Die folgenden, komplizierten Wirren seien etwas genauer geschildert, weil sie die immer etwas prekäre Situation Ödenburgs zwischen Ungarn und Österreich exemplarisch aufzeigen, aber auch einen Blick in die politischen und sozialen Konflikte in der Stadt ermöglichen.

Noch zu Lebzeiten Belas IV. tobte ein unterschweliger Kampf zwischen den Hofparteien. An der Spitze der „deutschen“ Partei stand Herzog Bela und der Großteil der Familie mit den meisten westungarischen Adeligen, an der Spitze der eher „nationalmagyarischen“ Partei der Thronfolger Stephan V. Mit dem Tode Belas IV. waren die friedlichen Zeiten vorbei. Die Parteienkämpfe brachen heftig aus. Viele Adelige fürchteten die Rache König Stephans V. (1271–1273) (->Wikipedia) und flohen zu Ottokar II., dem sie ihre Burgen übergaben. Die folgenden Kriegszüge brachten schlimme Verwüstungen. Die abgefallenen Adeligen fielen in die Nachbargebiete ein. Stephan V. antwortete mit einem Feldzug nach Österreich. Im März 1271 griff Ottokar II. ein, besetzte das Komitat Preßburg, überquerte die Donau und konnte sich zwei Monate lang in Westungarn halten, nicht zuletzt dank der Unterstützung durch Heinrich von Güssing. Stephan V. zog inzwischen ein Heer an der Raab zusammen und konnte dem Böhmenkönig und seinen ungarischen Verbündeten bei Güns, Ödenburg und Purbach einige Schlappen beibringen. Ottokar II. löste sein Heer auf und schloss Frieden. Beide Seiten lieferten die zu ihnen übergelaufenen Vasallen aus, die Burgen der Güssinger mussten Stephan V. übergeben werden.

1273 starb Stephan V. Unter seiner Witwe, Elisabeth der Kumanin, stürzte das Land völlig ins Chaos. Der Thronfolger, Ladislaus IV. „der Kumane“ (1272–1290) war damals erst zwölf Jahre alt. Es begann eine Zeit heftigster Parteienkämpfe, in denen vor allem die Güssinger, aber auch die Mattersdorfer und die Stadt Ödenburg wichtige Rollen spielten. Für die Agendorfer, die führende Familie des Ödenburger Stadtadels, die wohl ebenfalls der deutschen bzw. böhmischen Partei angehörten, wurden sie zum Verhängnis. Die Adelsparteien kämpften um Macht und Einfluss. Dahinter stand aber auch die Frage, ob sich Ungarn eher an den Westen anlehnen sollte oder mehr einen unabhängigen, „nationalmagyarischen“ Kurs steuern sollte. Zwar wechselten die Gruppierungen ihre Zusammensetzung, im Großen und Ganzen blieben aber zwei Gruppierungen bestehen, wobei die prowestliche unter der Führung der Güssinger und Gutkeled stand, die beide ja deutscher Abstammung waren und in enger Verbindung auch zum österreichischen Adel standen.

Zunächst setzte sich die Hofpartei um die Kumanin und ihren minderjährigen Sohn Ladislaus IV. durch. Eine Empörung des Schatzmeisters Monoszló wurde niedergeschlagen, die deutsche bzw. böhmische Partei unschädlich gemacht. Auch der an den böhmischen Hof geflohene Heinrich von Güssing tauchte wieder im Lande auf. Im Juni 1273 bildeten die beiden Parteien gemeinsam eine „Regierung“. Die Güssinger und Gutkeled übernahmen allein die Führung. Im August 1273 fiel Ottokar II. erneut in Westungarn ein. Er eroberte Preßburg und Raab, marschierte mit seinem Heer durch die Sümpfe der Raab und stand am 5. Oktober vor Ödenburg. Er war mit 14 Sturmböcken ausgerüstet. Die Stadt Ödenburg wurde vom Burggrafen Peter I. aus der Familie der Agendorfer (14)Quelle/Hinweis:
Herkunft und Abstammung jener Kleinadelsfamilie, die „die Agendorfer“ genannt wurden, sind unbekannt. Die Namen sprechen aber, so wie die der meisten Adelsgeschlechter der damaligen Zeit im westungarischen Raum, für eine deutsche Herkunft. Die ersten uns namentlich bekannten Agemdorfer sind Peter (I.) und He(r)bert, Besitzer von Weingärten und wahrscheinlich auch der Dorfes Wolfs. Die Agendorfer gehörten also mit größter Wahrscheinlichkeit zu jenen Familien, die im 12. und 13. Jahrhundert von Westen her kommend in ungarische Dienste traten. Peter I. ist Burggraf von Ödenburg. Dies deutet darauf hin, dass die Familie zu dieser Zeit bereits bedeutende militärische Dienste geleistet hatte. Für seine Verdienste bekam Peter I. von König Bela IV. um 1250 einen Teil des Burgfeldes in Dagendorf, welches südlich der Landstraße Ödenburg – Dagendorf lag, genauer gesagt südlich des Aubaches (Burgenländisches Urkundenbuch I., 249–250). 1256 wurde Peter von der Burg verwiesen. Der König entzog Peters Häuser (domos) und seinen Turm (turrim, Wohnturm) in Ödenburg samt Zubehör und gab sie den beiden Neffen des damaligen Stadtrichters, Andreas und Adrian. Diese waren Leibeigene aus Babod und lebten in Ödenburg als Burgjabogionen (Burgbesatzung). Auflage war, dass beide samt ihren Nachkommen nur dem König dienen sollten. Der neue Burggraf vernichtete eigenhändig die Schenkungsurkunde des Königs an Peter, offensichtlich um diesen ganz zu verdrängen. Peter konnte aber trotzdem wieder zurückkehren, seine Güter zurückerlangen, er wurde auch wieder Burggraf. Für die Verdienste, welche sich Peter I. im Konflikt zwischen dem alten König Bela IV. und seinem Sohn Stephan V. (1270–1272) erworben hatte, bestätigte der alte König Bela IV. 1269 nochmals die Schenkung der Besitzungen in Agendorf an Peter I. Es spricht einiges dafür, dass Peter I. in die Mühlen der Politik, also in die Parteienkämpfe, die zwischen Bela IV. und seinem Sohn lange tobten, geraten war, die ihm zunächst sein Amt kosteten, dass er dann aber durch geschicktes Verhalten wieder zu seiner Position gelangte. 1265 erwarb Peter um 33 Mark die Liegenschaft der Zisterzienser in Agendorf.
In den folgenden Parteienkämpfen zwischen der Hofpartei um Elisabeth, die Kumanin, und ihrem Sohn Ladislaus IV. einerseits und der „deutschen Partei“ um die Gutkeled und die Güssinger, die Anlehnung an Premysl II. Ottokar suchten, gerieten die Agendorfer schließlich in eine noch schlimmere Situation. Burggraf Peter I. stand offenbar auf der Seite des Böhmenkönigs und Herzogs von Österreich. 1273 fiel Ottokar II. in Westungarn ein. Burggraf Peter öffnete ihm die Tore Ödenburgs. Man kann dies, wenn man die Hintergründe der jahrzehntelangen Parteienkämpfe und auch der Misswirtschaft unter Elisabeth und ihres Sohnes Ladislaus IV. des Kumanen kennt, keineswegs als „Verrat“ sehen. Es ging um Macht und Einfluss und die Beteiligten wechselten häufig die Seiten. Zum weiteren Schicksal der Familie, die auch später noch in Ödenburg eine wichtige Rolle spielte, siehe meine zusammenfassende Darstellung in Floiger, M.: Das Kleinadelsgeschlecht der Agendorfer. www.oedenburgerland.de; Agendorf, Geschichte.
schließlich an Ottokar II. übergeben.
Offenbar gab es aber unter den Bürgern eine Partei, die gegen den Burggrafen opponierte und sich gegen die Übergabe stellte. Peter I. ließ daraufhin deren Anführer, Stephan den Kürschner und dessen Brüder Peter und Schwärzel hinrichten. Die Söhne vornehmer Bürger mussten Ottokar als Geiseln begleiten – auch dies war damals eine übliche Praxis, um sich die Loyalität einer eroberten Stadt zu sichern. Man kann sich die internen Parteiungen vorstellen, die damals die Stadt entzweiten. Natürlich hatten die „Bürger“, also vor allem die Handwerker, andere Interessen als der adelige Stadtkommandant. Es ist also durchaus möglich – auch wenn es dafür keine direkten Belege gibt – dass hinter dem Konflikt Peters mit einer Bürgergruppe einer jener innerstädtischen Konflikte stand, die damals in weiten Teilen Mitteleuropas an der Tagesordnung waren und den Aufstieg eines zunehmend selbstbewusst werdenden Stadtbürgertums gegenüber adeligen Stadtherrn widerspiegeln.
Ottokar konnte sich freilich nicht lange halten. Im Heiligen Römischen Reich wurde am 1. Oktober 1273 der Habsburger Rudolf und nicht sein Konkurrent Ottokar zum König gewählt. In Ungarn setzte sich der König zunächst gegen die mächtigen Adelsparteien durch. Der vierzehnjährige Ladislaus zog vor Ödenburg. Stephan, der Stadtrichter, öffnete der königlichen ungarischen Reiterei die Tore, obwohl er damit das Leben der Geiseln, darunter sein eigener Sohn und die Söhne seiner beiden Schwestern, gefährdete. Diese Stellungnahme der Stadt für den König und gegen den Burggrafen hatte einschneidende Folgen. Sie war mit größter Wahrscheinlichkeit der Grund für die Erhebung der Stadt zur Königlichen Freistadt am 20. November 1277. Die Stadt wurde damit unabhängig vom königlichen Burggrafen und unterstand nur mehr dem König direkt. Der Stadtrichter konnte frei gewählt werden, die Stadt hatte auch die Blutgerichtsbarkeit inne. Die Stadt erhielt das später immer wieder bestätigte Recht der freien Zu- und Abwanderung. Jeden Dienstag konnte ein zollfreier Wochenmarkt abgehalten werden.
Mit dem Tod Ottokars II. in der Schlacht von Dürnkrut gegen Rudolf von Habsburg - der von ungarischen Hilfstruppen des Königs Ladislaus IV. unterstützt wurde – verlor die Adelsopposition schließlich ihren wichtigsten Rückhalt. Peter, der frühere Burggraf, wurde im Herbst des Jahres 1278 oder 1279 vor Gericht gestellt, wegen Landesverrates zum Tode verurteilt und in der Stadt öffentlich geköpft. Das Vermögen der Agendorfer aufgeteilt. Später gelang ihnen die Rückkehr und sie spielten im Patriziat der Stadt und als Grundherrn in der Umgebung noch eine wichtige Rolle.