen Csárdás.

 
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Ein Auswärtsspiel: Mit Wandorfer Musikanten Kiritog in Kolnhof 1933
 

Die jüngste Blaskapelle war - auch was das Alter der Musiker betraf - die "Levente-Kapelle". Sie war ein Teil der ungarischen, staatlichen Jugendorganisation " Levente". Ihr Anfang lag etwa in der Mitte der dreißiger Jahre (1934) und bestand aus 20 Mann.
 
Neben den genannten Vertretern des Wandorfer Musiklebens darf der Wandorfer Zitherbund und die einzelnen Akkordeonspieler (Ziehharmonika, Maurerklavier) nicht vergessen werden, die alle durch ihr Wirken zu der allseits anerkannten fröhlichen Grundstimmung Wandorfs beigetragen haben. Der Zitherbund wurde von Karl Knabel (Stühler-Karl) geleitet. Einer der bekanntesten Zitherspieler war Samuel Gabriel, der oft bei kleineren Gesellschaften aufspielte.
 

Wandorfer Fußballclub
Es war kein Verein in dem Sinne, wie man sie in Deutschland kennt. Keine formaljuristische Vereinigung, sondern ein Zusammenschluß sportbegeisterter Jugendlicher, die Interesse am Fußballsport hatten.

 
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1. Fußballclub Wandorf um 1930
 

Es wurden keine Vereinsbeiträge, bzw. Mitgliedsbeiträge eingezogen. Um mitzumachen, reichte es aus, ein gewisses Talent und die nötige Begeisterung einzubringen. Und wer ein beachtliches Können zeigte, wurde in die Mannschaften aufgenommen.
 
Das Geld für die Ausrüstung, für das Sportdreß, stellte der Staat zur Verfügung und wurde von einem ehrenamtlich mitwirkenden Manager verwaltet. Er sorgte auch für die Austragung von Freundschaftsspielen, für die Sauberkeit und Pflege des Fußballdresses. Es gab kein Vereinsheim. Das Dreß mit den Stulpen und den Fußballstiefeln wurden meistens am Spielfeld verteilt oder schon vorher an die nominierten Spieler ausgegeben.


 
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Mannschaft mit Betreuer Sümeghi Feri
 

Der Wandorfer Fußballclub hatte keinen eigenen Fußballplatz, von einem Fußballstadion ganz zu schweigen, gespielt und trainiert wurde auf der sog. "Reitschule" der Artilleriekaserne von Ödenburg, die an die Gemarkung von Wandorf angrenzte.
 
Da alle Spieler berufstätig waren, fand das Training samstags oder werktags nach Dienstschluß statt. Der Sonntag war den Freundschaftsspielen mit anderen Clubs vorbehalten. Gegner waren folgende Clubs: Törekvés, Mowe, Egyetértés, Brennberg, auch Agendorf, wenn es eine "Elf" auf die Beine brachte, dann Vasut II. und SFAC II. Die ersten Mannschaften der beiden letzten Clubs, also Vasut I. und SFAC I. entsprachen vom Niveau her der 2. Bundesliga in Deutschland. Man kann daraus unschwer auf das hohe spielerische Niveau des Wandorfer Fußballclubs I. schließen, der in seinen besten Jahren in Fußballkreisen hohe Anerkennung fand.
 
Weitere gegnerische Clubs waren: Die Mannschaften von der Teppichfabrik (Schotex), von der Hochschule in Ödenburg, von Bük und Nagycenk. Österreichische Gegner waren: Hirschwang, Pottschach und Schattendorf.

 
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Die verjüngte Mannschaft
 

Die Begegnungen mit anderen Clubs waren keine "Punktespiele", sondern reine Freundschaftsspiele, die aber mit demselben Engagement und mit dem gleichen Siegeswillen bestritten wurden, als ginge es um einen "Klassenerhalt".
 

Eng verbunden mit dem Anfang des Wandorfer Fußballclubs steht der Name Sümeghy Feri. Er war der erste Förderer und Manager der fußballbegeisterten Wandorfer Jugend. Er verstand es um das Jahr 1930 die Geburtsjahrgänge 1910-1912 an den Fußballsport heranzuführen und den FC Wandorf auf ein beachtliches Niveau zu heben. Die Fußballer haben freilich selbst Talent und Begeisterung eingebracht, so daß sich das erreichte Niveau von selbst ergab.
 
Die ersten Wandorfer Fußballspieler sind auf Bild 1 abgebildet.
 

Pineschitz Anton, Ziegler Karl, Balogh Lenz, Gumhold Rudolf, Juray Samuel, Poropatich Pepperl, Kraus Karl, Türk Gustl, Sümeghy Sanyi, Polgar Anton (Ödenburger)
 

Auf Bild 2 ist schon eine etwas verjüngte, dynamischen Offensivfußball spielende Mannschaft abgebildet mit ihren Betreuern in zivil; von links nach rechts:
 
Schneider Gottlieb, Balogh Ferl (er wurde als Tormann von dem SFAC 1.- entsprach der l. Bundesliga - verpflichtet), Reitter Peppsch.Schirk Gustl, Lebisch Franz, Balogh Lenz, Reitter Jozsi, Schwenk Michael, Pineschitz Anton, Forbach Thomas, Fruhmann Rudl, Degendorfer Karl, Gumhold Ferl, Balogh Anton, Sümeghy Feri.
Sitzend-liegend von links nach rechts:
 
Als erstes Sportdreß trug die Mannschaft ein helles Lila mit dunklem Kragen. Die Farbe wechselte dann von Lila zu Grün-Weiß, die nun in verschiedenen Varianten zur Stammfarbe des Clubs wurde.
 
Durch die nachrückende Jugend hatte Wandorf bald komplette zwei Mannschaften, den FC Wandorf I. und II.
 
Im Bild 3 wird nun eine Mannschaft vorgestellt, in die schon die Jahrgänge 1920, 1919 und 1918 integriert waren. Von links nach rechts erkennen wir:
 
Fruhmann Rudi, Kalbantner Johann, Degendorfer Andreas, Pineschitz Anton, Schwenk Michael, Degendorfer Karl, Kappel Michael, Graf Johann, Reitter Karl, Reitter Jozsi, Peischl Richard (verdeckt) Fruhmann Hans, Schrantz Andreas (Betreuer nach -Sümeghy Feri).
 
Da der Fußballsport aus England kam, verwendete man in Wandorf oft noch die englischen Originalbegriffe. So war der Eckball = Corner, der Verteidiger = Bak (gesprochen Bek), der Mittelstürmer war der Zentner, von ihm links und rechts die Verbinder zu den Flügelstürmern. Hinter dieser Stürmerreihe war der Zentner-Half, der rechte und linke Half.
 
Einer der hervorragenden Spieler des Wandorfer FC und wohl auch einer der dem Fußballsport am längsten die Treue hielt war "Johann Graf" (Verteidiger = Bak), der nach der Vertreibung bereits 40jährig, als einarmiger Sportler (kriegsversehrt) beim Mosbacher Fußballclub noch eine gute Figur machte.
 

Levente-Jugend
Bei der "Levente" handelte es sich um eine staatliche Jugendorganisation für die männliche Jugend. Die Teilnahme war also Pflicht. Betroffen waren alle Jugendlichen, die die Volksschulpflicht beendet hatten bis zum Einzug zum ungarischen Militär (21jährig). Freigestellt waren nur Schüler, die eine höhere Schule in Ödenburg besuchten.
 
Der Bestand der "Levente" betrug etwa 250 Jugendliche, die einer vor- militärischen Ausbildung unterzogen wurden.
 
Vorsitzender der örtlichen Organisation war der Wandorfer Notar Sigismund Kovacsics. Die vormilitärische Ausbildung stand unter dem Kommando des staatlichen Lehrers und ungarischen Reserveoffiziers Ladislaus Polster.>/div>
 

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben versammelte sich die Jugend jeden Sonntag vormittag am Kriegerdenkmal, von wo sie in militärische Einheiten geordnet zu Übungen auf die "Reitschule" (Übungsplatz der Artillerie-Kaserne) abmarschierte.
 

Die Übungen bestanden aus allen Disziplinen, die zur vormilitärischen Ausübung führten, von der Leichtathletik bis zu Gewehrübungen (Holzgewehre). Nach Beendigung der Übungen wurden die Jugendlichen - so um die Mittagszeit - von der "Levente-Blaskapelle abgeholt und vom Ortsrand (Reitter-Wagner) mit Marschmusik in wohlgeordneten Formationen heimbegleitet. Die Marschmusik hat die Strapazen des Vormittags wettgemacht.
 

Die Levente-Jugend der einzelnen Ortschaften traf sich fast jährlich zu Wettbewerben, sog. "Dorfolympiaden", wo sie in den vormilitärischen Disziplinen ihr Können zeigte. Die Landgemeinden des Ödenburger Kreises trafen sich hauptsächlich in der Gemeinde Nagycenk (Zinkendorf). Jede Gemeinde beschickte nur jene Disziplinen, in denen sie ernsthafte Vertreter nominieren konnte. Wandorf war in der glücklichen Lage, gute Sportler in fast allen Disziplinen zu entsenden. So dominierte Moser Franz fast immer im 10 000-m-Langlauf. Im Hochsprung waren es Steger und Karl Degendorfer, die der Konkurrenz das Nachsehen gaben. Auch in den Disziplinen "Kriechen", "Gehen" und 100-m-Lauf hatten wir hervorragende Vertreter.
 

Im Hochsprung gab es damals noch harte Bedingungen. Die Springer landeten nicht auf einer weichen Matratze, sondern mußten ihr Körpergewicht auf den Beinen auffangen. Die heute bekannten Bequemlichkeiten fehlten auch in anderen Disziplinen.
 

Lebisch Franz (heute Schwäb. Gmünd) erzählte den Verlauf eines Wettbewerbs zwischen Wandorf und Agendorf, an dem auch Prominente aus Ödenburg auf der Tribüne zuschauten. Seine Schilderung betraf den Wettbewerb in den Disziplinen "Kriechen" (Robben) und "Gehen", bei denen er, Lebisch, als 16jähriger Wandorf vertreten hatte. Es mußte eine Strecke von 30 m kriechend zurückgelegt werden. Lebisch Franz ging mit 5 m Vorsprung als Sieger ins Ziel.
 
In der Disziplin "Gehen" gingen 5 Agendorfer und drei Wandorfer an den Start: Lebisch Franz, Lebisch Martin und Michael Sachs. Die Strecke, die zurückgelegt werden mußte, betrug 5 km. Das wäre nicht viel. Doch wenn man bedenkt, daß die Geher alle einen mit Sand gefüllten Rucksack von 25 kg tragen mußten, war die Anforderung nicht gering. Das Ergebnis war: Die drei Wandorfer belegten die drei ersten Plätze und verwiesen die Agendorfer auf die Verlierer-Plätze.
 
Bei demselben Wettbewerb gewann Balogh Lenzi eine Medaille im 100 Meter-Lauf, Pinesitsch Anton eine Medaille im 200-m-Lauf. Die Freude ! über die Siege war so groß, daß die Sieger von ihren Sportkameraden auf die Schultern genommen und von der Musikkapelle durchs Dorf gespielt wurden. Den Höhepunkt einer sog. "Dorfolympiade" bildeten die Exerzierübungen und die Gewehrgifffe der Ehrenzüge (diszszakasz). Gewinner wurden diejenigen, die die Übungen militärisch am exaktesten ausführten. Die Formationen waren alle weiß eingekleidet und gaben den Veranstaltungen einen festlichen Rahmen. Mit dem Absingen der ungarischen Hymne ging die "Dorfolympiade" zu Ende.
 
Die Sportbegeisterung der Wandorfer Jugend zeigte sich auf allen Ebenen. Diese kam auch im Wandorfer Fußballer-Lied zum Ausdruck:

 
So lange noch ein Tropfen Blut in unsren Adern fließt, wohl Adern fließt,
so lang das Herz schlägt in der Brust,
so lang das Auge sieht, wohl Auge sieht,
wir kämpfen gern mit Kraft und Mut für. den Sportclub Wandorf.
Wir wollen Fußballsport betreIben, mit Hipp-Hurra-Lalala, : mit Hipp-Hurra-Lalala
Wir wollen treue Freunde bleiben mit Hipp Hurra, mit Hipp-Hurra. Hurra,
Hurra, Hurra Lalala, Hurra, Hurra, Hurra Lalala
Wir wollen siegen, wir wollen siegen,
Wir wollen siegen mit Hipp-Hurra.
 

Die Pfadfinder
Auch die Pfadfinder hatten eine Abteilung in Wandorf. Die Leitung der Organisation lag bei dem Leiter der katholischen Volksschule Josef Sümeghy, er war ein inniger Verfechter der Magyarisierung. Der Vorstand der Ortsgruppe war Josef Varga, katholischer Pfarrer, gegründet wurde der Verband im Jahre 1928. Um die jungen Menschen sinnvoll zu beschäftigen und die Gruppe entsprechend auszurüsten, benötigte er einen Sponsor. Herr Sümeghy hatte dafür den aus seiner Heimatgemeinde bekannten, Grafen "Felsöbüki Nagy Pal" gewonnen. Die Wandorfer Pfadfindergruppe trug dessen Namen; sie zählte etwa vierzig Mitglieder. Das Ziel war die Jugenderziehung und die Kameradschaft. Auf dem Ausbildungsplan standen außerdem: Leibeserziehung, Kartenlesen, Orientierung im Freien mit und ohne Kompaß. Zeltplatz aussuchen und Zelte aufbauen wurde gelehrt und praktiziert. Großer Wert wurde auf Erste-Hilfe-Leistung gelegt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß an mehreren Stellen des Dorfes Verbandskästen aufgestellt und immer wieder neu aufgefüllt wurden, und zwar in der Gemeindeverwaltung, im Postgebäude, im katholischen Schulhaus, im Gemischtwarengeschäft Gumhold und in der Trafik bei Kato. An den aufgeführten Stellen war immer jemand da, der erste Hilfe leisten konnte. Für die Anschaffung der Verbandsstoffe wurde jährlich eine Haussammlung durchgeführt.
 
Die Wandorfer Pfadfindergruppe hatte im Sommer 1929 ihr Zeltlager auf dem Grundstück ihres Patrons aufgestellt. Gekocht wurde von der Pfadfindergruppe des evangelischen Lehrerseminars in Ödenburg. Die Lebensmittel wurden vom Grafen gespendet, der die Gruppe am ersten Samstagnachmittag mit Kakao und Milch bewirtete, wobei ungarische Lieder vorgetragen wurden.
 

Im Jahre 1931 durfte die Gruppe an dem westungarischen Pfadfindertreffen in Steinamanger (Szombathely) teilnehmen. Dies galt als Generalprobe für das Weltpfadfindertreffen in Gödöllö, nordöstlich von Budapest; es wurden Aufmarschübungen durchgeführt. Im August des Jahres 1933 war das große Weltpfadfindertreffen (Jamboree) in Gödöllö, auf dem Grundbesitz des ungarischen Reichsverwesers Nikolaus Horthy. Hier trafen sich Pfadfinder aus der ganzen Welt. Ein Teilnehmer dieses Treffens, Karl Gumhold, berichtet hierüber: "Es war für uns ein riesiges Erlebnis, mit dreizehn Jahren ein so buntes Fest erleben zu dürfen. Es waren Pfadfinder aller Hautfarben und Nationen aus Afrika, Asien, Japan, Amerika, England und aus sämtlichen Ländern Europas vertreten. Besonders beeindruckend war der Aufmarsch mit Fahnen zum gemeinsamen Gottesdienst und der Fahnenweihe. Im Laufe der Zeit machte der Reichsverweser zusammen mit dem englischen Lord Baden-Powell, der Vorsitzender des Weltpfadfinderbundes war, einen Rundgang durch das riesige Zeltlager, sie kamen auch bei uns vorbei. Von Gödöllö aus machten wir einen Besuch in Budapest, wo uns die Sehenswürdigkeiten der ungarischen Landeshauptstadt gezeigt wurden. Auch das Parlamentsgebäude durften wir besichtigen, und wir durften sogar auf der Regierungsbank Platz nehmen. Mit einer Schiffsreise bis Raab (Györ) haben wir die Heimfahrt begonnen und von Raab aus fuhren wir mit dem Zug bis Ödenburg. Dieses dreiwöchige Zeltlager war bestimmt für alle Teilnehmer ein großes Erlebnis."
 

Nach dieser Zeit kam in Deutschland der Machtwechsel in Gange, Hitler kam an die Regierung. Auch in Österreich begannen die nationalsozialistischen Umtriebe. Im Jahre 1936 wird in Osterreich der Putsch niedergeschlagen, und die ersten "Verbindungen" wurden geschlossen.

 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)
 
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