a) Berufung
Zum ersten evangelischen Prediger und Seelsorger nach der 110jährigen Vakanz wurde der gebürtige Agendorfer Matthias Harnwolf, der acht Jahre lang bei der evangelischen Gemeinde Neues Dömölk als 2. Prediger Dienst getan hatte, berufen.
 
Er wurde in Ödenburg vom Hause seines Schwagers Matthias Schädel abgeholt und zur großen Freude der evangelischen Gemeinde nach Agendorf gebracht. Sein jährliches Einkommen:
150 Gulden kaiserlich (halbjährlich am Georgi- und Michaeli-Fest)
64 Preßburger Metzen Weizen
64 Preßburger Metzen Korn
1 freie Wohnung
das nötige Brennholz
die gewöhnlichen Stolagebühren
freiwillige Spende von der Weinlese
freiwilliger Betrag der einzelnen Haushalte, was zum nötigen Unterhalt weiter fehlen sollte.
 
Agendorf, den 9. August 1783
 
Unterschrift der Wandorfer: Andreas Grimßl, Andreas Tschurl, Johann Tschurl, Johann Graf, Matthias Klerner, Paul Schwenk, Johann Nußhöher.
 
b) Der erste Gottesdienst
Am 7. September 1783 wurde der erste feierliche Gottesdienst im Garten des Matthias Neuberger unter großer Beteiligung abgehalten. Sogar hohe Personen gräflichen Standes nebst dem wohllöblichen Magistrat beider Religionen aus Ödenburg nahmen an der Feier teil. Der Gottesdienst nahm folgenden Verlauf:
 
7 Uhr: Beichte im inneren Hauszimmer
8 Uhr: Psalmlied "Der Herr, der aller Enden".. . gesungen im Garten
Beichtgebet: Ich armer, elender, sündiger Mensch
Lied: Allein Gott in der Höh' sei Ehr
Gebet: Sonntagsepistel: 2. Kor. 3,4-11
Hauptlied: Befiehl du deine Wege
Predigt über Mark. 7, 31-37
Schlusslied: Nun danket All' und bringet Ehr.
 
Danach wurde die heilige Kommunion vorn im Zimmer gehalten. Nachmittags wurde abermals eine kurze Predigt im Garten gehalten über den Text: Mark. 10, 13-16 (Jesus segnet die Kinder).
 
Zur Erinnerung an diesen Tag schenkte Frau Susanne Christina Hochholzer aus Ödenburg der Gemeinde einen vergoldeten Kelch nebst einer Patene (Hostienteller) und Herr Wollgang von Artner, ebenfalls aus Ödenburg, ein goldenes Kruzifix.
 
Am 14. September 1783 wurde das erste Kind, ein Söhnlein der Eheleute Andreas Kieleiß und Maria, geb. GraßI von Wandorf, getauft und erhielt den Namen Abraham. Taufpate war u.a. "HE Gottlieb Pfandler bürgerl. Schmidt-Mr. in Ödenburg. P.M."
 
In Wandorf ist die erste Kinderlehre anno 1784 gehalten worden.
 
c) Bau und Weihe des Bethauses in Agendorf
 
Der Bau des Bethauses in der Muttergemeinde ging jedoch nicht so leicht vor sich, denn von katholischer Seite wurden immer wieder neue Schwierigkeiten gemacht, die man erst überwinden musste. Die Stadt Ödenburg schenkte bereitwilligst den nötigen Baugrund. Allein dem katholischen Ortspfarrer und dem Lehrer gefiel es durchaus nicht, dass im Dorfe, wo übrigens ihren Dienst fast niemand mehr in Anspruch nahm, nun auch eine evangelische Kirche und Schule erbaut werden sollte. Sie waren da- her auch bestrebt, nicht nur diesen Bau zu verhindern, sondern auch den vom evangelischen Kantor bereits begonnenen Schulunterricht wieder einstellen und das Läuten bei evangelischen Begräbnissen mit den am katholischen Turme hängenden Glocken verbieten zu lassen. Ebenso ver- wahrten sie sich dagegen, dass für die evangelischen Brautleute nun der evangelische Kantor die üblichen Heiratskontrakte schreibe. Denn all das bedeutete ja für sie den Verlust eines Großteils ihrer Einkünfte. Auf ihre Anzeige hin kam daher am 14. Februar 1784 der Vizestuhlrichter Stefan Illésy nach Agendorf und verbot:
 
Erstens den Evangelischen das angefangene Schulehalten, zweitens den Bau des Bethauses bei der Gemeindeschmiede, drittens das Läuten der katholischen Glocken bei evangelischen Begräbnissen und viertens den evangelischen Lehrern das Schreiben der Heiratskontrakte.
 
Es war selbstverständlich, dass sich die Agendorfer und Wandorfer Evangelischen durch solche Komitatsbestimmungen nicht einschüchtern ließen. Sie wandten sich vielmehr an das königliche Konsilium, woher auch bald die Bewilligung kam. Man kann sich vorstellen, was für eine dankbare Freude diese Bewilligung in den Gemeinden auslöste! Man schritt sofort zum Bau. Am 13. Mai 1784 ist am Platz der alten Gemeindeschmiede mit dem Bau begonnen worden. Der Maurermeister war Georg Trost aus Ödenburg. Die Dachziegel waren von der Komtesse von Star hemberg in Österreich, das Tausend zu 9 fl 30 Kr. gekauft worden. Der Altar wurde bei Wien auf dem Kahlenberg aus dem Karthauser-Kloster von Herrn Kriegsrat Striegel um 30 fl gekauft. Die Fuhren und Handarbeiten haben die drei Ortschaften gratis getan. Einige Stein- und Holzfuhren wurden auch von Harkauer und Wolfser Fuhrleuten geleistet. Natürlich forderte der Bau sowohl große Geldopfer als auch tüchtige Männer, die das Werk mit Begeisterung leiteten. Als solche werden neben Pfarrer Harnwolf und Lehrer Johann Ehnl, Kircheninspektor Georg Liszy genannt. Kirchenvater war Paul Wödl. Presbyter waren in Wandorf: Johann Jakob Tschurl, bürgerl. Müllermeister, Andreas Schneider, Matthias Klerner, Andreas GrimßI und Andreas Tschurl.
 
Zum Zeichen der Opferwilligkeit seien folgende Beispiele erwähnt: Michael Harnwolf aus Lignitz in Schlesien (Bruder des Pfarrers) spendete 150 fl zum Bau und wertvolle Abendmahlsgeräte. Johann Jakob Tschurl und Andreas Schneider aus Wandorf ließen auf ihre Kosten bei Herrn Malek in Wien die Orgel anfertigen. Matthias Klerner, ebenfalls aus Wandorf, spendete für das Ziegeldach 100 fl und Paul Gritsch für die Plattensteine 50 fl. Den Taufstein nebst Schüssel und Deckel ließ der bürgerliche Schmiedemeister in Ödenburg Matthias Proßwimmer auf eigene Kosten an- fertigen und aufstellen.
 
Außer diesen freiwilligen Gaben leistete jeder Haushalt willig den auf ihn umgelegten Betrag. Auf die Agendorfer entfielen 1120 fl, auf Wandorf und Loipersbach zusammen ebensoviel. Dazu wurde eine Anleihe von 2850 fl aufgenommen, die dann kleinweise aus dem Klingelbeutel gedeckt wurde. Der Bau wurde rasch vollendet und die Kirche konnte schon am 3. Juli 1785 eingeweiht werden.
 
Die Weihe wurde in folgender Ordnung vollzogen: Um 7 Uhr früh wurde Beichte gehalten. Um 8 Uhr begann der ordentliche Gottesdienst mit dem Liede "Nun bitten wir den heil' gen Geist". Dann erschienen viele Geistliche vor dem Altar, Pfarrer und Senior Bogsch aus Ödenburg, Pfarrer Semmel weiß aus Pöttelsdorf, Pfarrer Nagy aus Harkau und der Ortspfarrer Harnwolf. Dabei hielt der Senior das Einweihungsgebet. Nachdem das Lied "Alle Welt, was lebt" gesungen war, las Pfarrer Semmelweiß den 46. Psalm. Nach dem Lied vor der Predigt "Herr Jesu Christ, dich zu uns wend" hielt Senior Bogsch über den Text 1. Könige 8,25-29 die erste Predigt im geweihten Gotteshaus. Mit dem Liede "Freut euch ihr Christenkinder" und mit der hl. Kommunion schloss der erste Teil des Gottesdienstes. Sofort darauf folgte die zweite Predigt, gehalten vom Ortspfarrer selbst.
 
Nachmittags wurde der Gottesdienst mit dem Liede "Nun lob mein Seel den Herren" begonnen. Dann sagten zwei Wandorfer Knaben Fragestücke aus Gerengels Katechismus vor dem Altar aut und nach dem Lied "Liebster Jesu, wir sind hier" hielt Pfarrer Nagy aus Harkau die Predigt über Luk. 18,9. Als Schlußlied wurde "Der Herr, der allen Enden" gesungen. Die Versammlung war sehr zahlreich, auch von vielen Auswärtigen, besonders aus Ödenburg, besucht. Auch die Opferbereitschaft zeigte sich wieder in rührender Weise. Pfarrer Nagy aus Harkau überbrachte im Namen einer unbekannten Wohltäterin 24 Kremnitzer Dukaten. Der evangelische Konvent in Ödenburg hat den Altartisch mit einem gewirkten Seidenteppich geschmückt. Die Gräfin von Auersperg spendete einen Chorrock und ein weißes Altartuch. Außerdem haben Agendorfer Frauen eine feine weiße Altardecke und zwei Chorröcke, sowie Wandorf und auch Loipersbach je einen Chorrock auf eigene Kosten angeschafft.
 
d) Kampf um die Glocken
So hatten unsere Vorfahren mit Gottes Hilfe wieder ihr eigenes Bethaus, jedoch ohne Turm und Glocken. Nun konnte die Toten zwar der evangelische Pfarrer beerdigen, jedoch im Sinne des Komitatserlasses nur ohne Sang und Klang. Dies kränkte die Evangelischen um so mehr, als sie ja seinerzeit die Glocken selber gekauft hatten. Darum ruhten sie nicht, um ihr gutes Recht wieder zu erkämpfen. Am 4. Juni 1784 ließ die Kirchengemeinde eine Bittschrift an das königliche Konsilium in Preßburg einreichen, um wenigstens bei den Begräbnissen läuten zu dürfen. Nachdem eine gemischte Kommission den Fall untersucht und festgestellt hatte, dass die Glocken tatsächlich von den Evangelischen angeschafft worden waren, erging eine allergnädigste Resolution, wonach bei evangelischen Begräbnissen wieder geläutet werden durfte.
 
Entsprechend obiger Entscheidung forderten die Evangelischen auch bei einer Beerdigung am 24. Januar 1785 in Wandorf das gewöhnliche Geläut, wurden jedoch von den Paulinermönchen abgeschlagen. Wie wir sehen, war die Regierung Josef II. den Evangelischen wirklich günstig gesonnen, so dass von oben her alle berechtigten Wünsche der Protestanten erfüllt wurden. Der katholische Klerus und Adel jedoch, die in den Komitaten die Macht ausübten, waren mit großem Eifer bestrebt von unten her die edlen Absichten des Monarchen nach Möglichkeit zu vereiteln. Doch dauerte die Freude der Widersacher nicht lange, denn schon am 1. August 1786 erfolgte eine allerhöchste kaiserliche Resolution, in welcher den Protestanten die Freiheit zum allgemeinen Läuten erteilt wurde.
 
Hier sei auch erwähnt dass in Wandorf am 22. Juni JZ86 der 47jährige Ehemann Johann Hackstock (Hausnummer.. 39) als erster auf dem neuen Friedhof beerdigt wurde. Bis dahin waren die Toten um die mitten im Dorf gelegene Kirche bestattet worden.
 
Am 2. Januar 1787 erließ Josef II. endlich auch den Befehl, wonach die Evangelischen ungehindert Türme bauen und Glockenstühle aufstellen und sich eigene Glocken anschaffen durften. Hierauf hat die evangelische Gemeinde Agendorf 1796 bei der Kirche einen Glockenstuhl erbaut und darin die von den Katholiken zurückerhaltene kleinere Glocke aufgehängt.
 
e) Das Singen bei Begräbnissen
Wie das Läuten, so wollte der katholischen Geistlichkeit auch das Singen bei den evangelischen Begräbnissen nicht gefallen. Sie ruhte nicht eher, bis der Oberstuhlrichter Johann Stephanits das Läuten sowie das Singen bei evangelischen Begräbnissen verbot. So ist also am 16. August 1785 bei der Beisetzung der Anna Wolfbeiß in Wandorf gar nicht gesungen worden. Aber schon am 13. September desselben Jahres erließ Josef! II. den Befehl, wonach bei allen protestantischen Beerdigungen frei gesungen werden durfte. Und dieses Recht wurde den Evangelischen dann nicht wieder genommen.
 
f) Kampf um die Schule
 
Der größte Dorn im Auge der katholischen Geistlichkeit war jedoch, dass die evangelischen Gemeinden, die bisher den katholischen Lehrer zahlen und die Kinder in die katholische Schule schicken mussten, sich überall eigene evangelische Lehrer beriefen, so dass die katholischen Lehrer nun ohne Schüler und ohne Gehalt dastanden. Die evangelische Kirchengemeinde Wandorf mietete 1791 für schulische Zwecke das auf dem Hauptplatz stehende Haus der Witwe Wolfgang Schwenk und berief den Johann Lux zu ihrem Lehrer, der mit 32 Kindern den Unterricht aufnehmen konnte. Die Seelenzahl der Evangelischen betrug im Jahre 1802 - 557, die der Katholiken 208.
 
g) Das Pfarrhaus in Agendorf wird gebaut
Pfarrer Harnwolf ruhte nicht bis nach dem durchgeführten Kirchenbau nun auch das Pfarrhaus in Angriff genommen wurde, das er bereits am 8. Dezember beziehen konnte. Sämtliche Unkosten und Arbeiten leistete die Muttergemeinde Agendorf. Ausführender Baumeister war Matthias Schädel von März.
 
h) Ablösung der Taufstola und eigene Matrikelführung
Da die katholischen Geistlichen immer noch die Matrikel auch über die Evangelischen weiterführten und von diesen auch die Stolgebühren einforderten, wurde durch eine Zirkularverordnung die Zahlung der Taufstola eingestellt und die Evangelischen aufgefordert, ihrem Pfarrer eine kontraktlich festzusetzende jährliche Ablösungsgebühr zu zahlen. Hierauf verpflichtete sich die Wandorfer Filialgemeinde vom 1. Januar 1788 an dem Pfarrer 3 fl 50 Kr., dem Schulmeister 1 fl jährlich zu bezahlen. Die Genannten wurden aufgefordert, die Matrikel gewissenhaft zu führen und richtig einbinden zu lassen.
 
i) Die Bestattung totgeborener Kinder
Die katholische Geistlichkeit sorgte dafür, dass die Gemüter nicht zur Ruhe kamen! Es ereignete sich in Agendorf wieder ein Fall, der die Evangelischen überaus erregte: Am 20. März 1789 begrub Pfarrer Harnwolf das totgeborene Söhnlein des Andreas Schätz ordentlich nach evangelischem Brauch auf dem Gemeindefriedhof. Am 22. März befahl der katholische Pfarrer Johann Gilsberth dem Vater dieses Kindes, er solle dasselbe wieder ausgraben und außerhalb der Friedhofsmauer bestatten. Der Vater tat es auf Anraten seines Seelsorgers nicht, worauf die Leute am 18. April außerhalb der Friedhofsmauer ein neues Grab bemerkten. Es war das Grab eines Kindes. Pfarrer Harnwolf zeigte diesen Vorfall beim Ödenburger Magistrat an. Dieser jedoch antwortete, dass dieser Fall nicht vor die Grundherrschaft, sondern zur Gespanschaft als politische Behörde gehöre, weshalb Richter Matthias Wödl die Anzeige dort einreichte. Er bat um die Erlaubnis, das kleine Menschenkind wieder in sein ursprüngliches Grab auf den Gemeindefriedhof durch den Totengräber umbetten zu dürfen und zu verordnen, wie es künftig mit dem Begräbnis totgeborener Kinder evangelischer Christen zu halten sei, damit weiterhin alle Unordnung und daraus entstehende Unruhe und Uneinigkeit vermieden werden könne. Leider fehlen weitere Aufzeichnungen über diese die Evangelischen tief kränkende Angelegenheit.
 
k) Gründung der Seniorate - Kirchenvisitationen
 
Im Jahre 1786 wurden die Gemeinden im Komitat Ödenburg in zwei Seniorate (Dekanate) zusammengefasst; im oberen deutschen Teil das "Obere Ödenburger Seniorat" mit den Pfarrgemeinden Agendorf, Harkau, Kobersdorf, Lutzmannsburg, Mörbisch, Pöttersdorf, Stoob, Wolfs, zu welchen noch die Kirchengemeinden der beiden königlichen Freistädte Rust und Ödenburg traten. Im unteren magyarischen Teil des Komitates entstand das "Untere Ödenburger Seniorat" mit den Kirchengemeinden Beled, Bük, Farad, Nagygeresd, Nemesker, Szakony, Szentandras, Szilsarkany und Vadosfa.
 
Die Superintendenten besuchten fleißig die neugegründeten Gemein- den, um sich über ihre Entwicklung und Lage persönlich zu überzeugen. So kam am 10. Januar 1788 der Superintendent Samuel Hrabovßky von N. Dömölk mit den Begleitern Senior Samuel Gamauf und Lokalkircheninspektor Josef von Prusinßky nach Agendorf, um ordentliche "Kirchenvisitation" zu halten, welche die erste dieser Art war.
 
l) Tod von Pfarrer Harnwolfs
 
Im steten Kampf mit dem unversöhnlichen Gegner, unter den mit den Bauten verbundenen Mühen und Sorgen und unter der Last der mit dem inneren Ausbau des kirchlichen Lebens verknüpfenden Arbeit, waren die Nerven des Neubegründers der Kirchengemeinde frühzeitig aufgerieben worden. Am 18. Dezember 1809 starb, erst 63 Jahre alt, Pfarrer Harnwolf.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)