Der geistige Wandel, der durch die französische Revolution im Jahre 1789 ausgelöst wurde und sich in der Zeit der "Aufklärung" manifestierte, machte allenthalben die Gesellschaft reif, die bestehenden Struktur durch neue zu ersetzen. Die alte Gesellschaftsordnung fing an zu bröckeln und freiheitliche Ideen rüttelten auch am System der Leibeigenschaft.
 
An einer Änderung waren sowohl die "Leibeigenen" selbst, als auch die Grundherren interessiert. Die "Leibeigenen", weil sie sich endlich als Bauern fühlen durften, die Grundherren, weil sie Geld für ihre angesammelten Schulden brauchten, die Arbeitsmoral und Disziplin der Fronbauern sehr nachgelassen und schließlich, weil die lästige und zeitraubende Verrechnung der Robathleistungen damit ein Ende hatte. So wurden die Gesetze zur Aufhebung der Leibeigenschaft im Revolutionsjahr 1848 von beiden Lagern begrüßt.
 
In Ödenburg wurden diese Gesetze im April 1848 verkündet. Laut Weidlein (Deutsche Schuld in Ungarn? - S. 95) war es den Leibeigenendörfern schon seit 1840 erlaubt, sich von der Leibeigenschaft freizukaufen. Dieses Recht nahmen damals nur zwei Gemeinden in Anspruch: Die Gemeinde Kakasd in der Schwäb. Türkei und Oberschützen im Burgenland. An diesen Vorläufern konnte sich nun auch Wandorf orientieren. Und es konnte nicht unbekannt gewesen sein, dass durch die Aufhebung der Leibeigenschaft gewaltige Ablösesummen gezahlt werden mußten. Auch die Stadt Ödenburg, als Grundherr, begrüßte die neuen Gesetze. Sie muss aber enttäuscht gewesen sein, als sie erfuhr, daß sie statt Bargeld nur sogenannte "Grundentlastungsobligationen" (ungarisch: földteherme sitési kötvény) erhalten würde. Diese wurden zwar mit 4 % verzinst, waren aber nicht sofort verwertbar.
 
Nun trat folgendes Rechtsverhältnis ein: Die Stadt wurde durch die Obligationen Gläubiger des Staates, die Bauern Schuldner des Staates, seine Forderungen in Form von erhöhten Steuern einzog. In Wandorf wurden die Bauern nicht durch Einzelbescheide belastet, sondern die Gemeinde insgesamt, so dass Zwangsversteigerungen gegen einzelne Bauern wegen Zahlungsrückständen nicht stattgefunden haben. Die Belastungen waren so hoch, dass sich Dr. Z. Horváth veranlaßt sah, in seinem Buch zur königlichen Kurie zu vermerken: "In den acht Stadtdörfern kostete die Ablösesumme einer ganzen Bauerngeneration die ganze Lebenskraft. In den dreißig Jahren Gesetzgebung nach der Verkündung der Bauernbefreiung wurde das Lebensniveau der Bauernfamilien nicht gehoben sondern gedrückt. ..."
 
Weitsichtige Bauern haben ihre trüben Zukunftsaussichten richtig eingeschätzt. Deshalb dürften sie keine besondere Sympathie für die vaterländische Erhebung im Jahre 1848 entwickelt haben, trotz ihrer Befreiung.

 

 

Auf kommende Änderungen deuteten bereits vor dem Revolutionsjahr einige Verordnungen hin. So gab es - lt. Dr. Weidlein - schon im Jahre 1836 ein Gesetz, das die Naturalleistungen der Fronbauern gestrichen hat (Schmalz, Kapauner, Hendl, Eier). Die "lange Zugrobath" und die Abgabe von Gespunst (Gesponnenes) konnten in gewöhnliche Robath umgewandelt werden.
 
Nach Jenny Ilona haben die Gemeinden die "lange Zugrobath" im Jahre 1811 abgelöst.
 
Die Stadt Ödenburg (Grundherr) hat alles versucht um ihren Besitz und ihre Rechte gegenüber den Fronbauern zu sichern. So wurden bereits im Vorfeld der Ereignisse Abordnungen und Kommissionen in Tätigkeit gesetzt, die insbesondere Fragen zu klären hatten, die in den Urbarien von 1767 unklar geblieben sind. Diese Gremien haben durch ihre kleinlichen Verfahren den Unmut der Fronbauern heraufbeschworen. Sie drängten den Stadtrat zu einem Beschluß, der den Ausschank von Getränken in Zelten oder an mehreren Stellen verbot. Desgleichen wurde der Ausschank von Getränken an Markttagen untersagt. Verboten wurde auch das bisherige Recht, Schnaps aus eigenen Früchten zu brennen. Die wollte damit verhindern, dass ihre eigenen Einnahmen aus dem Schankrecht geschmälert wurden. Die bisherigen Nutzen aus dem Gewohnheitsrecht wurden zu vertraglichen Nutzungen umfunktioniert, um weitere Einnahmequellen zu schaffen.
 
Diese Ziele hat die Stadt offen, verschleiert oder durch Prozesse verfolgt. Durch einen Gerichtsprozess hat sie auch erreicht, dass das Sammeln und Heimfahren von Trockenholz (Feuerungsholz) durch die ärmere Bevölkerung verboten wurde. Dadurch wurden insbesondere jene Gemeinden betroffen, in denen die Anzahl der Söllner und der Achtelbauern hoch war, wie in Wandorf.
 
Dieser wuchernden Gier der Stadtväter stellten sich aber bald die Komitatsgerichte, die Beamten der Komitatsverwaltung und auch die der Stadtverwaltung entgegen.
 
Während die Stadtväter noch Anhänger der feudalen Ordnung waren, stellten sich die Beamten auf die Seite der Leibeigenen. Die Stadt betrachtete ihre Beschlüsse (Grundherren-Gericht) gleichrangig mit den Beschlüssen der Komitatsgerichte.
 
Durch ihre Halsstarrigkeit geriet sie immer mehr in Gegensatz zur öffentlichen Meinung.

 

Im Prozeß gegen die Söllner des Pauliner-Ordens (Kloster) in Sachen Holzsammelns und Holztragens wurde der Stadtrat im Jahre 1846 von der königlichen Kurie zur Zahlung von 100.- Silberforint und zu 53.- Ft. Gerichtskosten verurteilt. Diese Gegensätze wurden schließlich durch die Gesetzgebung im Jahre 1848 beseitigt, die nicht nur die Bauern befreite, sondern auch die Grundherren-Gerichtsbarkeit aufhob und die Stadtverwaltung unter die Komitatsbehörden stellte.

Welchen Rang nahm die Stadt Ödenburg unter den 149 Grundbesitzern im Komitatsbereich vor 1848 ein?

Nach einer Darstellung aus dem Jahre 1767 stand sie, was die Zahl der Grundstücke betraf, an 4. Stelle und was die Zahl der Leibeigenen betraf (1159) an zweiter Stelle.

 
Die stufenweise Abwicklung der Leibeigenschaft vollzog sich in der Übergangszeit vom Feudalismus zum Kapitalismus. Durch die Befreiung des Eigentums und der Arbeitskraft im Jahre 1848 wurden die Grundlagen einer neuen, auf höherem Niveau stehenden bürgerlichen Gesellschaftsordnung geschaffen.
 
In diesem Prozeß stand Ödenburg zwischen zwei Lagern. Einerseits war sie selbst zum Eigenschutz, zur Abwehr gegenüber der feudalen Ordnung gezwungen, andererseits gehörte sie als Grundherr zur feudalen, herrschenden Klasse und war als solche selbst Unterdrücker ihrer eigenen Leibeigenen. Das Verhältnis der Stadt Ödenburg zu ihren Stadtdörfern hat Jenny Ilona für die Zeit von 1767 bis 1830 in ihrem 1830 erschienenen Buch detailliert dargestellt.
 
Für das gespannte Verhältnis symptomatisch ist ein Ausspruch eines Ödenburger Bürgermeisters: "Die Stadt schützt ihre gesetzlichen Rechte, die Fronbauern mögen ihre Wahrheit im Wege eines ordentlichen Gerichtsverfahrens suchen." Damit schob er den "Schwarzen Peter" für die Beweisführung den Bauern zu, wohlwissend, dass diese kein Geld für die Prozeßführung hatten.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)