Angesichts der weiträumigen Handelsverbindungen der Stadt Ödenburg ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Nachrichten über das Auftreten und die Anliegen Luthers die Stadt schon früh erreichten. Bücher und Druckschriften fanden in der Stadt Eingang, sie wurden in Wien erworben, aber auch in der Stadt selbst verkauft. Der ungarische Landtag befasste sich mit der lutherischen Ketzerei und bedrohte ihre Anhänger mit dem Verlust von Vermögen und Kopf. 1524 verbot König Ludwig erneut die Verbreitung lutherischer Schriften. 1524 bereits informierte der damalige Stadtpfarrer Christoph Peck den Raaber Archidiakon und Domherrn Kajari darüber, dass die neue Lehre in Ödenburg Eingang gefunden habe. „Es ist allgemein bekannt, dass die Bürger die lutherischen Bücher kaufen und lesen, dann schimpfen sie über den Papst, die Kardinäle und andere los, dass es eine Schande ist.“

Wie Peck berichtete, waren es vor allem die Ödenburger Franziskaner, die für Luthers Botschaft anfällig waren. Angeblich hatte ein Franziskanermönch schon 1522 damit begonnen, Irrlehren zu verbreiten. Die Beschuldigungen Pecks führten zu einer Untersuchung, deren Protokoll überaus interessant ist und uns schlaglichtartig einen tiefen Blick in die Krise der Kirche in Ödenburg ermöglicht. Da die Ödenburger Pfarrer sich Konkubinen hielten dürften sie keine Messe lesen. Die Priester seien Wucherer, daher brauche man in der Stadt keine Juden. Zwei Domherren aus Gran führten die Untersuchung. Der beschuldigte Franziskaner verteidigte sich sehr geschickt, nahm allerdings seine Beschuldigungen gegenüber der Ödenburger Priesterschaft nicht zurück. Der Stadtrat erwies sich als durchaus kooperationswillig und warf den der Ketzerei beschuldigten Bürger Vitus Schneider in den Kerker. Einzig und allein der Bürger Paul Moritz Krämer gab in den Verhören zu, lutherische Schriften zu besitzen und das Fasten bewusst gebrochen zu haben. Er musste seine lutherischen Bücher abgeben und vor der Versammlung der Bürger seine „Verfehlung“ bereuen. Die lutherischen Bücher wurden am 30. Oktober 1524 öffentlich verbrannt. Er wurde aus dem Inneren Rat ausgeschlossen. Auch zwei Priester wurden wegen der Verletzung der Fastengebote gerügt.

Am 29. August 1526 wurde das ungarische Heer bei Mohacs von den weit überlegenen Türken total vernichtet. König Ludwig II., ein beträchtlicher Teil des Adels und viele Bischöfe, darunter auch der Bischof von Raab, fielen. Weite Teile des Landes wurden verwüstet. Gemäß dem Heiratsvertrag von 1515 ging die ungarische Krone auf Ferdinand I. über, der mit Anna, der Schwester König Ludwigs II., vermählt war. Maria, Ferdinands Schwester und Ludwigs Witwe, floh nach Preßburg. Die antihabsburgische Partei war aber selbst in dieser sehr schwierigen Situation nicht bereit, Ferdinand als König von Ungarn anzuerkennen. Sie wählte in Stuhlweißenburg Johann Szapolya zum König. Die prowestliche Partei, zu der auch Ödenburg und Preßburg gehörten, wählte am 17. Dezember in Preßburg den Habsburger Ferdinand I. zum ungarischen König. Maria bemühte sich als Statthalterin Ungarns die Partei ihres Bruders zu stärken. So schickte sie etwa 300 Mann Fußtruppen unter dem Stadthauptmann Dietrich Hartitsch nach Ödenburg. Die Stadt leistete den Treueeid und bekam die Herrschaft Kroisbach, die dem Raaber Bischof gehörte. Königin Maria war der Stadt Ödenburg außerordentlich gewogen. Das war auch für den Fortgang der Reformation von Bedeutung. Maria hatte große Sympathien für das Luthertum. Johann Henckel, ihr Hofkaplan, galt als Freund Luthers. 1528 schrieb Henckel aus Ödenburg einen Brief an Erasmus von Rotterdam.

Der Schock von Mohacs hatte zu einer Fluchtbewegung aus den bedrohten Gebieten geführt. Die Johanniter hatten die Stadt schon 1522 verlassen. Ihr Vermögen wurde in ein Benefizium umgewandelt. Die Stadt war nach Mohacs natürlich alarmiert und wurde in Verteidigungsbereitschaft versetzt. Noch 1526 wurden die wehrfähigen Männer zusammengeschrieben: „Ordnung der gemeinen burgerschafften durch zehner, virtlmaister vnd habdtleut aufgericht, wie sich ain jeder in diesen gevährlichen leuffen hallten sulle.“ (21)Quelle/Hinweis:
Hazi, II/6, S. 412.
Sondersteuern wurden auferlegt, etwa auf die Handwerkszechen, religiösen Bruderschaften und auf die Benefiziaten. Der Klerus musste für seine Geldgeschäfte den Zins auf 5% herabsetzen. Die Hälfte der ausständigen Schulden sollte die Stadt für die Ausbesserung der Befestigungen bekommen.

1529 begann Sultan Sulejman einen Feldzug in Ungarn. Das türkische Heer zog entlang der Donau gegen Wien. Der Ödenburger Raum war also nicht unmittelbar betroffen. Aber es gehörte zur Taktik der Türken, ihre „Renner und Brenner“, Hilfsvölker tatarisch-mongolischer Herkunft, weit ausschwärmen zu lassen. Durch ihre unübertroffene Grausamkeit verbreiteten sie eine Atmosphäre der Angst und des Schreckens und sollten so den Widerstand lähmen. Diese Horden erreichten auch das Ödenburger Gebiet. Zunächst musste die Stadt aber eine Erfahrung machen, die sich leider später noch oft wiederholen sollte: Auch „Freunde“ und „Helfer“ waren nicht eben uneigennützig und harmlos. Das aus Niederösterreich der Stadt „zur Hilfe“ geeilte Fußvolk verwüstete die Felder und stahl das Vieh. Die Stadt wurde in Verteidigungsbereitschaft gesetzt, die Waffen (handpuxen und hakenpuxen, geschutz und stugkh) vorbereitet, das Pulver von „handtmull und rossmull“ gemahlen. Die Glocken wurden eingeschmolzen. Die Marienkirche wurde abgerissen, da man von ihr aus das Tor hätte beschießen können. Ein ähnliches Schicksal drohte der Michaelerkirche, doch wurde dies von einigen Pfarrern verhindert. Zumindest wird dies in der allerdings später verfassten Chronik des Marx Faut und Melchior Klein berichtet. „Die kirchen bey Sandt Michael hat sollen abgetragen, mit erden angeschidt vnd 6 große stukh geschidtz zu defendirung der statt wider den erbfeindt darauf gestellt worden, ist aber durch ein oder zwen pfaffenknecht, die nicht wenig alhie gegolden, verhindert worden.“ (22)Quelle/Hinweis:
Die Chronik des Marx Faut und Melchior Klein 1526 – 1616. Quellen zur Geschichte der Stadt Ödenburg Reihe C, Bd.1, zugleich Burgenländische Forschungen Sonderband XVII. Sopron-Eisenstadt 1995, S. 38.

Als türkische und tatarische Truppen dann vor der Stadt anlangten, konnten sie von den Bürgern und Truppen unter dem Burghauptmann Hartitsch zurückgeschlagen werden. Aber sie verwüsteten die Dörfer und zündeten auch die Ödenburger Vorstadt an. Besonders schlimm traf es das Dorf Kolnhof, das gänzlich vernichtet wurde. Alle Einwohner wurden getötet oder verschleppt. In einer Eingabe an König Ferdinand I. stellten die Ödenburger fest, dass in ihrer Herrschaft nur ein Viertel der Bevölkerung übrig blieb („vix quarta pars hominum supermanserit“).