Die Unterrichtssprache in der Schule in einer rein deutschen Gemeinde, am Rande des große deutschen Sprachraumes war natürlich während der Jahrhunderte deutsch. Als Reaktion als die Bestrebungen Kaiser Josef II., als Unterrichts- und Verwaltungssprache in seinem ganze Reich die deutsche Sprache einzuführen und auf die "Prophezeiungen" Herders, daß die ungarische Sprache dem Untergang geweiht sei, versuchten die Magyaren, ihren ohnehin schon vorhandenen Nationalstolz noch dahin zu erweitern, daß sie alle Mittel einsetzten, um die Verbreitung der ungarischen Sprache zu forcieren. Dieses oft chauvinistische Bemühen führte so weit, daß binnen eines knappen Jahrhunderts in sämtlichen Elementar-(Volks-)schulen der Nationalitäten des Landes, Ungarisch die Unterrichtssprache war. Sehr zum Leidwesen der betreffenden Schüler, der Eltern, ja der magyarischen Idee selbst, wie es sich später herausstellen sollte.

Als Reaktion auf Josef II. Bestrebungen wurde nach dessen Tod schon 1796 im Komitat Ödenburg eine Kommission gebildet, deren Aufgabe es war, auf welchem Wege und auf welche Weise die ung. Sprache verbreitet werden könne. Auf der Komitatssitzung von 1829 wurden die Ergebnisse dieser Kommission erörtert und eine diesbezügliche Verordnung herausgegeben. Den Gemeinden - und Pfarrämtern beider Konfessionen - wurde diese Verordnung zwecks Einhaltung bekanntgegeben. In diesem Schreiben vom 24. Januar 1831 heißt es (auszugsweise):

  1. Da in den deutschen und kroatischen Gemeinden des Komitates Ödenburg die Verbreitung der ung. Sprache nur über die Schule möglich ist, ist es notwendig, daß ab Schuljahr 1831 nur solche Lehrer angestellt werden, die nicht nur ung. sprechen sondern auch unterrichten und korrespondieren können. Die Lehrer sollen vor der Anstellung der Stuhlrichter (entspricht etwa dem Landrat) vorgestellt werden, der die Bescheinigung für die entsprechenden Kenntnisse der Lehrer in der ung. Sprache erteilt.
  2. Aus Erfahrung wissen wir, daß viele Eltern ihre Kinder nicht, oder nur unregelmäßig in die Schule schicken. Die Pfarrer und Prediger sollen kontrollieren, ob die Mädchen vom 6. Bis 10. und die Knaben vom 6. bis 12. Lebensjahr die Schule regelmäßig besuchen. Um die Fortschritte im Erlernen der ung. Sprache kontrollieren zu können, sollen jährlich um die Osterzeit "Vorexamen" durchgeführt werden, bei denen die Pfarrer oder Prediger, Vertreter ( Grundherren und der Stuhlrichter oder dessen Vertreter anwesend sein sollen. Schüler deren ung. Sprachkenntnisse gute Fortschritte gemacht haben, sollen eine besondere Belohnung erhalten, ebenso deren Lehrer(!).
  3. Die Schulen, oder wenigstens die Kirchenbezirke, sollen zur Hebung der ung. Sprachkenntnisse Bücher ung. Autoren anschaffen. (Als Gegenzug wurde von den bewußt deutschen Harkauern ein Leseverein mit nur deutschen Büchern gegründet.
  4. Die Grundbesitzer werden gebeten, auf ihren Gütern nur ung. Gutsverwalter, nur ung. Abeiter und Hajduken anzustellen, und Abrechnungen in ung. Sprache durchzuführen.
  5. In Zukunft sollen in den Gemeinden nur solche Richter gewählt werden, die die ung. Sprache beherrschen.
  6. Ab 1831 werden Rundschreiben nur in ung. Sprache herausgegeben.
  7. Auf sämtlichen öffentl. Säulen und Gedenksteinen darf die Aufschrift nur noch in ung. Sprache erfolgen. Die Bürgerbücher (in Ödenburg u. Rust) werden ungarisch geführt. Die städtische Bevölkerung ist aufzurufen, in ihrer Kleidung nicht die Deutschen nachzuäffen, sondern die Kleidung der "weltbekannten tapferen ung. Soldaten" zu tragen. Statt des bisher getragenen deutschen Mantels sollen sie den ung. Mantel tragen.
  8. Damit die deutschen Handwerker auch ungarisch lernen, wird über die Zunft angeordnet, daß die Zunft ab 1831 keinen Lehrling freispricht, der die ung. Sprache nicht beherrscht.
  9. Es werden Gutsbesitzer aufgezählt, die Beträge zur Anschaffung ung. Bücher zur Verfügung stellten.

Inwieweit und in welchem Maße diese Verordnung auch in Harkau angewandt wurde, darüber haben wir keine Berichte. Die Kirchenprotokolle wurden auch weiterhin deutsch geführt. Allerdings werden ab 1.1.1834 die Matrikelbücher in ung. Sprache geführt. Der Sprachstil- vom Rechtschreiben ganz zu schweigen - ist mehr als primitiv. Für Kenner der ung. Sprache sei nur ein Satz zitiert: "... Hogy ezen oskolai Intezetek a Nemzeti tzel hasnos eszköszül szolgaljanak ..." Aus dieser Verordnung vernehmen wir schon den Geist der Magyaren des 19. Jahrhunderts, den der "größte Ungar" Stephan Szechenyi, so ausdrückte: "Nyelveben el a nemzet", zu deutsch: In ihrer Sprache lebt die Nation. In dieser "Magyarischen Nation" aber sollten sämtliche Nationalitäten zu Magyaren vereinigt werden, ohne Rücksicht auf deren ureigenes Recht, die Sprache ihrer Ahnen zu sprechen. "Sie sollten ungarisch denken, reden und fühlen, kurz: zu echten Magyaren werden?" Sie hielten sich durchaus nicht an das Sprichwort: "Was du nicht willst, das man dir tu (Josef II.!), das füg auch keinem andern zu".

Nach dem mißlungenen Freiheitskrieg der Ungarn, in den Jahren 1848/49, in dem merkwürdigerweise die Deutschen, auch aus Harkau, Ödenburg und den anderen Gemeinden, auf Seite der Magyaren gegen das Kaiserhaus standen, wurde wieder die deutsche Sprache in den Vordergrund gestellt Jedoch nach dem "Ausgleich" zwischen Ungarn und dem Kaiserhaus im Jahre 1867 (ein Jahr nach Königgrätz!) setzten die Ungarn ihre Magyarisierungsanstrengungen im ganzen Lande fort. Für das Unterrichtswesen an staatl. Schulen wurde das Gesetz vom 1. Dez. 1868 Art. 44 von ausschlaggebender Bedeutung. Darin heißt es u. a.: "es ist Sache des Kultusministers, in den vom Staat errichteten oder zu errichtenden Schulen die Unterrichtssprache zu bestimmen. In den Gegenden, wo Staatsbürger einer bestimmten Nationalität in größeren Massen zusammenleben, ist der Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Staatsbürger in ihrem Bereiche eine bis zur Schwelle des akademischen Studiums reichende Schulbildung in ihrer Muttersprache erwerben können..." Die Väter dieses Gesetzartikels meinten es mit den fremdsprachigen Bewohnern des Landes noch gut, jedoch die Durchführungsbestimmungen in den "Staatlichen Schulen" sahen leider ganz anders aus, schreibt der Verfasser des Ujszentivaner Heimatbuches. Da die Schule in Harkau eine Konfessionsschule, also keine vom Staat sondern von der Kirche erhaltene Schule war, konnten die Harkauer an der deutschen Unterrichtssprache auch weiterhin festhalten. Allerdings waren die Harkauer bestrebt, ihre Kinder, besonders die Buben, trotzdem die ung. Staatssprache besser erlernen zu lassen. Aus diesem Grunde wurde ein Großteil dieser nach der Schulentlassung (mit 12 Jahren) zu einer ung. Familie in einem rein ung. Dorf "in Tausch" gegeben. Dafür kam nämlich ein Kind dieser ung. Familie in die Harkauer Familie, um deutsch zu lernen. Da diese "Tauschkinder" dann meist noch ein Jahr freiwillig die ung. bzw. deutsche Schule besuchten, wurde Wert da- rauf gelegt, daß dieser Tausch mit Familien in evang. Gemeinden stattfand. Die Harkauer Kinder kamen meist nach Nemesker, Farad, Beled, Vönöck "in Tausch", da sie die dortigen evang. ungarischen Schulen freiwillig besuchen konnten. Andere Buben gingen auch als "Kleinknechte" für ein Jahr in ein ungarisches Dorf, also nicht in Tausch. Um 1900 verstand schätzungsweise ein Viertel der männlichen Jugend die ung. Sprache und konnte sie auch sprechen. Später waren es etwas mehr. Auch Mädchen gingen da schon "in den Tausch".

Ihren Höhepunkt erreichte diese Magyarisierungswelle kurz nach dem "Milleneumsjahr", das in ganz Ungarn besonders groß gefeiert wurde. 1896 war es tausend Jahre, daß die Magyaren unter ihrem Führer Árpad in den Karpatenraum eingedrungen waren. So lernten die deutschen Schüler in den "Elementarschulen" (ob auch die Slowaken, Serben, Kroaten, Rumänen?) den aus den ung. Geschichtsbüchern wortwörtlich ins Deutsche übersetzten Satz: "Vor tausend Jahren kamen unsere Ahnen unter Leitung ihres Führers Árpad über den Vereckeier- Paß in unsere Heimat.. ?"

Ab März 1894 wurden auch die Matrikelbücher in Harkau wieder in ungarischer Sprache geführt. Bis zum Schuljahr 1901/02 begann und endete das Schuljahr an Ostern (in Deutschland bis 1937!) Ab 1902 sollte das Schuljahr am 1. September jeden Jahres beginnen und im Juni mit den großen Feiern schließen. Die obligatorischen Examen der Schüler wurden am letzten Sonntagnachmittag des Schuljahres, meist zwischen 10. und 17. Juni, in der Kirche abgehalten. Dieser Brauch wurde bis zur Vertreibung beibehalten.
Noch verheerender für die Schüler der Nationalitäten in Ungarn sollte das berüchtigte Schulgesetz des Kultusministers Graf Albert Apponyi aus dem Jahre 1907 werden. Es sollte den Todesstoß der deutschsprachigen Schulen in Ungarn sein. Wollten die Magyaren und "Magyaronen" (= Assimilierten) seit 1829 nur indirekt ihre Nationalitäten magyarisieren, assimilieren, zu Magyaren machen, so tritt diese Einschmelzungsabsicht im obigen Schulgesetz offen zu tage. Es heißt nämlich darin: "... In sämtlichen Elementarschulen Ungarns (also auch in den Nationalitäten-, Konfessions- und Privatschulen!) muß die ungarische Sprache so gelehrt und gepflegt werden, daß jedes Kind auch nicht ungarischer Muttersprache ab 5. Schuljahr seine Gedanken mündlich und schriftlich in der Staatssprache verständlich ausdrücken könne..." Das bedeutete, daß die Kinder in sämtlichen Schulfächern in ungarischer Sprache unterrichtet wurden. In ihrer Muttersprache wurde nur die Religion unterrichtet, sofern in den Konfessionsschulen der Pfarrer, der Senior, die Eltern das wünschten. In der Harkauer Schule wurde die Religion auch weiterhin in deutscher Sprache unterrichtet. Nachdem aber die Schulaufsichtsbehörden von nun an in den Schulen, die von deutschen (slowakischen, kroatischen, rumänischen, serbischen) Kindern besucht wurden, nur den Kenntnisstand in ungarischer Sprache prüften, legten die Lehrer - schon allein aus reinem Selbsterhaltungstrieb darauf den größten Wert, die ung. Sprachfertigkeit ihrer Schüler zu forcieren. Daß dabei der Deutschunterricht total vernachlässigt wurde, ist eine traurige Tatsache. Die Kinder, die von 1907 die Schule besuchten, konnten später weder deutsch noch ungarisch rechtschreiben, denn daheim wurde auch weiterhin - wenigstens in Harkau und in den anderen westungarischen Gemeinden - noch deutsch gesprochen. "Das Ergebnis dieser Schulpolitik war ein katastrophaler Bildungsnotstand der - Nationalitäten - Bevölkerung", schreibt M. Lang in seinem Buch über Mörbisch. Dasselbe gilt natürlich auch für Harkau. So schrieb eine Harkauerin nach 1946 noch ihren Namen "Báder", also mit einem Strich auf dem a, denn ohne diesen Strich wird das a im Ungarischen, (wie sie es gelernt hat) als Zwischenlaut von o und a gesprochen.
Eine Verwandte von mir, die in dieser Zeit die Schule besuchte, deklarierte mir Ende der 70er Jahre das im Jahre 1910 gelernte ungarische Gedicht: "Magyar az en nemzetsegem, az en büsz-kesegem?". Als ich sie fragte, ob sie wisse, was das bedeute, verneinte sie es. Nach meiner Übersetzung: "Ungarisch ist meine Nationalität, das ist mein ganzer Stolz..?", war sie selbst entsetzt, daß sie als Kind so etwas lernen mußte. "Vor diesem kulturellen und völkischen Niedergang - denn mit der Zeit hätte sich eine solche Bildungspolitik schon negativ auf die Kultur eines Volkes ausgewirkt - hat der Zerfall der Monarchie bewahrt", schreibt Michael Lang.

Diese Fehlentwicklung erkannte der Ministerpräsident des Landes, Graf Tisza und gab 1917 im ung. Parlament folgende Erklärung ab: "Ich habe mich davon überzeugen müssen, daß wir unsere treuesten, sichersten Stützen, die stärksten Vertreter der ungarischen nationalen Politik, jene deutschen und slowakischen Mitbürger, die mit Herz und Seele mit uns halten, uns entfremden, sie der Agitation ausliefern und zu unseren Feinden machen, wenn wir den Unterricht in ihrer Muttersprache nicht gestatten...?" Diese Einsicht kam reichlich spät, denn der Zerfall des Vielvölkerstaates Ungarn war mit Ausbruch des 1. Weltkrieges eingeleitet worden.

Die Quittung für diese chauvinistische Politik, auch der falschen Schulpolitik, erhielt das Land am Ende des Ersten Weltkrieges. Aufgrund der Wilson'schen Deklaration, laut welcher die Bevölkerung über ihre Zugehörigkeit zu einem Staat entscheiden könne, strebten die Nationalitäten von Ungarn weg; die Serben, Wenden, Kroaten wollten zu dem neu gegründeten Staat Jugoslawien, die Rumänen zu Rumänien, die Slowaken und Ruthenen zur Tschechoslowakei. Als bekannt wurde, daß der Vielvölkerstaat zerstückelt werden sollte, wurde Graf Apponyi zu den Friedensverhandlungen nach Trianon Paris gesandt, um vielleicht doch die schlimmste Zerstückelung des Landes verhindern zu können. Als dieser angeblich seine rhetorisch glänzend ausgefeilte Ansprache vor den Politikern in französischer, englischer und italienischer Sprache hielt und beweisen wollte, daß Ungarn so zerstückelt nicht lebensfähig sei und daß die verschiedenen Völkerschaften in Ungarn friedlich zusammengelebt hätten, entgegneten ihm die bei den Friedensverhandlungen anwesenden Vertreter der Slowaken, Rumänen, Serben, Kroaten, Slowenen: Sie waren doch der Kultusminister des Landes, der 1907 das für .4ie Nationalitäten so verheerende Schulgesetz herausgegeben hat. Laut dieses Gesetzes sollen alle Nationalitäten Ihres Landes zu Magyaren gemacht werden. Unsere Nationalitäten lassen sich nicht mehr unterdrücken, sie wollen den Anschluß zum tschechischen, rumänischen, jugoslawischen Staat! (Umso mehr bin ich erstaunt, was ich über die Schulpolitik Rumäniens zwischen den beiden Weltkriegen im Heimatbuch "Alt-Posttal", Bessarabien, gelesen habe. Im allgemeinen sagt man doch "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!" Die Rumänen hatten mit Recht gegen die nationalistische Schulpolitik der Ungarn vor 1914 aufbegehrt. Aber die Rumänisierungsbestrebungen gegenüber den 1919 an Rumänien angeschlossenen Bessarabien-Deutschen hat die chauvinistischen Bestrebungen der Magyaren noch weit übertroffen).
Die Zerstückelung des Landes konnte auch die übe stürzte Ernennung Jakob Bleyers als Minister für Nationalitätenfragen im Jahr 1919 nicht aufhalten. Ungarn verlor den größten Teil seines Gebietes an die Nachbarstaaten und damit mehr als die Hälfte seiner Bewohner.
Im Jahre 1921 tauchte auch in Harkau das Problem der deutschen Unterrichtssprache wieder auf. Ihre Wortführer waren - laut Eta Prückler - Samuel Payer (Siegel) und Samuel Payer (Deutsch). Sie und ihre Freunde wünschten, daß Lehrer Benedek mehr Deutsch unterrichten sollte, "statt die Kinder mit der ung. Sprache zu quälen, die sie doch nicht verstehen." An die, Schulbehörde in Ödenburg richteten sie ein Gesuch und verlangten, daß in der Harkauer Schule mehr deutsch unterrichtet werden solle, wozu jedoch Lehrer Benedek nicht bereit sei. "Da man das Gesuch nicht einfach ignorieren konnte, erschienen eines Tages unangemeldet Herren aus Ödenburg (wahrscheinlich Schulräte!) und prüften die Schüler...?", erinnert sich Eta, die damals Schülerin bei Lehrer Benedek war. Nach einigen Wochen wurden sowohl die Beschwerdeführer wie auch der Gemeindevorstand benachrichtigt, daß die Vorwürfe gegen Lehrer Benedek unbegründet seien. (Es war vorauszusehen, daß man einen Lehrer, der zu viel Ungarisch unterrichtet, nicht bei Schulräten verklagen kann, die immer noch im Geiste der Apponyi'schen Schulgesetze ihren Dienst ausübten!). Mit dieser Antwort der Schulbehörden waren die Kläger und ihr Anhang nicht einverstanden, darum wurde das Thema wiederholt auch in der politischen Gemeinde erörtert. Anscheinend war aber dieses Problem auch in den anderen deutschsprachigen Gemeinden aufgetaucht, "denn zur allgemeinen Überraschung erhielt die 'Gemeindevorstehung' eine Einladung, sie möge mit 3-4 Männern an einer Delegation teilnehmen, die zwecks Einführung der deutschen Unterrichtssprache bei Ministerpräsident Graf Bethlen eine Audienz erhalten?" (Vermutlich war es nur ein Lockmittel, um die deutsche Bevölkerung der Umgebung Ödenburgs dazu bewegen, für Ungarn zu votieren. Die Initiatoren dieser Audienz waren u. a. Dr. Jakob Bleyer, Budapest, und Pfarrer Dr. Johannes Huber aus Ödenburg, die, beide deutscher Muttersprache, sich aber für den Verbleib Ödenburgs bei Ungarn einsetzten). Mitglieder dieser 40köpfigen Delegation waren, laut Eta Prückler, aus Harkau: Richter Gottlieb Prückler, Vizerichter Michael Thumberger und Gottlieb Ruiß. Die Delegation wurde vom Ministerpräsidenten freundlichst empfangen und als der Agendorfer Bauer Michael Kirchknopf, der damals Abgeordneter im Ung. Landtag war, in ung. Sprache Bethlen einige Fragen stellte, erwiderte dieser: "Schon gut, Herr Kirchknopf, Sie können deutsch mit mir sprechen, ich habe schon als Kind deutsch gelernt, und wie man mir versicherte, spreche ich sehr gut deutsch," schreibt Eta Prückler. Laut Dr. Johannes Huber wurde einem Mitglied der Delegation ein Memorandum vorgelesen, in dem sie aufgrund des Gesetzes von 1868 die Einführung der deutschen Unterrichtssprache in den Volksschulen verlangten. (Wortlaut des Memorandums bei Dr. Joh. Huber!) Eta Prückler schreibt weiter: "... Delegation erhielt vom Ministerpräsidenten das Versprechen, daß alle vorgebrachten Wünsche nach der Volksabstimmung in Ödenburg und Umgebung erfüllt werden..." (Daraus ist m. E. der wahre Zweck der Audienz der Delegation beim Ministerpräsident ersichtlich). Leider hatten die Magyaren nach der Zerstückelung ihres Landes, nach dem Trianoner-Friedensvertrag betreffs ihrer Nationalitätenpolitik nichts hinzu gelernt. Die Magyarisierungswelle in "Rumpfungarn" - wie das Land nach 1920 genannt wurde - nicht unterbrochen worden, wenn auch in den Elementarschulen die Zügel etwas lockerer gehalten wurden. Es gab auch nach 1920 keine deutschsprachige Mittelschule, Handelsschule, kein deutschsprachliches Gymnasium (bis 1940!). Meines Wissens gab es bis 1940 auch nur eine Lehrerbildungsanstalt in Ungarn, in der man gleichzeitig das Lehrerdiplom für ungarische und deutsche Unterrichtssprache erlangen konnte, es war dies die Evang. Lehrerbildungsanstalt Ödenburg.
Schüler wurden in den Mittelschulen, Gymnasien in einem ung. chauvinistischen Geist erzogen. Die Deutschen wurden lächerlich gemacht, bes. in den "Kurutzen-Liedern" (Siehe u: Dr. Weidlein in "Pannonica") Es sei mir hier gestattet, ein diesbezügliches eigenes Erlebnis kurz zu schildern. Als ich das erste Jahr die Mittelschule in Ödenburg besuchte, unterhielt ich mich auf dem Schulweg mit einem meiner deutschen Klassenkameraden in deutscher Sprache. Da überholte uns unser Klassenlehrer, blieb vor uns stehen und sagte - natürlich in ungarisch! - "Schämt ihr euch nicht, mit der Schülermütze unserer Schule auf dem Kopf, auf der Straße deutsch zu sprechen?" Also war für Schüler einer höheren Schule, auf der Straße deutsch zu sprechen "eine Schande!".
Für die Volksschulen oder "Elementarschulen" in Nationalitätengebieten Ungarns wurden nach 1922 drei Typen zugelassen, die Typen A, Bund C. Im Schultypus A war die Unterrichtssprache die Sprache der Nationalität, in unserem Fall deutsch. Die Staatssprache (ungarisch) wurde als Pflichtsprache mit 5 Wochenstunden unterrichtet. Im Schultypus B wurde zweisprachig, ungarisch und deutsch unterrichtet. Die Realgegenstände (Naturgeschichte, Naturlehre, Wirtschaftslehre) und deutsche Sprache wurden deutsch, die Humangegenstände (Geschichte, Verfassungslehre, Erdkunde und ung. Sprache) wurden ungarisch unterrichtet, Religion in der Muttersprache und Rechnen in beiden Sprachen. Im Schultypus C wurde nur dle Religion und Deutsch als Pflichtfach, alle anderen Fächer aber in ung. Sprache unterrichtet. Welcher von den drei Schultypen eingeführt werden sollte, das hatte der Schulträger im Einvernehmen mit den Eltern der Schüler zu entscheiden. In Harkau mußte die evang. Kirchengemeinde beschließen, da die Schule eine Konfessionsschule war. Selbstverständlich entschloß sich die Kirchengemeinde aufgrund der Wünsche der Eltern für den Typus A. Pfarrer und Lehrer akzeptierten diesen Beschluß. Es gab aber sehr wenige Schulen dieses Typs in Ungarn. In den eisten Schulen der deutschen Dörfer, besonders in den staatlichen und kath. Volksschulen, war der C-Typus eingeführt worden. Die Volksschule - oder Elementarschule - mußte von Knaben und Mädchen sechs Jahre besucht werden. Ab 1940 wurde die Schulpflicht aufgrund eines Gesetzes auf acht Jahre ausgedehnt. Wie sehr die Schuljugend zwischen beiden Weltkriegen in ganz Ungarn im "Irredenta"-Geist erzogen wurde, ist vielleicht aus der Tatsache am ersten ersichtlich, daß jeder Unterrichtstag mit dem ung. Gebet begonnen und beendet wurde n den Schulen mit A-Typus wurde es ungarisch und deutsch gebetet: "Ich glaube an einen Gott, ich glaube an ein Vaterland, ich glaube an eine ewige göttliche Gerechtigkeit, ich glaube an Ungarns Auferstehung. Amen". Als sich die Schüler nach dem Unterricht in Zweierreihen aufgestellt hatten, verabschiedeten sie sich vom Lehrer in ungarischer Sprache mit den Worten: "Isten vele! Szebb jövöt!", zu deutsch: "Gott mit Ihnen! Eine schönere Zukunft!".
Obzwar die Geschichte unserer Heimatgemeinde mit der Aussiedlung 1946 beendet wird, sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß die jetzige ung. Regierung (1986) anscheinend aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Bei meinen Besuchen in Ungarn und aus den Veröffentlichungen erfahre ich immer wieder, daß in den Schulen - auch in den Volksschulen - den relativ wenigen Deutschen - die in Ungarn verbleiben konnten - und ihren Nachkommen, die Möglichkeit geboten wird, Deutsch zu lernen. Der Fünfkirchener Radiosender strahlt täglich Deutschstunden aus, usw. Wäre man in der Horthy-Ära uns Deutschen so weit entgegen- gekommen, wäre die Nationalitätenpolitik nicht so chauvinsistisch betrieben worden, sicher wäre vieles, vieles anders verlaufen!
Quelle: "Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)