a) Loipersbach wird Muttergemeinde
Zu der Zeit, da Heinrich Trost als Pfarrer in Agendorf und Ödenburg wirkte, setzte unter Kaiser Leopold I. die Gegenreformation in Ungarn mit den unmenschlichsten Mitteln ein und verursachte auf kirchlichem Gebiet große Veränderungen, so auch in unserer Kirchengemeinde. Das erste wichtige Ereignis dieser Zeit war, dass die Filiale Loipersbach in eine Muttergemeinde umgewandelt wurde. Die eigentliche Veranlassung dazu war die Vertreibung des evangelischen Pfarrers von Walbersdorf, namens Michael Marquardus. Der für die verfolgten Evangelischen zuständige Grundherr, die Stadt Ödenburg, setzte daher in ihr am weitesten nach Westen vorgeschobenes Dorf Loipersbach einen eigenen Prediger ein, damit die verwaisten Lutheraner aus Walbersdorf und Pöttelsdorf kirchlich versorgt werden konnten.
 

b) Pfarrer Matthias Rosner und seine Zeit in Agendorf-Wandorf
Agendorf und Wandorf waren zu jener Zeit (17. Jahrhundert) ganz evangelisch. In den Jahren 1665/66 wurden zwei katholische Personen durch den evangelischen Pfarrer beerdigt, was sicher nicht geschehen wäre, hätte sich im Orte ein katholischer Priester befunden.
 

Die unehelichen Kinder, deren es nur sehr wenige gab, wurden in einem besonderen Anhang des Kirchenbuches als "Bankerte" matrikuliert. Auffallend ist, dass im Totenbuche auch viele Steiermärker, Kärntner und Österreicher eingetragen sind, die während der dort viel früher ausgebrochenen Glaubensverfolgung als Exulanten bei uns Zuflucht gefunden hatten und hier starben.
 
Die Bewohner waren zu jener Zeit als Leibeigene Ödenburgs ziemlich arm und übten irgendein Handwerk aus, wenn sie nicht Bauersleute waren. So werden unter ihnen Schuster, Schneider, Leinweber, Färber, Nagelschmiede, Löffelmacher, Zimmerleute usw. erwähnt. Sie waren aber zufrieden und dankten Gott für alles, womit er sie segnete. Die Wandorfer, wie auch die Agendorfer, standen mit den Bürgern von Ödenburg in einem regen freundschaftlichen Verkehr. Bürgermeister Leopold Natel, Rektor Daniel Tiefftrunk, Edelleute wie Anna Elisabetha freie und edle Herrin von Osterburg, Katharina Barbara Freie von Herberstein, sowie viele vornehme Bürger erscheinen oft als Taufpaten, und zwischen Pfarrer Rosner und seinen Amtskollegen in Ödenburg und Loipersbach, sowie den Lehrern und Lyzealprofessoren bestand das schönste brüderliche Verhältnis.
 

Vom 15. April 1673 an wurden überraschend die Kinder von Loipersbach und Pöttelsdorf zur Taufe nach Agendorf gebracht, ebenfalls fanden die Trauungen mehrerer Brautleute aus jenen Gemeinden hier statt. Daraus ist ersichtlich, dass mit der Vertreibung der evangelischen Geistlichen vom Ödenburger Stadtgebiet in Loipersbach begonnen wurde.
 

c) Wegnahme der Kirchen
1. Der entscheidende Schlag wurde Anfang 1673 mit der Wegnahme der Kirche in Loipersbach geführt, dessen Grundherr inzwischen der Bischof von Raab geworden war. Der Ortspfarrer H. Chr. Fomann wurde durch den Erzbischof Szelepcsényi abgesetzt, die Geschworenen nach Kroisbach zitiert und ins Gefängnis geworfen, wo sie bis zum letzten April des folgenden Jahres schmachteten. Da wurde ihnen dann ihr neuer katholischer Pfarrer, der Kroate Stefan Rasenits vorgestellt. Sie wurden gezwungen, ihm die Schlüssel ihrer Kirche und das Taufbuch zu übergeben. Pfarrer Fomann taufte zuletzt am 16. Februar 1673 das Söhnlein Matthias der Pöttelsdorfer Familie Pauschenwein; danach verschwindet seine Spur. Er wird wohl ins Exil gewandert sein.
 

2. Am 22. Dezember 1673 ereilte Agendorf das gleiche Schicksal. An diesem Tag erschienen die Beamten des Raaber Bischofs in Begleitung eines kaiserlichen Hauptmannes und etlicher Kriegsknechte im Dorfe, nahmen die Kirche gewaltsam in Besitz und untersagten Pfarrer Rosner bei Todesstrafe, dieselbe je wieder zu betreten. Er nahm seinen Wanderstab und ging. Doch am hl. Christtag trieb' s ihn zurück mit unwiderstehlicher Gewalt. Als seine Gemeinde ihn wieder erblickte, da erhob sie sich wie ein Mann und nahm die Kirche wieder in Besitz. Pfarrer Rosner predigte am 2. Weihnachtstag vor der vollzählig versammelten Gemeinde. Dann blieb er noch bis zum 7. Januar 1674 hier, hielt noch zwei Taufen und schloß das von ihm angelegte und so schön geführte Kirchenbuch mit den ergreifenden Worten:
 
"Bis hierher Matthias Rosner, gewesener Evangelischer Prediger obgesetzter beiden Gemeinen, itzo aber Exul Christi, so lang Gott will!"
 
Hierauf ergriff er abermals den Wanderstab und verließ mit Weib und drei kleinen Kindern in der ärgsten Winterkälte unter den Segenswünschen seiner Gläubigen Agendorf, um nie wieder zurückzukehren. Er zog nach Deutschland und wurde 1679 zu Altenburg Hofprediger des Herzogs Friedrich von Sachsen.
 

3. Auch Wandorf wurde nicht verschont. Kurz vor Weihnachten 1673 zog "der Kroisbeckerische Bischof. . . mit dem Obristen Zeuß an der Spitze von Reitern" von Wolfs und Harkau kommend nun auch nach Wandorf und nahm den Evangelischen mit Gewalt die bisher benutzte St. Magdalenen-Kapelle ab. Zu Ostern 1674 feierten die Ödenburger Katholiken unter Führung des "Stadtpfarrers" schon mit einem öffentlichen Umzug die Auferstehung und zogen am Ostermontag in einet großen Prozession, der sich auch die Franziskaner und die Zöglinge der Jesuitenschule angeschlossen haben, nach Wandorf. Ebenso veranstaltete am 4. Sonntag nach Pfingsten, 1674, die Kongregation "Corpus Christi" abermals eine Prozession nach Wandorf, wo dann eine besondere Andacht gefeiert wurde. Man wollte eben nichts unversucht lassen, um die dortigen vielen "Ketzer" nun auch mit solchen "geistlichen" Mitteln zur "allein-seligmachenden Kirche" zurückzuführen.
 

Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)