Unter den bedeutendsten Persönlichkeiten, die im 18. Jahrhundert am Ödenburger Lyzeum - wenn auch nur für kurze Zeit - wirkten, war Martin Schwartner. Er hatte seine Ausbildung an den evangelischen Lyzeen in Käsmark und Preßburg erhalten und studierte dann 1779 bis 1782 in Göttingen. Er wollte zunächst Theologie studieren, wechselte aber bald zu Geschichte, Statistik, Politik und Diplomatie. 1780/81 nahm er an Schlözers Statistikkurs teil, im Sommersemester 1781 besuchte er Schlözers Kurs zur Politik und zur europäischen Geschichte. 1782 wurde er Privatlehrer und 1786 Lehrer am Ödenburger Lyzeum. Schon 1787 ernannte ihn Kaiser (König) Josef II. zum Professor für Heraldik und Diplomatik an der Universität Pest.

Seine Bedeutung lag darin, dass er die Lehren der Göttinger Schule des ius publicum nach Ungarn übertrug. 1798 erschien seine populäre Arbeit zur Staatenkunde Ungarns. „Von den politischen Ereignissen der 1790er-Jahre inspiriert (besonders von der einberufenen ungarischen Ständeversammlung 1790/91), verfasste er die erste umfassende systematische Arbeit zum ungarischen öffentlichen Recht, die als Beginn der modernen öffentlich-rechtlichen Literatur im Königreich Ungarn zu betrachten ist.“ (39)Quelle/Hinweis:
Gönczi Katalin: Juristischer Wissenstransfer von der Göttinger Universität in das Königreich Ungarn im späten 18. Jh. In: Peregrinatio Hungariae. Studenten aus Ungarn an deutschen und österreichischen Universitäten vom 16. zum 20. Jahrhundert. Hg. von Márta Fata, Gyula Kurucz und Anton Schindling. Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte Nr.64. Tübingen 2006. S.194
Besonders wichtig wurde seine immer wieder gedruckte und oft zitierte Statistik des Königreiches Ungarn.

Johann Christoph Deccard und auch Hajnóczy verfassten Stadtbeschreibungen. Sie gehörten zu den wichtigsten Mitarbeitern Bels in Ödenburg, ebenso wie Johann Matolai. Letzterer war vermutlich Schüler des Lyzeums und studierte in Wittenberg Theologie. Er war vielleicht auch Lehrer am Lyzeum. Er verfasste eine in Nürnberg gedruckte Studie über den Ödenburger Weinbau. Es wird vermutet, dass er einer der Hauptautoren des allgemeinen Teils in Bels Arbeit über das Komitat Ödenburg war. Später war er in verschiedenen oberungarischen Städten tätig. Hajnóczy verfasste die Stadtgeschichte und Stadtbeschreibung von Ödenburg für Bels Werk, für die damalige Zeit eine sehr gediegene Darstellung, die sich zum Teil auf Originalquellen aus dem Stadtarchiv stützte. Er konnte allerdings auch auf eine Stadtgeschichte zurückgreifen, die sein Vorgänger als Rektor, Johann Friedelius (1682–1712) im Jahre 1714 veröffentlicht hatte, der sich seinerseits auf einen Vortrag stützen konnte, den Abraham Aegidius Dobner, der Sohn des berühmten Bürgermeisters, gehalten hatte. Dobner hatte bereits mittelalterliche Originalurkunden zitiert.

Zum Umkreis der Gelehrten am Lyzeum gehörten Johann Jakob Neuhold (Studium in Wittenberg, Jena und Leipzig), die Ärzte Andreas Loew und Georg Sigmund Liebezeit, der nach seinem Studium in Halle und Leyden ab 1715 Stadtarzt und Hausarzt der Markgrafen von Brandenburg war. Er war Mitglied der kaiserlichen Leopoldina ebenso wie der Berliner Akademie. Auch die evangelischen Pfarrer Johann Sigmund Pilgrim, Friedrich Wilhelm Beer, Samuel Serpilius und Johann Andreas Kastenholtz gehörten zum gelehrten Kreis. Peter Komaromi besuchte das Lyzeum und schloss 1715 sein Medizinstudium in Basel mit einer Arbeit über die Ödenburger Weinsorten ab. Johann Christoph Ruis war Lehrer am Lyzeum und ein Mitarbeiter Bels. Johann Christoph Deccard und dann sein Sohn Johann Friedrich Wilhelm Dekkard, der Medizin in Jena studierte und Arzt in Ödenburg wurde, waren für die Erforschung der Pflanzenwelt wichtig. Der Sohn gab zusammen mit Karl Friedrich Loew, Lehrer am Lyzeum, das verbesserte Werk des Vaters, die Flora Semproniensis, heraus. Loew, Sohn Andreas Loews, war ein unermüdlicher Pflanzensammler und plante ein großes Werk über die Flora Ungarns. (40)Quelle/Hinweis:
Zur Geschichte der Wissenschaften am Ödenburger Lyzeum vgl. die Aufsätze von Gergely Tóth u. a. in: Bél Mátyás. Descriptio Comitatus Soproniensis I - III. Quellen zur Geschichte der Stadt Ödenburg, Reihe C, Band 2 bis 4. Sopron 200

Großes Interesse fanden schon früh die Thermal- und Heilquellen im Bereich der Stadt. Schon 1631 war in der Tschapringer Druckerei „Die erklärende Beschreibung der mäßigen Natur, der beruhigenden Kräfte und des Nutzens des in meinem Ödenburger Reich liegenden Balfer Bades“ des Ödenburger Stadtarztes Jeremias Scholtz erschienen. Scholtz gehörte dem Kreis um Lackner an. Andreas Loew, Arzt in Ödenburg, schrieb über die Quellen von Wolfs und Pinkafeld, 1738 ließ Johann Andreas Forlani, ebenfalls Arzt in Ödenburg und Hofrat in Wien, seine „Collocutiones de novis Rakosiensium thermis“ drucken und auch Paul Kitaibl beschäftigte sich mit den Heilbädern.

Nicht dem Milieu des Lyzeums entstammte ein anderer bedeutender Naturwissenschaftler des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Paul Kitaibl war Katholik aus Mattersburg und besuchte das Jesuitengymnasium. Sein „Iter Soproniense“ ist nur handschriftlich erhalten. Kitaibl gilt als der früheste bedeutende Erforscher der ungarischen Flora. Erwähnt sei auch, dass der Begründer der ungarischen Pilzkunde, Karl Kalchbrenner, aus dem Ödenburger Raum stammt. Er wurde in Pöttelsdorf geboren und wuchs als Sohn des Pfarrers von Agendorf und Loipersbach heran.

Es muss, bei allen Konflikten, die es natürlich gab, eine faszinierende, von Gelehrsamkeit getränkte Atmosphäre gewesen sein, die damals die gebildete Oberschicht Ödenburgs beherrschte. Auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist davon noch viel zu spüren, vor allem in den Persönlichkeiten von Leopold Petz und Johann Kis – bis dann der Nationalitätenkampf diese Atmosphäre zu vergiften begann.