fig 01Zwar nicht rasend.....
doch auf jeden Fall mit einem schnellen Auto war der „Reporter" diesmal mit Freunden nach Mosonmagyaróvár unterwegs. Es war das Regionalfinale der Rezitationsbewerbe der Komitate Györ-Sopron- Vas angesagt. Am 22. März sollte nun die Entscheidung fallen, wer von den Schülern, die in Sopron Sieger wurden, nach Budapest fahren würden.

Ich durfte Familie Skalá begleiten, da ja Töchterchen Nóra am Bewerb teilnahm. Von Agendorf und Wandorf fuhren natürlich einige Familien ebenfalls zum Finale. Gleich zu Beginn muß ich sagen, dass es für das Niveau der Schulen ein gutes Zeugnis ist, wenn so viele Finalisten aus unserem „Ödenburgerland" die Teilnahme erreicht haben. Wenn man dann in der Móra Ferenc Schule die Aula betritt und die große Zahl der Teilnehmer sieht, befällt einen schon ein wenig Angst: Was werden unsere Kinder erreichen? Werden sie den Anforderungen der Jury der einzelnen Kategorien genügen? Die begleitenden Erwachsenen waren sichbar nervös, die Kinder trugen es eher mit Gelassenheit, tollten vor Beginn noch ein wenig durch die Schule.
Stellvertretend für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchte ich kurz ein wenig von Nóra Skalá und ihren Leistungen berichten.
Diese junge Dame trat in zwei Bewerben an, nämlich Mundart und Hochdeutsch, jeweils von 6-8 Jahren. Bei der Mundartkategorie mußte sie mit dem Handikap der Startnummer 1 kämpfen, was sie aber relativ kalt ließ. Ohne Stocken sagte sie ihr Verslein auf und schon eilte ihre Mutter mit ihr zum nächsten Bewerb. Ich blieb in der einen Klasse, da ich sonst die Teilnehmer aus Agendorf und Wandorf versäumen würde.
Gegen Mittag waren der Großteil der Bewerbe abgeschlossen und es ging zum Mittagessen. Hier möchte ich ein Lob der Schule aussprechen, es war ausgezeichnet. Dann begann das Warten auf die Ergebnisse. Von ein Uhr bis halb drei wurden wir auf die Folter gespannt. Dann kamen die Jurymitglieder und es konnte losgehen. Gleich in der ersten Kategorie „Mundart" war Nóra dabei. Ein siebenter Platz, von insgesamt 22 Teilnehmern, sicherte die Teilnahme in Budapest beim Landesfinale! Große Freude in der Familie, die Lehrerin Neméth Eszter und ich freuten uns natürlich ebenfalls.
Weiters haben noch von der Nationalitätenschule teilgenommen und das Finale erreicht: Máté Gungl, Boróka Márkus, Cintia Pfandler und Réka Resperger. Diána Fonnyadt hatte es leider nicht geschafft.
Als dann die zweite Kategorie, in der Nóra vertreten war, aufgerufen wurde, stieg die Spannung natürlich sehr hoch. Und dann geschah es: Nóra wurde Fünfte, ebenfalls von an die 20 Teilnehmern! Sie hatte etwas geschafft, was bisher noch keiner Schülerin oder Schüler der Nationalitätenschule in Sopron gelungen war: in zwei Bewerben die Teilnahme in Budapest zu schaffen! Berechtigter Stolz bei Nóra und ihrer Familie. Ich hoffe, vom Budapester Finale kann ich ebenso Erfreuliches berichten.

Doch nicht nur über die Ergebnisse unserer Kinder will ich hier ausschließlich berichten. Ein sehr betroffen machender Vortrag eines Gymnasiasten soll hier Platz finden. Dieser Junge Mann siegte mit diesem excellenten Vortrag in seiner Kategorie, ich möchte ihn allen Lesern nicht vorenthalten:

Das Zweiglein

                       Ungarndattsche Lafbuchgeschichlfn A la Borchfrt)

Das Zweiglein brach ab. Niemand sah es, nur der Gärtner. Die Adern pumpten noch Blut bis zur Wunde. Aber das Zweiglein wurde immer dürrer. Und der Gärtner war traurig.

* * *
Als wir die Urheimat verließen, hatten wir noch keine Heimat. Wir hatten nur Dörfer, Städte und Heime. Wir zogen nach Osten und bauten uns Heime. Wir zogen freiwillig, man hat uns gerufen. Später hatten unsere Brüder aus deutschen Landen eine Heimat. Mit Feuer und Eisen. Jene Heimat war aber nicht mehr die unsrige. Wir waren aber Deutsche und wußten die Sprache unserer Väter zu bewahren.

* * *

Es kam die Not. Gegen uns wurden Soldaten geschickt. Sie sprachen deutsch wie wir. Wir griffen zu den Waffen und kämpften für unsere neuen Heime. Zusammen mit den Magyaren gegen sie. Auch wir erkämpften uns unsere Heimat: das Ungarland.

* * *

Es kamen wieder die Not, wieder die Soldaten: "Ihr seid Deutsche, sollt auch ganz deutsch werden!" "Was müssen wir tun?" "Schreit: Heil Hitler!"
Und viele von uns haben es geschrieen. Man zog wieder gen Osten.

** *

Als die Soldaten und die, die mitgeschrieen haben, aus tausend Wunden blutend zurückschickten, befahlen sie:
"Kommt mit!" 
"Wohin?"
 "In die Heimat. Hier wird man euch erschlagen."
Aber wir wußten, sie haben weder Heimat noch Heim.
Noch hatten wir sie.

***
Als die Soldaten und einige von uns auszogen, kamen andere Soldaten. Sie zogen gen Westen. Nach ihnen kamen Fremde. Sie hielten eine Karte in der Hand. Darauf waren unsere Dörfer mit rotem Stift bekreuzt. Da gab es Jammer und Weh. Mutter und Kind, Schwester und Bruder, Bruder und Bruder wurden getrennt.
"Aber wir haben doch nichts getan!"
"Ihr seid Deutsche", war die Antwort Und viele von uns mußten Heim und Heimat verlassen.
Vorige Woche frug ich einen blonden Jungen auf der Straße in einem unserer Dörfer:
"Wie heißt du?"
"Eichard Istvan."
"Bist du Deutscher?"
"Nein. Nur mein Großvater und meine Großmutter waren es."

***

Das Zweiglein bricht ab. Niemand sieht es, nur der Gärtner. Die Adern spritzten noch Blut zur Wunde, aber das Zweiglein wurde immer dürrer. Und der Gärtner war traurig.

Dieser Text trifft das Schicksal der Ungarndeutschen wie kein anderer. Dieses Zweiglein, die Deutsche Art, ist sie wirklich schon abgebrochen? Oder ist der Zweig nur ein wenig angekratzt, erholt sich wieder und wird wieder zu einem starken Ast der ungarischen Kulturszene. Denn das macht eigentlich den Reiz in Ungarn aus: Diese vielfältige Kultur, diese verschiedenen Menschentypen, die Ungarn eigentlich geprägt haben. Verschieden Wurzeln, Slowakisch, kroatisch, rumänisch, deutsch – sie alle sind in ihrem Herzen auch Ungarn. Dass sie ihre ethnische Herkunft nicht verleugnen, spricht für ihren Charakter, dass sie sich zu Ungarn als Staatsbürger mit ganzen Herzen bekennen, ebenfalls. Sie vertrauen auf den Staat, in dem sie aufgewachsen sind, der sie geprägt hat – als Ungarn-Deutsche!
Dass diese Rezitationsbewerbe in deutscher Sprache organisiert werden, dass sie erfolgreich das Wissen um diese Herkunft weitergeben, ist ein gutes Zeichen. Es ist aber auch ein gutes Zeichen, wenn die Jugend diese Traditionen hochhält und vor dem endgültigen Abbrechen des Zweiges bewahrt. Denn die Ereignisse von 1946 sollen sich nicht mehr wiederholen.

                        

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