abb scarabantia_609x799Alle diese Fakten, die archäologischen Befunde, die ein noch immer funktionierendes städtisches Leben, eine dichte Bevölkerung, die Fortsetzung der Handelsbeziehungen und die Existenz einer christlichen Gemeinde unter einem eigenen Bischof mitten in den „Wirren“ der Völkerwanderungszeit ergeben jedenfalls ein Bild, das mit den früheren Vorstellungen von einer weitgehend verwüsteten, verödeten, menschenleeren Provinz Pannonien nichts gemein hat. Natürlich hat das Ende der römischen Verwaltung und Staatlichkeit ihre Spuren hinterlassen, das Leben ging aber weiter. Bevorzugte Plätze wie Scarabantia – Ödenburg – Sopron bleiben eben nicht unbesiedelt.

 Dies gilt wahrscheinlich auch für die folgende Epoche, die Zeit der awarischen Herrschaft. Allerdings war der Einschnitt gegen Ende des 6. Jahrhunderts, nach dem Abzug der Langobarden und Heruler, weit stärker. Das zeigt sich im archäologischen Befund eindeutig. Vieles weist auf eine gewaltsame Zerstörung der Stadt hin: eine dicke Brandschicht, große Mengen an verbrannten Lebensmitteln, Geschirr, Schmuck, Waffen unter den Trümmern der eingestürzten Häuser, das Geschirr manchmal noch auf der Herdstelle stehend. Alles weist auf ein sehr plötzliches und gewaltsames Ende der Stadt hin. Die Vermutung liegt nahe, dass sie von den Awaren erobert wurde, die Bevölkerung floh oder verschleppt wurde. Aber auch die Awarenherrschaft ermöglichte das Weiterleben von romanischen und germanischen Bevölkerungsgruppen. Dies weiß man aus vielen Beispielen. In Scarabantia – Ödenburg sind bis jetzt konkrete Belege eher spärlich.

Das rechteckige Forum lag im Bereich des heutigen Hauptplatzes. An der Nordseite lag das große Staatsheiligtum, den Göttern Juppiter, Juno und Minerva gewidmet. Der Tempel hatte eine Länge von 35 m und eine Breite von 10 m. Vor dem Eingang am Forum standen vier riesige Säulen. Die archäologischen Ausgrabungen fanden die Säulenbasen noch an Ort und Stelle. Die zerbrochenen Säulen lagen, ebenso wie die korinthischen Kapitelle, davor. Die drei riesigen Götterstatuen , deren Überreste ebenfalls gefunden wurden und die man so gut es ging wieder zusammengefügt hat abb forum(im Keller des Fabricius-Hauses zu besichtigen), sind aus Marmor, den man aus Griechenland nach Italien importierte. Dort wurden die Statuen Anfang des 2. Jahrhunderts gefertigt und schließlich nach Scarabantia transportiert. Die Kaufsumme und die Transportkosten müssen enorm gewesen sein. Das Heiligtum wurde in späterer Zeit mehrmals umgebaut. Es erhielt zwei Seitenflügel, die einen heiligen Bezirk umschlossen. Im Ostflügel wurde ein 9 mal 12 m großer, sorgfältig ausgestatteter Saal, der offenbar ebenfalls kultischen Zwecken diente, freigelegt. In den Trümmern des Gebäudes wurden Teile einer Minerva-Statue gefunden. Auch die anderen Seiten des Forums und deren Bebauung sind größtenteils bekannt. Am Beginn der St. Georgsstraße (Szent György - utca), in der südöstlichen Ecke des Forums, befand sich ein großer Saalbau. An der Südseite standen ebenfalls Heiligtümer. Zwei Altäre, dem Gott Merkur und dem Liber Pater (Bacchus) gewidmet, wurden hier gefunden. Sie wurden später in die Schwelle eines anderen Gebäudes eingemauert. Daneben stand wahrscheinlich das Heiligtum des Silvanus Augustus. Den offiziellen, staatlichen Göttern und ihrem Heiligtum lagen also die Tempel jener Gottheiten gegenüber, die die Kaufleute der Stadt anscheinend besonders verehrten. An der Westseite des Forums befand sich die Basilica, der Gerichtssaal, in dem aber nicht nur Recht gesprochen wurde. Hier wurden auch Geschäfte getätigt und Verträge abgeschlossen. Am Forum könnte auch – wie Überreste im Fabricius-Haus zeigen – ein öffentliches Bad gelegen haben. Ein weiteres, sehr ausgedehntes öffentliches Bad lag am anderen, südlichen Ende der Stadt im Bereich des Ursulinen-Platzes. Im Keller der Schule der Ursulinerinnen können Überreste (Becken, Heizung, Heizkanal) besichtigt werden.

 


abb bernsteinstrasseAn vielen Stellen der Stadt wurden Überreste der Bernsteinstraße, sorgfältig gepflastert, gefunden. Um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert, als die Romanisierung schon beträchtliche Fortschritte gemacht hatte, dürften nach den Befunden der Archäologen anlässlich des Besuches des Kaisers Domitian (92 n. Chr.) die Straßen erweitert und erneuert worden sein. Offenbar wurde das ganze Land – von der Straße als zentraler Achse ausgehend – neu vermessen und aufgeteilt. Bis heute kann man auf Luftaufnahmen die Nachwirkungen dieses Vermessungs- und Katastersystems erkennen.

Nach den Markomannen- und Quadenkriegen wurde die Stadt Scarabantia wieder aufgebaut. Im ausgehenden 3. Jahrhundert wurden auch die Binnenstädte der Provinz Pannonien befestigt. Die nunmehr errichtete Stadtmauer von Scarabantia umschloss nicht die ganze Stadt, sondern nur deren Kern mit den wichtigsten Gebäuden. Diese Stadtmauer ist bis heute zu einem großen Teil erhalten, weil sie später in das mittelalterliche Befestigungssystem einbezogen wurde. Die Stadtmauer hatte einen annähernd elyptischen Verlauf und umschloss ein Gebiet von etwa 90.000 m², in der Längsachse 404 m, in der Querachse 250 m groß. Die Mauer war etwa 3 m dick und 8,5 m hoch. Im Abstand von 23 bis 25 m standen 34 hufeisenförmige Bastionen, die zur Hälfte aus der Mauer vorragten. An der Innenseite der Mauer waren sie durch Wehrgänge mit Treppenaufgängen verbunden. Die ummauerte Stadt war durch zwei mächtige, überwölbte Toranlagen zugänglich. Diese waren durch je zwei Türme gesichert. Das Nordtor beim späteren Stadtturm (Feuerturm) wurde ausgegraben und kann besichtigt werden. Das zweite, südliche Tor befand sich im Bereich des Schulhofes der Ursulinerinnenschule.