Die Glocken läuten … Zum 62. Male jährte sich nun der Tag, an dem Tausende Ungarndeutsche ihre Heimat verlassen mußten. Es ist in unserer heutigen, schnelllebigen Zeit nicht mehr so selbstverständlich, dass an alle jene gedacht wird, die damals dieses traurige Schicksal erlitten.
Die Glocken läuten … Um 15.10 Uhr, am Samstag, dem 12. April 2008, läuteten die Glocken der evangelischen Kirche in Agendorf. Der Himmel ist wolkenverhangen, vereinzelt fallen Tropfen, doch der Regen bleibt aus. Es ist auch die Stimmung auf dem Luther-Platz gedämpft: trotz flatternder Fahnen, festlich gekleideten Menschen, Blasmusik und Gesangsverein! Denn es wird auch in diesem Jahr, wie schon 61 Male zuvor, der Vertreibung der Ungarndeutschen gedacht. Und wieder sind so manche Tränen geflossen, haben Menschen wie versteinert den Reden gelauscht.
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Es ist ja nicht einfach, sich daran zu erinnern, wie es damals war, als die Großeltern und andere Verwandten noch hier in diesem Dorf lebten: das Haus steht noch, doch es wohnen nicht mehr die Angehörigen drinnen. Fremde, die damals hierher umgesiedelt sind, haben in Agendorf eine Heimat gefunden. Volle Integration – mein Gott, die können ja auch nichts dafür, sind ja auch oft nicht freiwillig hierher gezogen. Doch ein kleiner Stachel bleibt, denn es war am Anfang für niemanden leicht, sich an Fremde zu gewöhnen! Heute ist vieles anders, die Menschen haben andere Sorgen – die Inflation, alles wird teurer, der Beitritt zur EU hat zwar offene Grenzen gebracht – aber auch einen erneuten Anstieg der Preise. Besonders hier in Grenznähe ist alles mehr nach dem Westen orientiert. Und da können so manche Pensionisten nicht mehr mithalten, sie haben sich ihr Leben lang einschränken müssen – es ist also nichts Neues für sie. Aber eines ist erkennbar – es lohnt sich, heute und hier, in dieser kleinen Gemeinde an der Grenze, zu leben!
 

Und so erklingen die ungarische und die ungarndeutsche Hymne fröhlicher, die Musikstücke der Blasmusik heitern die Menschen schnell auf. Man gedenkt der Zeit vor 62 Jahren, doch Resignation und dumpfe Trauer sind den Menschen hier fremd. Heute wird im Kindergarten und in der Grundschule die deutsche Sprache unterrichtet, denn alle haben es erkannt: das Tor zur Welt steht weit offen – sie müssen nur hindurchgehen. Der Jugend ist es klar geworden: durch Krieg und Gewalt kann man auf Dauer nichts erreichen! Ja, es wurde so manche Träne vergossen, der Gedenktag wurde mit der angebrachten Würde und Ernsthaftigkeit begangen, doch die Zuversicht über eine schöne Zukunft war in den Gesichtern der Menschen deutlich zu lesen. Optimismus ist auch aus der untenstehenden Rede von Bürgermeister István Gáal zu lesen: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Wir haben uns zu einem traurigen Anlaß hier am Luther-Platz versammelt, um uns an die Vertreibung vor 62 Jahren zu erinnern. Am Ende des 2. Weltkrieges verstärkte sich von Seiten der Siegermächte die Forderung der kollektiven Schuldigkeit der Deutschen in Ungarn. Diese, vor allem von sowjetischer Seite kommenden Forderung verkörpert das Benes-Dekret. Dies betraf auch die ungarische Bevölkerung im heutigen Polen, Tschechien und Slowakei, von wo die Ungarn vertrieben wurden. Die ungarische Regierung brachte am 29. Dezember 1945 eine Anordnung über die Deutschen in Ungarn, die nach Deutschland umgesiedelt werden müssen. Umsonst der Protest, umsonst die Interventionen der Kirchen – dieser Beschluß wurde durchgeführt; Am 16. April 1946 wurden viele Agendorfer und Wandorfer mit Zügen abtransportiert. Ihre Zahl war mehr als 1400. Diese Liste ist bis zum heutigen Tag nicht vollständig.

Die Ausgesiedelten mußten ihr Heimatland und all ihr Hab und Gut zurücklassen. Als der Zug losfuhr, erklangen die Glocken. Zum Gedenken daran beginnen wir unsere Gedenkfeier auch heute mit Glockengeläute. Achtzig Prozent der Vertriebenen kamen nach Deutschland. Auf sie wartete eine schwere Zeit mit Hunger, Kälte und Heimweh. Von diesen Menschen leben heute nur noch wenige, aber ihre Familienangehörigen besuchen noch oft ihre ehemalige Heimat. Nach der Vertreibung, gleich am nächsten Tag, kamen 142 angesiedelte Familien nach Agendorf, die hier ein Zuhause fanden und sich hier eingelebt haben. Zur Zeit bekennen sich ein Drittel der Agendorfer Einwohner zum Ungarn-Deutschtum. Im neuen Europa ist es wichtig, die deutsche Sprache im Kindergarten und in der Schule zu lernen und die ungarndeutschen Sitten und Bräuche zu pflegen. Zum Schluß, aber nicht zuletzt bedanke ich mich bei Franz Pinezits und seiner Familie für die Errichtung des Denkmals. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Zwei Mädchen der 6. Klasse Gymnasium sagten Gedichte in Agendorfer Mundart auf; Abgeschlossen wurde die Gedenkfeier mit der Kranzniederlegung und dem Lied: Ich hatt' einen Kameraden!

 

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