Wenige Landsleute waren es, die sich mit Kurzgeschichten am Heimatbuch beteiligten. Vielleicht weilten die alten Wandorfer Erzählerpersönlichkeiten bei der Erstellung des Heimatbuchs nicht mehr unter den Lebenden. Es gab sie aber noch bei der Vertreibung der Deutschen, die aus der reichen Vergangenheit unserer Gemeinde über interessante Ortsvorkommnisse zu berichten wußten.
 
Einige Kurzgeschichten, die den Verfassern des Heimatbuchs zugegangen sind oder überliefert wurden, werden nachstehend dem Leser zugänglich gemacht. Bei den Geschichten handelt es sich um Tatsachen- und Erlebnisberichte:
 
Als in Wandorf noch Hexen spukten
Die Geschichte liegt gar nicht weit zurück. Wir lebten im Jahre 1926, als dem Lebisch Franz (damals 16 Jahre jung) seine Jugendkameraden entgegenkamen und ihn aufforderten: "Franz, komm schnell mit! In einem Haus in der Kirigoßn springt die Uhr von der Wand herab und zurück. Dort gibt es Hexen." Der liebe Franz, der gerade aus dem Wald mit einem Bündel Holz heimwärts wollte, legte sein Bündel hin und eilte mit seinen Kameraden in die "Kirigoßn", in das Haus der Familie Wohlmuth, wo eine Familie Barzel in Miete wohnte. Der Vater Barzel war Witwer, lebte mit seinen 3 Töchtern und Kleinkindern im Wohlmuth'schen Haus und konnte die Miete nicht bezahlen. Sein geringer Lohn als Gemeindeförster reichte dafür nicht aus. Die Wohnung wurde ihm gekündigt, worauf sich eigenartige, merkwürdige Dinge in der Wohnung abspielten,. die man für Hexereien hielt. Die Vorkommnisse haben sogar den katholischen Pfarrer Mayer, die Hebamme und den Schustermeister Horvath (in d. Winkln) auf den Plan gerufen. Pater Mayer versuchte dem Spuk dadurch Herr zu werden, in dem er mit beschwörenden Gottesanrufen (Gebeten) den Raum weihte, wobei ihm die Hebamme assistierte. Der Schustermeister verlangte eine Kreide und malte eine Truthahnhaxe an die Haustür, um so die Hexen zu vertreiben. Als diese nach getaner Arbeit den Raum verlassen hatten, blieben der Franzl und seine Kameraden im Raum zurück. Als es dunkel wurde, kam noch Herr Kisela (war Matrose im 1. Weltkrieg) dazu. Er ging zum Schlafbett und beobachtete, wie die Töchter des Försters verschiedene Gegenstände mit ins Bett nahmen. Diese schleuderten sie dann geschickt und fast unbemerkt aus dem Bett. So kam ein "Ura-Schüsserl", ein geschliffener Glasstoppel und ein Schuh in den Raum geflogen. Der Franzl saß da und staunte. Auf einmal kam ein angebissenes Kipferl auf seinen Schoß geflogen, das von einem Kind, wie der Franzl beobachten konnte, vorher ins Bett mitgenommen wurde. Nach diesen Beobachtungen drohte Herr Kisela den Töchtern: Wenn sie mit diesem Spuk bis morgen früh kein Ende machen würden, ruft er die Polizei. Da- vor schreckten die Hexengeister zurück und gestanden unter Tränen, dass sie damit nur ihre Wohnung für sich retten wollten.
 
Nach Aufdeckung des Hexenspuks ging der Franzl heim. Ein Haus weiter, beim Mühlbach, traf er einen Mann von der Ödenburger Zeitung, der nach seinem Namen und dem Hexenhaus fragte. Nach Ablauf von drei Wochen erhielt der Franzl von seinem Onkel in Amerika (Johann Hubler) einen Zeitungsausschnitt mit dem Artikel: "Franz Lebisch hat in Wandorf die Hexen vertrieben."
 
Anmerkung: Einfallsreich und dreist waren diese Hexen, die anscheinend wußten um die Hexengläubigkeit mancher ihrer Mitbürger. Noch eins: Da sage jemand, dass die Nachrichtenübermittlung in der telefonarmen Zeit nicht schnell war und nicht genau so falsch, wie heute!
 
Die schlaue Bäuerin in Wien oder die Katl-Muam in Wian
Im ersten Weltkrieg wurden viele Wandorfer nach Wien zum Militär eingezogen. Die meisten kamen zum 76er Infanterieregiment. Die Kost beim k.u.k.-Militär war nicht gerade die beste und auch nicht ausreichend für einen Bauernmagen, der gewohnt war, sich an seinen eigenen Produkten satt zu essen. Voller Freude und Erwartung sah er daher dem Besuch seiner Frau entgegen, die ihm einmal im Monat Speck und Würste mit gutem Bauernbrot persönlich nach Wien brachte.
 
Jedesmal, wenn sie an den langen Mietskasernen (Wohnblocks) dahin trottete, war sie fasziniert von den vielen Fenstern an den Häusern. Wie viele Fenster könnte ein so großer Block wohl haben? Diese Frage beschäftigte sie beim Hinweg und beim Weg zum Bahnhof. Als sie wieder einmal von ihrem Mann Abschied genommen hatte und mit leerer Tasche zum Bahnhof eilte, wurde sie von der Neugier übermannt, blieb stehen und fing an, die Fenster zu zählen. Um keinen Fehler zu machen, ging sie es langsam an, zumal sie noch Zeit bis zur Abfahrt hatte.
 
Sie war schon bei 50 Fenstern angelangt, als ein Wiener Stenz sie unterbrach und forsch fragte, ob sie denn wisse, dass man für jedes gezählte Fenster eine Krone zahlen müsse. "Wieviel haben sie schon gezählt?" fragte er sie. Etwas überrascht stotterte sie, aber doch noch auf einen Vorteil bedacht: "Dreißig, Herr Wachtmeister". "Also geben Sie her und schaun sie zu, dass sie sich nicht wieder erwischen lassen"! Die Bäuerin zahlte und ging eiligen Schrittes dem Bahnhof zu, froh darüber, dass man ihr den Betrug nicht anmerkte.
 
Voller Stolz erzählte sie, zu Hause angekommen, von ihrer Schlauheit und ihrem Mut, durch die sie den Wiener hereingelegt hatte.
 
Der Hypnotiseur
In Wandorf tauchten ab und zu auch Alleinunterhalter, Zauberkünstler auf, die nach ihren Vorstellungen in Ödenburg ihre Künste auch den Wandorfern zeigen wollten.
 
So kam im Jahre 1923 ein Zauberkünstler, der auf Plakaten für seine Auftritte geworben hat und als seine Hauptattraktion das Hypnotisieren herausstellte.
 
Als Vorführungsraum diente der Tanzsaal des Gemeindewirtshauses. Für den Eintritt verlangte er 1 Pengö. Seine Werbung zog auch die Jugendlichen an, so auch den Lebisch Franzl, der damals 13 Jahre alt war. Seine Neugier auf die angekündigte mysteriöse Kunst setzte seiner Mutter gehörig zu, die ihm das Eintrittsgeld nicht herausrücken wollte. So ging der Franzl um 8 Uhr abends etwas mißmutig zur Vorstellung. Am Eingang hielt ihn der Künstler an, der das aufgeweckte Wesen des Jungen erkannte und ihn für tauglich hielt, ihm bei seiner Hauptattraktion, dem Hypnotisieren, behilflich zu sein. Mein Junge - sagte er - hier hast Du 1.- Pengö, wenn Du beim Hypnotisieren alle meine Befehle befolgst und darüber schweigst. Ich werde Dich bei der Nummer aufrufen. Franzl war damit einverstanden. Er bekam einen gebührenden Platz und wartete auf seinen Auftritt. Als letzte Nummer kam das Hypnotisieren. Scheinhalber versuchte es der Künstler mit zwei anderen Jungs, die aber als Medium (Patient bei hypn. Versuchen) unbrauchbar waren. Dann hat er Franzl aufgerufen. Auf der Vorführbühne strich ihm der Künstler nach einem ausgiebigem Hokus-Pokus mit seinen ausgestreckten Fingern übers Gesicht, dass der Franzl zunächst erschrak. Er fing sich bald wieder und hörte dann die Befehle des Künstlers, die er nun ausführen sollte: "Hier ist ein Fahrrad" und stellte einen Stuhl mit Lehne auf das Podium. "Setze Dich drauf und fahre los"! Der Franzl tat, wie befohlen. "Schneller, noch schneller", hörte er dann den Meister. Und der Franzl radelte, wie befohlen. "Halte an!" Franzl kam zum Stillstand. Der Hypnotiseur machte wieder seinen "Hokus-Pokus" und tat so, als müßte er den Franzl aus dem hypnotischen Schlaf erwecken. Doch dieser war unbeeindruckt vom Bühnengeschehen, als wäre nichts gewesen. Und in der Tat war auch nichts geschehen. Er ging, wie er kam, nur mit einem Geheimnis reicher, und der Künstler lobte ihn für sein "Mitmachen".
 
Die Zuschauer waren aber begeistert von der vermeintlichen übersinnlichen Kraft des Künstlers, und sie sind es vielleicht heute noch, soweit sie noch unter den Lebenden weilen.
 
Die Rache des Fleischhauers
Das Gmuawiatshaus war nit nua fia die duaschtinga Fualeit a beliabta Rostplotz, wo Mann und Rössa nach vielstündiga Oawat endli gfreßn und gsouffa horn. Vaschwitzt und miad horn die Rössa oamsölig voa dem Brunn dogstandn und horn woatn miaßn bis ia Fuamann seine Guagl ausgiebig duachgspült ghobt hout. Ban Woatn is schou ouft die Nocht kemma, bis des Gspann weitagfoahn is.
 
Und um dei Zeit is a schouda Fleischhocka ins Gmuawiatshaus kemma, a mit an murds Duascht. Im Wiatshaus, woas schou recht laut und da Fleischhocka hout si einikniat und hout recht mitgsouffa. Ea hout dann nit amol gmerkt, wia's Wirtshaus laa gwoadtn is und ea nua mea mit seim Weiglas dispatiert hout. Da Wiat hot schou die Gläsa zammgramt und hätt a gean den Fleischhocka draußn ghobt. Owa dea hout nammuü b' staüt, wos den Wiat iwerhaupt nit paßt hout, denn da Fleischhocka hout schou an schenna Offn ghobt. "Geh, sogt a, fia heut houst gmui, i gib da nix mea". In seim Dussl hout ea zeascht gua nit gmerkt, dass man aussi gschmißn hout. Eascht unterwegs auf'm Huamwei (Heimweg) hout ea in da Luft nammuü kloari Gedanken kriagt. Hout mi denn da Wiat aussi- gwoaffa? frogt er si. Donnaweida, woat, du Hoderlump, des zoü i da zruck! Deis is da Dank dafia, dass i iam die Kaiwl okaff, fira guits Göd. Huamgei turi nit. I woat nou a Waü (Weile) und noch eina Stund, oüs da Wiat schou tief gschloffa hout, is da Fleischhocka zruck ins Wiatshaus und hout den Wiat am Fensta wochgloupft. Ea hout soulang gloupft, bis si da Wiat gmödt hout. I bis, sogt da Fleischhocka, i woüt, di froung (fragen), ob i dei jingst's Kaiwl horn kou und wos du valangst. Dann ging der Fleischhocka zufriedn hoam und hout die Schimpfworte vom Wiat nimma mitanghöat. Er war froh, dass er den Wirt aus dem besten Schlaf gerissen I 'hatte.
 
Das Ständchen
Die heranwachsende Jugend von Wandorf hatte in den 30er Jahren (1930-39) die damals populären Schlager auch gerne aufgenommen und gesungen. Es gab damals weder Fernsehen noch Radio (vereinzelt gab es den sog. Kristalldedektor) und dennoch gewannen die Schlagerlieder immer stärkere Verbreitung. Es waren die Tanzkapellen auf "der Alm", im "Schweizer Haus" und auch beim "Nika", die die Schlagermelodien aufgriffen und populär machten. Eines dieser Schlagerlieder war das italienische ,"0 sole mio", das die romantischen Seelen der Halbwüchsigen gefangen nahm und ihre Phantasie beflügelte.
 
Einige dieser Halbwüchsigen (15-16-jährig) hatten schon heimliche Liebessehnsüchte nach ihren gleichaltrigen Mädchen. Wie sollten sie ihre Gefühle der Auserwählten offenbaren? Allein hatten sie nicht den Mut und direkt schon gar nicht. Die Hürde konnte nur in Gemeinschaft mit den Kameraden überwunden werden. Das wäre die Möglichkeit, der heimlich Angebeteten näher zu kommen und ihre Gefühle zu testen. Natürlich mußte eine Form gewählt werden, die den Funken auf wohlklingenden Melodien ans Ziel bringen, möglichst nachts, wenn' s niemand sieht und hört, außer die Auserwählte. Diese Form war das Ständchen. Also mußte ein Ständchen organisiert und einstudiert werden. Gesang mit Musikbegleitung war die Kombination, die Anklang finden könnte, dachten die Jungs. Als Melodie wählte man die einfühlsamen Klänge des ,,0 sole mio". Da der italienische Text weder bekannt, noch verstanden wurde, entschloß man sich, für die Melodie einen eigenen deutschen Text zu schreiben, der folgenden Inhalt bekam:
 
"Liebste komm zu mir, ich bin gut zu Dir.
Mein Herz schlägt heftig zu,
läßt mir tagein, tagaus nie eine Ruh'.
Wenn der Mond am höchstens steht,
milder Wind ans Fenster weht,
so denk, 's ist eine Liebsbotschaft von mir.
Durch die Mondesnacht,
die mich einsam bewacht
im Liebesrausch" . . . und so weiter.
 
Der dichterische Wert ist gleich Null, doch der Inhalt verrät etwas von den glühenden jungen Herzen. Die Brüder Hans und Karl B. besorgten den musikalischen Teil (1. u. 2. Geige), die anderen Heißsporne bestritten den Gesang. Nach den erfolgreichen Proben kam der Ernstfall.
 
Mit weichen Knien ging es zunächst in die "Kirigoßn zur Kätl. D. Das Tor war abgeschlossen, und die Buben mußten über Holzbirdln in den Hof klettern.
 
Ein dunkler Nachthimmel wölbte sich über das Panorama, das von keinem Mond erleuchtet wurde. Der Text konnte nicht mehr geändert werden, also fing man an: "Eins, zwei drei". Die Geigen und die Bubenstimmen klangen sehr harmonisch. Doch als sie zu der Stelle kamen: "Wenn der Mond am höchsten steht, milder Wind ans Fenster weht", öffnete der wolken bedeckte Himmel seine Schleusen, und ein heftiger Regenguß kühlte die Bubenherzen etwas ab. Nur nicht aufhören, dachte jeder, und so gelang es trotz des Regens das Lied zu Ende zu bringen. Dann gingen bange Blicke zum Fenster hinauf. Wird sie unser Ständchen annehmen oder weiteres Naß auf uns herab gießen? Endlich flackerte dreimal hintereinander eine Streichholzflamme auf, das Zeichen der freudigen Annahme! Ein schwerer Stein fiel den Buben vom Herzen. Erfreut über den Erfolg, kletterten sie wieder über die Holzbirdln auf die Straße. Nun ging es zur nächsten Station, zur Kätl Sch. Als die Buben in den Hof kamen, war es stockfinster. Keiner merkte, dass dort Maurer eine Mörtelpfanne aufgestellt und eine Kalkgrube ausgegraben hatten, bis einer aufschrie. Er steckte mit einem Fuß in der Kalkgrube. Der Regen und dieses Mißgeschick kühlte die Gemüter der Buben derart ab, dass ihnen die Lust fürs zweite "Ständchen" verging. Und dennoch war es ein Abenteuer, an das sich die Teilnehmer - heute schon betagte Großväter - sicher mit einem Schmunzeln zurückerinnern werden.
 
Mutprobe
Zwei Wandorfer Buben, die die höheren Schulen von Ödenburg besuchten, hatten auf ihren langen Schulwegen (zu Fuß 1 Stunde hin und 1 Std. zurück) neben ihren Schulaufgaben manche Idee aufgegriffen und besprochen. Man hatte auch immer den Wunsch, dem ungarischen Bauern am Plattensee, in der Tiefebene und in Ostungarn so richtig " auf' s Maul zu schaun", um die ungarische Sprache "an der Quelle" zu hören und zu studieren.
 
So reifte die Idee heran, diese Gebiete mit Fahrrädern zu besuchen. Matthias meinte, wenn wir uns dazu entschließen, dann sollte es eine ausgiebige Radtour rund um Ungarn werden. Sein Freund Johann stimmte dem zu, und nun begannen die Vorbereitungen. Sie suchten sich Straßen aus, die an den Grenzen Ungarns entlang führten. Sie kamen auf eine Strecke von 2300 km. Nun fing man an zu sparen, um in den Sommerferien 1937/38 die Reise machen zu können.
 
Aber zu den Vorbereitungen gehörte auch die Angewöhnung von unbequemen Schlafstellen, denn unterwegs gab es keine Jugendherbergen, wie das heute der Fall ist. Sie mußten damit rechnen, auf Heuschobern oder Strohlagern zu übernachten, natürlich im Freien. Sie rechneten auch damit, in Schulräumen übernachten zu können. Und in der freien Natur zu übernachten, verlangte von den Jungs mit 17 Jahren schon etwas Mut, insbesondere in der Fremde. Also trennten sie sich von ihren Schlafbetten und machten es sich im Monat Juni im Ziegler'schen Haus auf dem Heuboden bequem. Dieser lag oberhalb der Futterkammer und war über eine Leiter zu erreichen... Der Einstieg war ohne Tür, wie überall in den Bauernhäusern. Diese Übernachtungen gefielen ihnen auch deshalb, weil sie kommen und gehen konnten, wann sie wollten und die Eltern keine Kontrolle hatten.
 
In einer Vollmondnacht, nachdem sie ihre weiblichen Begleiter heimgebracht hatten, wollten sie glückselig ihr Heulager besteigen. Der erste stieg die Leiter hoch, doch am Ende zuckte er zusammen und kam eiligst wieder herunter. " Warum kommst Du wieder?" fragte sein Freund. "Du, da oben ist wer!" "Was, wer könnte dies sein?", meinte dieser und stieg selbst hinauf. Aber auch er kam die Leiter wieder herab. "Ich glaube, Du hast recht", sagte er erschrocken. Nun standen sie da, und ihr Mut war auf eine harte Probe gestellt. Heimgehen und zu hause schlafen? Es schlug ja schon die Mitternachtsstunde und das ganze Dorf war in tiefem Schlaf versunken.
 
Da entdeckte Johann an der Mauer, bei der Futterkammer, eine Mistgabel. Diese packte er und stieg wieder hinauf, hinter ihm Matthias. Todesverachtend stürmten sie in den Heuboden, bis sie mit der Mistgabel an die gegenüberliegende Dachschräge anstießen. Dann wurden sie gewahr, dass sie ihren eigenen Schatten stürmten, der durch den Mondschein auf die innere Seite des Dachs geworfen wurde. Als sich ihre Aufregung legte, beschlossen sie, niemandem etwas zu verraten.
 
Nach einigen Wochen legten sich Kameraden am Heuboden auf die Lauer. Als die Freunde nichts ahnend am Heunachtlager zur Ruhe gehen wollten, hörte Matthias neben sich eine Uhr ticken. "Sei still!" sagte er und unterbrach seinen Freund beim munteren Erzählen seiner NachterIebnisse. Beide horchten angestrengt in die Nacht hinein. Johann hörte nichts, doch Matthias vernahm immer mehr das Uhrenticken. "Hier ist jemand", rief er und rückte an seinen Freund heran. Jetzt spürte er sogar eine Hand über sein Haar streichen. "Zum Teufel, hier ist jemand", schrie er und die Freunde lauschten in der Hockestellung auf das Geräusch. Die Nerven spannten sich an, und in diesem Augenblick stürzten sich die Fremden auf die beiden Freunde. Matthias erwischte den einen am Hals und stellte ihm beinahe die Luft ab, als dieser sich dann zu erkennen gab. Der leichtsinnige Überfall hätte tragisch enden können, denn Johann hatte mittlerweile einen eisernen Jochnagel aus dem neben ihm stehenden Kuhjoch gezogen. Zum Glück waren es keine Fremden, sondern ihre besten Kameraden, der Adolf K. und Karl K. Nun ging es noch eine Weile lustig her am Heuboden, bis sich die Kameraden entfernten und die zwei am Heuboden ihre Ruhe fanden.
 
Die entartete Dian
Eine Dian aus Wandorf kam in die Stadt als Hausangestellte. Im städtischen Haushalt mußte sie sich gänzlich umstellen im Benehmen und auch in der Kleidung. Im Laufe der Jahre führte das fremde Milieu dazu, dass die Dian ihre Herkunft vergaß, und wenn sie nach Hause kam, ihren neuen Lebensstil auch im elterlichen Haus und im Dorf zur Schau stellte. Sie wollte auch die landwirtschaftlichen Geräte nicht mehr kennen, und als sie wieder mal heimkam, lag im Hof ein Rechen. "Ja, was ist denn das für ein Richel-Rachel, wie heißt das Zeug da?" fragte sie. In demselben Augenblick trat sie mit ihrem Fuß auf den Rechen, wobei ihr der Rechenstiel so heftig ins Gesicht schlug, dass ihr die Worte entschlüpften: "0 du vaflixta Reicha!" Der Rechenstiel hat ihr die Muttersprache wiedergebracht und sie an ihre Herkunft erinnert.
 
In der Backstube
Nachdem Lebisch Franz als Maurergeselle ausgelernt hatte, baute er zusammen mit seinem Vater im elterlichen Haus einen Backofen und einen Verkaufsraum mit Wohnung. Der Backofen hatte die Größe für 35 Laib Brot. Da in Ungarn Gewerbefreiheit herrschte, beantragte er als Maurer die Genehmigung für das Bäckergewerbe. Als er mit dem Bau fertig war, kam eine Abordnung, bestehend aus dem Stuhlrichter, dem Notar, dem Richter und dem Feuerwehrkommandanten. Sie haben den neuen Laden gesundheitspolizeilich, gewerberechtlich und feuerpolizeilich überprüft und beanstandungslos abgenommen. Die schriftliche Gewerbegenehmigung sollte sich der Franz im Büro des Oberstuhlrichters persönlich abholen. Als Franz nun dort vorgesprochen hatte, wurde ihm eröffnet, dass ein Bäckermeister gegen die Genehmigung Einspruch erhoben hatte. Es wurde ihm zur Auflage gemacht, einen Gehilfen und einen Lehrling ein- zustellen. So geschah es, und die neue Bäckerei wurde 6 Wochen lang in Kompanie (Teilhaberschaft) betrieben. Das Brotbacken ist gut gelaufen, nur das Weißgebäck wollte nicht gelingen. Denn keiner der Beteiligten verstand etwas davon, weder der Gehilfe, noch der Franz als Maurer und schon gar nicht der Lehrling, der ja erst etwas lernen wollte. Eines Tages versuchten sie es wieder mit vereinten Kräften.
 
Der Ofen wurde angeheizt, und als das Holz abgebrannt war zu Holz- kohle und Glut, hatten sie diese in ein Betongefäß mit Wasser hineingezogen. Daraufhin entwickelte sich ein giftiges Gas (Kohlenoxid), das den ganzen Raum ausfüllte.
 
Nun wurde das Weißgebäck schnell "eingeschossen", und der Gehilfe, der zuviel Gas einatmete, brach plötzlich ohnmächtig zusammen. Franz riß daraufhin Fenster und Türen auf und wusch das Gesicht das Gehilfen mit dem rußigen Wasser, der dann bald wieder zu sich kam. Der Lehrling, halb benommen, versuchte die gebackenen Stücke mit dem Waschkorb aufzufangen, die aber zum größten Teil auf dem Boden landeten. Nach diesem Schreck versuchten sie die Weißgebäckstücke vom Boden aufzulesen.
 
Nach diesem Mißgeschick waren alle drei "Bäckereibetreiber" ziemlich deprimiert. Sie stellten dann gemeinsam fest, dass der Gehilfe wieder zu- f viel Butter in den Teig gemischt hatte, was die Ursache für das mißratene Weißgebäck war. Franz zog daraufhin die richtige Konsequenz nach dem Motto: "Schuster bleib bei deinen Leisten!" Er ging wieder der Maurertätigkeit nach und hat die Bäckerei verpachtet. (Lehrling war damals der Ludwig Graf, heute Mosbach).
 
Das Frauenbad
Als die Wandorfer noch Leibeigene der Stadt Ödenburg waren, haben auch die Frauen Fronarbeit in den Ödenburger Weingärten leisten müssen.
 
An einem sehr heißen Tag - die Sonne brannte unbarmherzig auf die Frauen herab - hielten sie es nicht mehr aus und beschlossen in dem nahegelegenen Teich ein kühles Bad zu nehmen. Sie waren unter sich, und so wagten sie es, nackt ins Bad zu steigen. Sie hatten damals noch keine Badeanzüge bzw. Kostüme, und so benutzten sie ihre blauen "Fiatan" (Schürzen) dazu, ihre Schamteile zu verdecken, indem sie diese zwischen ihren Beinen hindurch hinten am Kreuz festbanden. Der Badeanzug war fertig. Aus einer gewissen Entfernung wurden sie schon vom Berghüter beobachtet, und als sie aus dem Wasser stiegen, tauchte er vor ihnen ganz unerwartet auf. Nun stieg ihnen die Schamröte ins Gesicht, und um diese zu verbergen, banden sie ihre "Fiatan"los und bedeckten sich ihre Gesichter, ohne daran zu denken, dass sie dadurch erst recht ihre entblößten weiblichen Reize den Blicken des Berghüters preisgaben.
 
Die Unterrichtsstunde
 
Im Rahmen der Gesundheitslehre hat ein Lehrer von den Wunden gesprochen, die sich der Mensch durch ein Messer oder anderen scharfen Gegenständen zufügt. Er war gerade dabei, an einem praktischen Beispiel die Wunde an der Hand zu behandeln, ihre hygienische Versorgung usw.
 
Da merkte er, dass einige seiner Schüler in der hintersten Schulbank an . seinem Unterricht gar nicht teilnehmen, sondern sich mit etwas anderem beschäftigten. Nun hat er einen von ihnen, nämlich den Franzl, aufgerufen und gefragt: "Was hast du in der Hand, wenn du dich schneidst?" (Er dachte an die Wunde.) Der Franzl nahm die Frage etwas verblüfft auf und stotterte nach einer Weile: "Eine Hand voll Rotz, Herr Lehrer". (Er meinte wohl, wenn er sich schnäuzt). (Allgemeines Gelächter!)
 
Die Kartoffelglocke an der eisernen Jalousie (Fensterladen)
Die Zusammenkünfte beim Federnschleißen haben sich oft bis in die Mitternachtsstunden hingezogen. Bei der Bernhard-Muam, beim Spritzenhaus, waren sie besonders sehr amüsant, denn sie hatte Kenntnisse von den übersinnlichen Kräften des Geistes und der Seele, die sie dann vor dem Auseinandergehen den jungen Leute vorführte. Es wurden Geister beschworen und in der Dunkelheit des Raumes befragt. Die Fragen waren immer auf eine Person bezogen und betrafen den Lebensbereich und die Interessen dieser Person. Natürlich war die Neugier und die Anspannung der Teilnehmer groß. Die spirituellen Vorführungen begannen immer mit mysteriösen Formeln, die die Phantasie und die Anspannung aufs Äußerste steigerten. Fragen, wie: In wieviel Jahren heiratet die Sandl? beantwortete oft der schwere Eichentisch, der sich auf mysteriöse Weise auf einer Seite erhob und wieder senkte und so die Zahl der gefragten Jahre angab. Desgleichen wurde auch die befragte Lebensdauer in Jahren beantwortet. In diesem Bereich der Parapsychologie (Lehre von den übersinnlichen Seelenkräften) entstand eine sehr sensible Atmosphäre, die auch den Hintergrund für folgenden Bubenstreich bildete:
 
Ihr Enkelsohn Hans und dessen Kamerad Johann hatten an die Jalousie je eine Kartoffel an einen kurzen Holzstock aufgespießt und an den Jalousien befestigt. Dann banden sie je eine lange Schnur (Bindfaden) an die Holzstücke und legten sich am gegenüberliegenden Heuboden (Nachbarhaus) auf die Lauer. Wenn es im Innern des Raumes still wurde, zogen sie an den Schnüren, worauf die eisernen Jalousien einen tiefen monotonen Klang von sich gaben. Diese Töne beunruhigten die spiritualistische Gemeinschaft. Man ging nach außen, um festzustellen welche Geister die Störung verursachten. Doch in diesem Augenblick ließen die Buben die Schnüre auf den Boden gleiten, so dass man nichts feststellen konnte. Die Buben zogen wieder an ihren Schnüren, und da sich nichts ereignete, schliefen sie schließlich ein. Die Schnüre blieben gespannt, und als die Zusammenkunft im Raum beendet war, gingen die Mädchen auseinander, inspizierten aber nochmals die Ursachen der mysteriösen Geräusche. Die eine Tochter der Bernhard-Muam lief dabei mit ihrem Gesicht an die Schnur und rief entsetzt: "Eine Schlange"! Sie gingen den Schnüren nach und entdeckten am Nachbars Heuboden die zwei schlafenden Jungs. Nun war das Geheimnis gelüftet und die Jungs bekamen ihren "Lohn".
 
Die gestohlenen Forellen (von M. Ziegler)
Die folgende Geschichte erzählte ein Gendarm meinem Taufpaten, dem Eitler Schneider, der die Monturen der Gendarmen stets ausbesserte und in Ordnung hielt. Ein arbeitsscheuer Nichtstuer - nennen wir ihn Hiasl - suchte sich immer leichte aber einträgliche Arbeiten. Er stahl die Forellen aus der Fischzucht der Hochschule und verkaufte sie in besseren Kreisen. Natürlich ging das nicht so leicht vonstatten, denn die Wildhüter kannten Hiasls Praktiken und beobachteten dauernd den Bach. Aber dieser überlistete sie doch meistens. Einmal erwischten sie ihn jedoch. Und das kam so:
 
Am Tage der Agendorfer Kirchweih (dritter Sonntag im September) ging Hiasl mit mehreren Wandorfern in die Nachbargemeinde. In der einen Gaststätte betrank er sich, randalierte und hatte an den Gästen allerlei auszusetzen. Schließlich bekamen es diese satt, verdroschen ihn tüchtig und warfen ihn in die Scheune der Gastwirtschaft, damit er dort seinen Rausch ausschliefe. Darauf hatte er jedoch nur gewartet! Durch den Wald eilte er zum Forellenbach. Die Wildhüter brauchte er nicht zu befürchten, denn diese vergnügten sich ja auf dem Agendorfer Kirito. Die Wildhüter - in der Meinung, Hiasl schlafe seinen Rausch in der Scheune aus - waren sorglos. Nach dem guten Fang versteckte Hiasl seine Beute im Wald und ging unbemerkt zurück nach Agendorf. Und als wäre er gerade aus seinem Taumel erwacht, begab er sich zu den anderen Zechkumpanen. Er . schrie am lautesten, damit diese ja auf ihn aufmerksam wurden. Sogar gerauft wurde. Am nächsten Tag merkten die Wildhüter, dass doch gefischt worden war. Im Hause Hiasls fand man selbstverständlich nichts. Er wies entrüstet den Verdacht von sich, beteuerte seine Unschuld, bewies, dass er in Agendorf gewesen war und erst mittags von dort nach Hause kam. Dem einen Gendarmen war aber das Ganze doch verdächtig. Er wußte, dass außer Hiasl kein Mensch Forellen stahl. Er versteckte sich hinter dem Hügel, der sich in der Nähe befand und wartete. Hiasl machte er sich den ganzen Tag über um das Haus herum zu schaffen, obwohl das nicht zu seinen Gewohnheiten gehörte. Er ahnte, dass man ihn beobachtete. Schließlich ergriff er den Buckelkorb, als wenn er im Walde Laub holen wollte. Und er ging auch wirklich. Die Gendarmen folgten ihm unauffällig aus der Ferne. Hiasl belud den Korb mit Laub und trug ihn heim. Auch ein zweites Mal geschah dasselbe. Beim dritten Mal hatte er die Forellen im Korb. Die Gendarmen, die alles aus ihrem Versteck beobachtet hatten, überraschten ihn und nahmen ihn fest. Dieser Müßiggänger, der später in Ödenburg beim Diebstahl von Silbergegenständen erwischt wurde, machte dann im Gefängnis eigenhändig seinem Leben ein Ende.
 
Das alte Sprichwort: "Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er zerbricht" hatte sich in diesem Falle wieder bewahrheitet!
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer , Matthias Ziegler (1991)