Am Ende des 18. Jahrhunderts waren natürlich auch die Harkauer von den Parolen der Französischen Revolution: "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" ergriffen. Vom weiteren Fortgang der Geschehnisse waren sie schon weniger begeistert, denn den Parolen folgte bald die Kriegsfurie. Im Heer der Österreicher kämpften auch Harkauer in Oberitalien gegen Napoleon, im Jahre 1796/97. Noch schrecklicher waren die Folgen der Schlachten in Oberitalien. Nachdem die Kaiserlichen Oberitalien räumen mußten, wurde vom Dezember 1805 bis Februar 1806 ein österreichisches Pionier Corps in Harkau einquartiert. Die Soldaten schleppten eine schreckliche Epidemie ein von der auch viele Harkauer infiziert wurden. "Durch mehrere Wochen lagen bis zu 200 Personen darnieder. Die stärksten jungen Männer und Frauen zwischen 20 und 40 Jahren wurden vom Tod hingerafft", schreibt der damalige Ortspfarrer, Samuel Schiller, und fährt fort: "Ältere Personen genasen gewöhnlich wieder. Mehrere von den jungen Angesteckten fielen in größte Paroxisman, in völlige Raserey, so daß sie niedergebunden werden mußten!!!"
Dieselbe Krankheit wütete auch unter den österreichischen Soldaten, die im Schloß Beuggen/Oberrhein nach dem Rückzug aus Oberitalien ein- quartiert waren, berichtete Pfarrer Kraft, dortiger Anstaltspfarrer um 1950. In kurzer Zeit starben in Harkau 111 Personen an dieser Krankheit, mehr als der zehnte Teil der Bevölkerung -I die gestorbenen Soldaten nicht mitgezählt! - Auch der Lehrer der Gemeinde, Sloboda und! seine Frau fielen der Epidemie zum Opfer. "Die Krankheit ließ erst nach in ihrer Wuth, als das einquartierte Militär, das ganze Pionier-Corps, den Ort verlassen hatte", schreibt Pfarrer ' Schiller. Viele Waisenkinder waren zurückgeblieben. Pfarrer Schiller ließ eine von ihm gehaltene Trauerpredigt drucken. Da diese Predigt im ganzen Lande verkauft wurde, stiftete er den ] ganzen Reinerlös für die Waisenkinder.
 
Am 19. Mai des Jahres 1809, "abends um halb sieben Uhr brach in Harkau eine schreckliche Feuersbrunst aus" (Schiller). Alle Häuser der Nordwestseite des Dorfes bis zum Bach hinunter - mit Ausnahme des evang. Pfarrhauses und der Kirche - wurden eingeäschert. 50 Familien waren obdachlos geworden. "Das Elend der Obdachlosen wurde noch dadurch vergrößert, daß 10 Tage nach dieser Feuersbrunst, am 29. Mai, 1100 Mann französisches Militär in Harkau einquartiert wurde;" vermerkt Pfarrer Schiller. Die Bauern konnten nun beim Wiederaufbau der eingeäscherten Häuser nicht zusammenhelfen, kaum Nachbarschaftshilfe leisten, wie es sonst seit eh und je in Harkau üblich, Sitte und Brauch war, sondern mußten oft tage - und wochenlang Frondienst für die Franzosen leisten, deren Proviant befördern und die durchziehenden Soldaten und deren Pferde verpflegen. Nach der Schlacht bei Kismegyer, nahe Raab (Györ), am 14. Juni 1809, bei der der ungarische Adel seine letzte Schlacht in der Geschichte schlug - und verlor - besetzten die Franzosen die beiden Komitate Raab und Ödenburg. Sie belasteten die Bevölkerung nicht nur durch Einquartierung sondern durch hohe Naturalablieferungen und Kontributionen. So mußte das Komitat Ödenburg im Monat August an die Franzosen folgende Naturalien abliefern (umgerechnet in dz oder dt): Getreide: 395, Hafer: 395, Schmalz: 296, Salz: 20, Heu: 4282, Wein: 530 hl, Schnaps: 51 hl. Außerdem mußte jede Gemeinde zwischen 1000 und 2000 Gulden Tribut den Franzosen entrichten. Natürlich mußten da auch die Harkauer ihren Teil abliefern, ob es von der Behörde berücksichtigt wurde, daß ihr halbes Dorf eingeäschert war, ist mir nicht bekannt. Aus dem Jahre 1805 liegt eine Aufschlüsselung vor, aus der hervorgeht, daß Harkau - für den Krieg in Oberitalien - folgende Naturalien in das Verpflegungsmagazin nach Ödenburg abliefern mußte: 3860 Brotrationen, 75Y2 (=47 dz) Hafer und 131 Zentner (74 dz) Heu. Allmählich zogen sich die Franzosen doch zurück, "aber der Durchmarsch, die Verpflegung von Mensch und Tier, Plünderung und Belästigungen der Bevölkerung dauerte bis 14. September an, als die letzten Franzosen Harkau verließen", ! schreibt Schiller. Der Fleiß, der Lebenswille und die gegenseitige Hilfsbereitschaft der Bewohner führte auch diesmal dazu, daß die abgebrannte Häuserreihe auch wieder unter Dach kam.
 
- Noch eine kleine Anekdote aus dieser so traurigen Zeit, will ich hier erzählen, so, wie sie! in Harkau von Generation zu Generation weitererzählt wurde: Als französische Offiziere in Harkau einquartiert waren, verlangten sie auch, daß ihnen Harkauer Hausfrauen eine ganz besonders gute Torte backen sollten! Anscheinend hatten sich die Harkauer Hausfrauen auch Mühe gegeben, die Torte nicht nur gut sondern auch "schön" zu gestalten, so daß die französischen Offiziere beim Anblick der Torte, als sie Ihnen auf den Tisch gestellt wurde - halb französisch, halb deutsch - ausriefen: "Bel-Essen", was so viel wie "schönes Essen" heißen sollte. Seit dieser Zeit wurden diese Torten (nur) an Kirchweih (mit kleinen Rezeptabweichungen auch in Agendorf) als Harkauer Spezialität angefertigt und führten bis zur Vertreibung den Namen: "Bölassn".
 
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)