welles gerty 800pxIm Februar 2017hat uns eine Ödenburgerin Ihre Erinnerung an die Vertreibung und den Neuanfang in Deutschland aufgeschrieben - danke Gerti!

Es war einmal ein kleines, wohlbehütetes Mädelchen das in die Klosterschule ging, in der man etwas russisch und etwas deutsch lernte Da es aber eine ungarische Schule war, war die Lern-Sprache ungarisch. Die kleine Gerti war eine sehr gute Schülerin, vielleicht sogar die Beste. Auch daheim bei den Eltern ist ungarisch gesprochen worden, natürlich auch etwas deutsch. Der Vater war Laborant in einer Apotheke, zwei Weinberge waren sein Hobby, außerdem hatte er noch einen riesengroßen Obstgarten am Fertö. Die kleine Gerti hatte Bodi, einen Schäferhund.. Alles war wunderbar, bis....

Der Krieg wütete, Vater kam in die Gefangenschaft, Mutter ging mit mir ins Kloster, da sie fast zweimal vergewaltigt wurde, (auf offener Straße und bei Tag). Daheim ist eingebrochen worden, alles brauchbare ist gestohlen worden...

 

Eines Tages kam der Vater leichenblaß nach Hause, er sagte dass am Rathaus in Ödenburg hing ein Zettel hängt, darauf stand der Name meiner Mutter - sie wird ausgewiesen - wir (Papa und ich können daheim bleiben). Eine intakte Familie kann sich nicht trennen. Also mußten wir raus aus Ungarn.

An der Donaubrücke haben die Leute in der Eisenbahn, in der wir eingepfercht waren wie Tiere, geschrien. Es kam Panik auf, alle dachten, wir werden in die Donau gekippt, aber nein - es ging weiter: nach Gaildorf ins Schwabenland, in Baden-Württenberg! Dort hat jeder eine Matte auf dem Boden gehabt, Betten gab es nicht..Die kleinen Kinder haben geheult, die alten Menschen gestunken, geschnarcht usw.

welles gerty 9 jahre mit mutter 800px welles gerty mit eltern 800pxWir kamen nach Schlechtbach, einem kleinen Örtchen ohne Kaufladen, ohne Arzt und sonstiges. Eine Schule gab es, von der 1. Klasse - bis zur 8 Klasse in einem Raum. Der Lehrer sagte auf "schwäbisch" zu mir: "mach ein Komma auf der Tafel", ich habe gefragt: "was ist ein Komma?" Schallendes Gelächter, die kann ja nicht mal reden und weiß nicht was ein Komma ist! So ging es jeden Tag. Wir sind 6 km zum einkaufen gelaufen, auch im Winter.

Dann kamen wir nach Gschwend. Eine Ein-Zimmer-Wohnung konnten sich meine Eltern gerade noch leisten. Der Lehrer sagte nach kurzer Zeit: die Gerti kann in die Oberschule. Nur hatten meine Eltern das Geld nicht dafür. Ich habe tagelang geweint.

Die Menschen haben uns Zigeuner genannt und gefragt "warum seid ihr gekommen, geht doch heim." Es war eine sehr schwere Zeit. Papa hatte keine Papiere, mußte in der Fabrik arbeiten und wurde schwer krank. Mama hat jede Arbeit angenommen. Einmal hat sie mich auf einen Ev. Bazar geschickt, da wurden Care-Pakete aus Amerika verschenkt. Ich habe mir ein Dirdl rausgesucht und war so stolz. Doch dann hat es mir eine sehr gläubige Christin aus der Hand gerissen mit den Worten: "das nehme ich meiner Tochter mit, Du kannst von dem Abfall nehmen, Zigeunerin!"

Für meine Eltern war es schwer, ein neu gerichtetes Haus, Hof, Obstgarten, Weinberge, alles zu verlassen: Mir hat man meine fröhliche, unbeschwerte Kindheit gestohlen, ... Ja so war´s!

Jetzt bin ich 80 Jahre jung, wir haben hier gebaut, vom ersten Geld studiert, sind 58 Jahre verheiratet, Sohn hat auch studiert lebt im Ausland mit seiner Frau aus Schottland. Seit gut 50 Jahren habe ich nicht mehr an das alles gedacht, aber Sie sehen es ist immer noch im Unterbewußtsein und man kann es nicht vergessen.

Eine wahre Geschichte!!!!!

Gerty Will