wa deg27Neben der Bergkirche gab es in Wandorf noch ein zweites katholisches Gotteshaus: die Maria-Magdalenen-Kapelle, auch Dorfkirche genannt. Sie steht in der Kirchgasse, gegenüber vom Gemeindewirtshaus. Urkundlich wurde sie erst im Jahre 1397 erwähnt, aber es gibt gesicherte Anhalts- punkte dafür, daß die Erbauung der Kirche vor 1291 datiert werden kann, wahrscheinlich schon in das 12. Jahrhundert. An ihrer Stelle befand sich ursprünglich eine keltische Siedlung und später ein römisches Gutshaus (villa).
 
Ihr gotischer Turm stammt aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts, ihr gotisches Heiligtum aus dem 15. Jahrhundert. Das Gewölbe der Sakristei und die südliche Vorhalle sind auch im gotischen Stil errichtet. Die Kapelle wurde in den Jahren 1948/49 restauriert.
 
Die Kapelle steht in der Mitte eines erdburgähnlich gewölbten Gartens (Erdburg), der mit einer Mauer umgeben ist. Das so eingefriedete Kirchenareal diente der Gemeinde bis 1786 als Friedhof.
 
wa deg28Das Tor des Gartens ist aus dem Barockgitter des einstigen Heiligtums gefertigt. In der Mitte der giebelartigen westlichen Stirnseite erhebt sich ein kleines, aus Stein geschnitztes Türmchen, dessen Wetterhahn die Jahreszahl 1748 trägt. Bis zur Spitze des Giebels ist der Turm viereckig, im Innern achteckig. Der achteckige Teil wird von einem Gürtelsims umgeben, über welchem drei im Spitzbogen endende Chorfenster angebracht sind. Über den Chorfenstern, hinter dem Giebelkranz erhebt sich ein steinerner Helm, auf seiner Spitze befindet sich ein steinerner Knopf, auf welchem ein schmiedeeisernes Kreuz befestigt ist mit der Jahreszahl 1748. An beiden Seiten des Turmes standen auf einem Steinsockel die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Steinfiguren des hl. Josef und des hl. Eremiten Anton.
 
Im Glockenstuhl hängt eine kleine Glocke mit der Aufschrift: "Auf Kosten der Gemeinde Wabbendorf (? Woppendorf =Vanijfalu, Eisen- Komitat) gegossen unter den Richtern Nicol. Wappel und Ge. J. Horwath. Anton Pfistenmeister goss mich in Güns 1855." Auf dem Klöppel der Glocke steht: "Josef HödI1918." Angeblich brachten diese Glocke heim- kehrende Soldaten von dem Wiener Donauufer mit als Ersatz für die während des Krieges anmontierte.
 
Auf der südlichen Stirnseite des Kirchenschiffes befindet sich der Spitzbogen-Eingang, vor ihm ein Vorraum mit gotischem Balkengewölbe, Sitznischen und 2 kleinen Fenstern. Die drei Seiten des Achtecks, die das Heiligtum abschließen, werden durch Stützpfeiler verstärkt, auf welchen ein Steingitterfenster und zwei kleine Fenster zu sehen sind. An die nördliche Seite des Heiligtums schließt eine Sakristei an. Durch das Tor der Südseite gelangen wir in das eine Stufe tiefer liegende einzige Schiff, das eine Holzkasettendecke bedeckt. An der nördlichen Wand sind Reste von zwei größeren Fresken; die eine zeigt die Heiligen Dreikönige, die zweite Christus und die Apostel. Sie wurden vermutlich im 15. Jahrhundert angefertigt. Die Kirche steht heute leer da, die Bänke wurden damals in die katholische Schule gebracht. An der südlichen Wand des Schiffes steht eine Steinkanzel, gegenüber an der Nordseite befindet sich auf einem modernen Fundament ein gotisches Taufbecken aus derselben Zeit. Das Schiff wird vom Heiligtum durch einen Triumphbogen getrennt. Der Altarraum wird von einem sechssprossigen Gewölbe überdeckt, der Schlußstein trägt die Jahreszahl 1472. Auf der dem Altarraum zugewandten Seite des Triumphbogens kommt ein Gemälde zum Vorschein, das einen Bischof mit Hirtenstab zeigt. Dieses Bild dürfte im 12. Jahrhundert entstanden sein, das heißt, es ist mit der Kapelle gleichaltrig. Im Altarraum können wir außerdem eine in die Sakristei führende gotische Tür finden, einen gleichfalls gotischen Sakramentsträger und einen Träger des Ewigen Lichts. Hinter dem Altar kommen Reste der Heizungsanlage eines römischen Gutshauses zum Vorschein.
 
Die Gemeinde war seit dem Jahre 1532 Filiale der Agendorfer Pfarrei, 11wo bis 1552 der Pfarrer Martin Floder im Geiste Luthers wirkte. Das Kirchlein ist so in die Hände der Evangelischen übergegangen. Es wurde aber! 1673 zur Zeit Szelepcsényis und Kollonics' wieder katholisch. Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember, zog "der Kroisbeckerische Bischof Georg Széchenyi mit dem Obristen Zeuß an der Spitze von Reitern" von Wolfs und Harkau kommend nach Wandorf und nahm den Evangelischen mit Gewalt die bisher benutzte St.-Magdalenen-Kapelle. Nun noch etwas über die Glocken. Nach Meinung des Volksmundes flogen die katholischen Glocken am Palmsonntag nach Rom, wo sie dem Heiligen Vater ihre Aufwartung machten. Ein pfiffiger Wandorfer Junge, der dies wußte, aber die Glocken auf dem Glockenstuhl der Kapelle sah, fragte seine Großmutter: "Ahn!, wieso flog die Glocke nach Rom, wo sie doch im Glockenstuhl hängt?" - Worauf die Großmutter meinte: "Du dummer Bub, hier hängt ja nur ihr eherner ,Körper, ihre Seele ist beim Papst, wo sie. zusammen die Auferstehung unseres Herrn Jesus feiern!" Ob der Bub das .verstanden "" hat? ' In der Karwoche, wo also die Glocke nicht einsatzfähig war, gingen katholische Buben und Mädchen mit ihren hölzernen Ratschen zu ihren Glaubensgenossen und veranstalteten anstelle des ..Glockengeläutes ein knarrendes Ratschen-Konzert, wofür sie dann mit Äpfeln, Nüssen oder , einem kleinen Geldstück belohnt wurden. Die gesammelten Geschenke wurden am Ende der "Saison" christlich geteilt. So hatte der Rom-Ausflug I der "Glockenseelen" für die Kinder doch noch einen greifbaren Erfolg!
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)