Kam ein Bauernbursche so in die zwanziger Jahre, mußte er sich langsam allen Ernstes um ein Mädl umschauen. Im allgemeinen heirateten die Wandorfer Burschen ein Mädl aus dem Dorfe nach dem erprobten Grundsatz: "Heirat iwan Mist, so woast weas is!" Hatte ein Bursch ein Verhältnis zu einem Mädchen, so machte er diesem ab und zu Geschenke, kam öfters verschwiegen mit ihm zusammen und schenkte ihm bei Festen und vor allem beim Tanz mehr Aufmerksamkeit als den anderen. War er soweit selbständig, dass er glaubte, eine Familie ernähren zu können, und war das Mädchen mit ihm einig, so wurden die Vorbereitungen zur Hochzeit ge- troffen. Aber damit war noch nicht geheiratet, der letzte Gang, man kann wohl sagen der schwerste, war noch nicht getan! So schwer er auch war, er mußte doch gemacht werden. Der Bräutigam mußte demütigstens seinen zukünftigen Schwiegervater um die Hand seiner Tochter bitten, der sie ihm in den meisten Fällen auch nicht verweigerte.
 
Bevor aber der Bräutigam um sein Mädl warb, schickte er einen vertrauten "Boten" ins Elternhaus der Braut, der eigentlich um die Hand des Mädchens anhielt. Das Begehren des Bräutigams war nur eine Formsache. Der "Böttmann " verlangte die Braut mit folgender Rede:
 
"Meine lieben Freund, ihr werd mir' s nicht übel aufnehmen, dass wir Euch so eilends überlaufen tun. Ihr werd Euch wohl zu erinnern wissen, dass Gott der Allmächtige den ehrsamen NN und seine Ehewirtin mit einem Sohn erfreut hat und haben ihn auch fleißig angehalten zu allen Guten, zur Kirche und Schule und hat auch gelernt, dass nicht gut ist, dass der Mensch allein sey, sondern er soll sich um eine Gehülfin umsehen, die um ihn sei. So hat er sich auch umgesehen unter dem weiblichen Samen und Geschlecht und hat sich eine auserkoren und in sein Herz eingeschlossen, nämlich Eure Jungfrau Tochter NN. Zu der hat er seines Herzens Lust und Liebe gesetzt und so hat er mich ersucht, ich soll ihm einen Gang zu Gefal- len tun. Und da ich ihm solches nicht abschlagen kann, so bin ich hieher kommen in Eure Behausung, zum ersten auf einen guten Bescheid, zum zweiten auf ein christliches gewisses Jawort. So sollen wir eine christliche Heirat schließen bis auf priesterliche Hand. So möchte ich Euch bitten, meine lieben Freund, ihr wollet meine wenigen Worte gar wohl vernommen haben."
 
War dann alles gut abgelaufen, wurde "'s Vaspreicha" abgehalten, da I darin bestand, dass der zukünftige Schwiegervater und der Bräutigam sich über das "Mitbringsel" der jungen Leute einigten. Wegen der Wichtigkeit der Angelegenheit brachte der Bräutigam seinen Beistand mit. Auch die Verwandten der Braut waren zugegen, dass ja alles "mit guitn Dinga zuigeht." Konnte man sich einigen, so wurde alles zu Papier gebracht. Das war dann der sogenannte "Heuratskontrakt". Einen solchen konnte ich besorgen, er lautet:
 
"Im Namen der heiligen Dreyeinigkeit ist am Ende gesetzten Tag und Jahr zwischen den ehrbaren und bescheidenen Leopold Leurer, Mitnachbar in Wandorf, mit dessen gewesenen nunmero seligen Ehewirthin Elisabeth geborene Schwenkin, beider ehrlich erzeugten Sohn, ledigen Standes, als Jungherrn Bräutigam, an einem; und der ehr- und tugendsamen Jungfrau Maria Lamplin des weyland ehrbaren und bescheidenen Michael Lampel, geweßten Mitnachbars in Agendorf, nunmero selig, mit denen hinterlassenen sich noch am lebende findende Ehewirthin Katharina, geborene Grafin, beide ehrlich erzeugten Tochter als Jungfrau Braut, ander Theils, in Gegenwart bescheidener und ehrengeachter Zeugen; als auf des Jungherrn Bräutigam Seiten Matthias Müllner, Mitnachbar und der Zeit Gerichtsgeschworener in Wandorf und Samuel Leurer ebenfalls ein Mitnachbar daselbst; dann auf der Jungfrau Braut Seiten: Paul Wödl Mitnachbar und der Zeit Gerichtsgeschworener in Agendorf und Johann Ehnl Mitnachbar und der Zeit Gemeindegeschworener in Wandorf nachfolgender Heurathskontrakt beschlossen und zu Papier gebracht worden; als:
 
Erstens versprechen beide Brautpersonen (so wie allen christlichen Eheleuten gebühret) einander Zeitlebens alle fromme christliche Lieb und Threue zu erweisen.
 
Zweitens giebt der Bräutigam Vater seinem Sohne dem Jungherrn Bräutigam für seine Jungfrau Braut und künftige Ehewirthin zu einem richtigen Heurathsgut: 1. einen Jochacker zum alljährigen Genuß. 2. abermals einen Jochacker samt der heurigen Fechsung. 3. Verpflichtet sich noch der Bräutigam Vater, das einstmalig an seinem Sohn, dem jetzigen Jungherrn Bräutigam, von seiner Schwiegermutter Katharina Lamplin zu überkommende Lamplische Haus per 600 W. W. Schätzungspreis aus seiner eigenen noch unverteilten Wirtschaft, ohne Nachtheil und Schaden des oft erwähnten Bräutigams baar zu bezahlen und so dann der Jungfrau Braut 1 Masselhaus frey und ledig zu verheurathen. - Hingegen verbindet sich auch die Brautmutter, ihr Haus weder bey Lebzeiten noch nach ihrem Absterben an jemanden andern, als an diesen ihren jetzigen Schwiegersohn Leopold Leurer zu überlassen.
 
Wann sich aber nach Gottes Willen unter beiden Brautpersonen ein Todesfall ohne hinterlassene Leibeserben ereignen sollte: so wird die Verabmittlung unserer löblichen Grundherrschaft der königlichen Freystadt Oedenburg den Landesgesetzen gemäß überlassen.

Slüßlich sind auch oft erwähnte Brautpersonen nach einer 3maligen Verkündigung durch den wohl ehrwürdigen und wohl gelehrten Herrn Johann Kalchbrenner, Prädiger der evangelischen Gemeinde in Agendorf, nebst Filialen Wandorf und Loipersbach nach christlichem Gebrauch ordentlich copuliert werden.

 
Zu mehrer Versicherung alles Obigen ist dieser Heurathskontrakt von dem Bräutigam Vater, dem Jungherrn Bräutigam und denen Zeugen eigenhändig unterschrieben und mit ihren Petschaften bekräftigt worden. So geschehen in Wandorf am 1. Juni 1813:
 
Katharina Lamplin
Matthias Müllner als Zeug
Michael Lämbal als Zeug
Leopold Leyrer als Bräutigam Vater
Samuel Leyrer als Zeug,
Johann Ehnl als Zeug
Paul Wödl als Zeug.
 
Manchmal kam es jedoch vor, dass sich Bräutigam und Schwiegervater nicht einigen konnten. In solch einem Falle mußten Bräutigam und Beistand ohne Essen und Trinken abziehen, obzwar die Tafel schon festlich hergerichtet war" (So erging es dem Großvater meines Freundes, der erst nach 2jähriger Wartezeit mit seinem Schwiegervater einig wurde, indem er dessen Bedingungen akzeptierte.)
 
War der Kontrakt glücklich "aufgseizt gwoatn", konnte der Hochzeitstag festgesetzt werden. Bei uns in Wandorf gab es in früheren Zeiten keine Verlobung, wie es in der Stadt Sitte war. War der Kontrakt festgelegt, so galten Bursch und Mädl als Brautleute und wurden dann drei Sonntage hindurch "vakinnt".
 
Der Bräutigam war sehr stolz auf seine Würde, die Braut hingegen traurig, da sie ja in kurzer Zeit das Elternhaus verlassen mußte. War der Kontrakt unter Dach und Fach, so begann das Einladen der Gäste, das aber nur ; an Sonntagen geschah. Am ersten Sonntag luden die festlich gekleideten Brautleute die Ledigen, am zweiten Sonntag die Beistände die Verheirateten ein. Braut und Bräutigam brachten ihr Vorhaben mit schlichten Worten vor; die Beistände hingegen, meistens ältere Männer, zeigten ihre ausgebildete "Spreichkunzt", indem sie ihre mit viel Mühe zusammengestellte Rede feierlich vortrugen: "
 
"Nun meine lieben Herrn und Freund, ihr werd uns nicht in Übel aufnehmen, dass wir euch jetzt überlaufen tun, denn wir sind geschickte Boten von unsern Jungherrn Bräutigam wie auch von seiner vielgeliebten Jungfrau Braut, und uns nämlich der ehrsame Jungherr Bräutigam ersucht hat, ihm ein oder zwei Gang zu Gefallen tun. So hat er sich einen Tag ausersehn, als nämlich den künftigen Sonntag, zu seinem christlichen Ehrentag. So hat er uns gesandt, dass wir sollen einladen Herrn und Fraun, Jungfraun und Junggesellen, die ihnen ihren christlichen Ehrentag sollen helfen führen zu Kirchen und Gassen, und zur christlichen Cuplation, und nach all dieser Verrichtung wiederum zurück ins Jungherrn Bräutigam seiner Eltern Behausung. Da wird man Euch setzen lassen zwischen allen andern eingeladenen Hochzeitsgästen. Da wird man Euch lassen vortragen Brot, Wein und andere Speisen und Gaben Gottes, was ihnen Gott der Allmächtige durch seinen mildreichen Segen bescheret hat. So möchten wir bitten, ihr wollet uns gute Boten sein lassen und wollet zu rechter Zeit erscheinen."
 
Nach dem dritten Sonntag fand dann die Hochzeit statt. Die Eheschließungen wurden gewöhnlich in der Faschingszeit abgehalten, nur die "Unealichen" heirateten "zan neichn Wei." (Nach der Weinlese). Der Hochzeitstag fiel gewöhnlich auf den Dienstag nach der dritten Abkündigung.
 
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Hochzeitspaar im Jahre 1909: Samuel Graf (Pfitsch) mit Frau Katharina, geb. Brand
 
Im Brauthaus wurde schon Tage vorher gekocht, gebraten, gebacken und das Hochzeitsmahl zubereitet. Damit es für die Brauteltern nicht zu teuer wurde, schickten die geladenen Gäste Mehl, Butter, Eier, Obst und Geflügel ins Brauthaus.
 
Der Hochzeitstag war ein Fest der ganzen Dorfbevölkerung. In aller Herrgottsfrühe widerhallte schon das Dorf von Böllerschüssen und von den . lustigen "Juatzn" der Hochzeitsknechte, die sich bis 8.00 Uhr beim Bräutigam versammelten. Die jüngeren Burschen hatten über dem Anzug ein weißes "Hozatfiata"um, die Älteren und die Brautführer ein "Kaschmia- tiachl", der Bräutigam hingegen war mit dem schön gestickten "Braut- fetzn" versehen. Die Hochzeitsknechte hielten in der linken Hand eine Flasche Wein, in der rechten einen auf einem Stecken befestigten Kranz, der mit schönen Bändern geschmückt war. Unterdessen hatten sich alle "Hozatknechtn" und "Kranzldiran" beim Bräutigam zusammengefunden, auch die lieben Musikanten fehlten nicht. Bevor der Bräutigam sein Elternhaus verließ, erhielt er den Segen der Eltern. Im feierlichen Zuge, an dem sich das ganze Dorf beteiligte, wurde nun die harrende Braut abgeholt. Die Reihenfolge war folgende: Den Zug eröffneten die Musikanten, nachher kamen paarweise Hochzeitsknechte und Kranzelmädchen, dann ein Beistand, der Bräutigam, zuletzt wieder ein Beistand. Alle Teilnehmer des Zuges waren mit einem Rosmarinzweig geschmückt, die Mädl hatten alle ein weißes Kränzchen auf dem Kopf, die Burschen trugen den sogenannten Hochzeitskranz. Damit auch die Kinder nicht leer ausgingen, warfen die Kranzelmädchen kleine Krapfen in die Menge, um die sich besonders die Kleinen balgten. Wenn der Zug im Brauthaus anlangte, war dort bereits das ganze Dorf versammelt denn gibt es solche Frauen und Mädchen, die nicht auf die Braut neugierig waren? - . Nun trat der Böttmann vor, verneigte sich und begehrte mit lauten Worten für den Jungherrn Bräutigam die Braut:
 
Nun meine Lieben, ich komm: jetzt herein, aber ganz allein. Ich komme nicht aus Scherz oder aus Übermut sondern um einen gewissen Bescheid für unsern Jungherrn Bräutigam, weil er sich hat vorgenommen, seinen Jünglingsstand abzutreten und in den heiligen Ehestand einzutreten. So hat er den dreieinigen Gott angefleht, er möchte ihm ein treues Vater- und Mutterkind an seine Seite geben. So hat er sich umgesehen zwischen dem weiblichen Geschlechte, zwischen Fraun und Jungfraun und hat sich eine in sein Herz eingeschlossen, nämlich die ehrsame Jungfrau N.N., mit der er sich auf lebenslänglich verpflichten will. So sind wir hierher gekommen um diejenige Person, welche wir geworben haben, dass wir sie von dannen abholen und hinführen in das Haus, wo nunmehr Gottes Ehre wohnt womit der Herr seines Namens Gedächtnis geordnet und gestiftet hat dass diese beiderlei Brautpersonen möchten ehrlich vor dem hochheiligen Altar coupliert werden und den priesterlichen Segen des Herrn empfangen. Meine lieben Herrn und Freunde, sie möchten mir [ eine Antwort zurückgeben, ob sie dürfen hereinkommen oder nicht und wollt's mich zuvor ein ausgerichteter guter Bote sein lassen. "
 
Auf diese Rede antwortete der "Ausgeiwa"
 
"Mein lieber Herr und Freund, so übergib ich euch die Braut im Namen des dreieinigen Gottes. Der allmächtige Gott sei ihr Anfänger und Vollender, der Gott aller Gnaden, der diese beiden Brautpersonen in den heiligen Ehestand zusammen berufen hat. Der Segen stärke, kräftige und erhalte sie im wahren seligmachenden Glauben. Er lasse sie durch das Land der Liebe beständig beieinander verbunden bleiben, dass sie immerdar wandeln auf Gottes Wegen, in der Liebe, Treue und Eintracht bis an ihr letztes Ende. Nun geliebtes Brautpaar, so verbinde ich euch bis an die priesterliche Verbindung und lege den Segen auf Euch, hier zeitlich und dort ewiglich. Der Herr segne Euren Anfang, der Herr segne Euren Fortgang, der Herr segne dermals einst Euren Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit. Was Gott zusammengegeben hat, das soll der Mensch nicht scheiden."
 
Nach dieser Rede brachte man ein "aufputzt's oöts Wei" mit der Behauptung, dies sei die Braut. Doch der Bote ließ sich nicht beirren, er verneinte solange die Identität der fraglichen Person, bis man ihm die richtige Braut präsentierte. Nun juchzte er laut auf, zum Zeichen, dass seine Mission ein glückliches Ende gefunden hatte. Der Bräutigam, der schon sehnsüchtig darauf gewartet hatte, stürmte jetzt wie ein Wilder ins Haus und umarmte sein Bräutchen so heftig, dass es vor Schmerzen laut aufschrie. Er stahl ihr auch schnell ein paar feurige Küsse, wußte aber trotzdem, was er zu tun hatte, ging demütig zu den Schwiegereltern und richtete folgende Worte an sie, indem er ihre Hände ergriff:
 
"Nun meine lieben Schwiegereltern! Ich danke Euch für alles miteinander, dass Ihr mir habt Eure liebe Tochter so groß in der Furcht Gottes aufgezogen, dass sie ihre fruchtbare Zeit erreicht hat. Und kann ich Euch für das Gute nicht so bezahlen, wie ich es Euch zu bezahlen schuldig bin, so wird der Herr im Himmel Euer Bezahler sein."
 
Denn Eure Treue wird Gott belohnen, Dort in jener Ewigkeit,
Mit des Himmels Ehrenkronen, Die den Eltern sind bereit.
Die die Kinder treu erzieh'n;
Gott wird segnen Euer Bemühn,
Er wird Euch nach diesem Leben
Einst die Himmels Freuden geben."
 
Schließlich war auch das überstanden. Die Gäste wurden mit "Bagi" und Wein bewirtet und konnten nicht genug das Brautpaar bewundern. Sie sagten ihnen allerlei Schmeichelworte, dass sie "scheinna nimma zam- paßt hätt'n." Die Braut indessen hörte diese schönen Worte nicht mehr so richtig. Sie weinte, mußte sie doch in wenigen Minuten ihre Eltern verlassen. (In dies Weinen stimmten dann auch Mutter und Schwestern ein; ihnen tat es ja auch leid, dass die geliebte Tochter und Schwester auf immer das Haus verläßt.) Schließlich war die Zeit zur Kopulation da. Die schön geschmückten Bauernwägen standen schon vor der Tür, die Pferde waren feurig, sie wurden ja die ganze Woche hindurch mit Hafer gefüttert. Nachdem auch die Braut ihren elterlichen Segen erhalten hatte, schritt sie mit ihren Beiständen zu ihrem Wagen. Und nun fuhren die Wagen los, die Musikanten spielten einen flotten Hochzeitsmarsch, die Schwestern winkten mit ihren Tüchern, die Großeltern vergossen bittere Tränen und er- zählten von ihrer Hochzeit. Die Hochzeitwagen fuhren langsam, denn groß und klein wollte ja das holde Brautpaar sehen. Die Kapelle spielte am Dorfende noch einen rührenden Marsch, zog sich dann aber allmählich ins Dorf zurück. Auch die Neugierigen zerstreuten sich, um nach einer Stunde wieder zusammenzukommen. Der Hochzeitskutscher fuhr indessen wie ein Wilder dem lieben Agendorf! zu, wo in der dortigen Kirche die Trauung vollzogen werden sollte. Die tolle Fahrt hatte manchmal zur Folge, dass hie und da ein Kranzelmädl oder ein Hochzeitsknecht vom Wagen purzelte. Aber das machte ja nichts! Die liebe Braut, die ohnehin schon ganz ängstlich auf dem schwankenden Wagen saß, durfte sich ja nicht unterstehen, hilfesuchend zurückzuschauen. Das wurde gleich falsch gedeutet: "Sie schaut sie schao um an andan um."
 
Im Brauthaus ging es inzwischen drunter und drüber: Die Köchinnen liefen hin und her; hier brannte fast der Braten an, dort lief die Suppe über. Arme Leute ... andere waren guter Dinge, sie hingegen mußten sich abrackern, wie das Vieh. Und das nannte man Hochzeit. Aber man brauchte sie nicht zu bedauern, sie bekamen auch ihren Teil. Am Vorabend der Hochzeit wurden die "Kuchlleit" und die, die mit dem Auftragen der Speisen und Getränke beschäftigt sein werden, bereits bewirtet. Auch am Hochzeitstag werden sie nicht vergessen werden.
 
Was geschah aber unterdessen in der Hochzeitsstube? Sie wurde für die Feier hergerichtet. Sie blitzte aus allen Ecken und Winkeln und auf den mit Blumenschmuck versehenen Tischen lagen schneeweiße Decken. Unter den Tischen sah man einen, der viel schöner geschmückt und gedeckt war, als die übrigen. Er war für die "Heanleit" bestimmt, die mit ihrem Erscheinen das Hochzeitspaar beehrten. Plötzlich knallten Pistolenschüsse und kurz danach hörte man die Musik aufjubeln. "Sie sein schao dao! - d'nei Vaheiratn sein schao dao!" - freute sich das ganze Dorf. Groß und klein drängte zum Dorfeingang, um die Neuvermählten zu empfangen. Im feierlichen Zuge wurde das junge Paar ins Brauthaus geleitet. Jetzt aber Braut, warst du einer harten Prüfung ausgesetzt! Die Musik spielte, du stiegst vom Wagen herunter ... Wie würdest du über die Hausschwelle gehen? Nimmst du den alten Besen wahr, der über der Türschwelle lehnte? - Nahm ihn die Braut und kehrte die Schwelle sauber, so galt sie als sorgende Hausfrau. Kehrte sie nicht oder nahm den Besen gar nicht wahr, so war der bedauernswerte junge Mann für sein ganzes Leben hindurch bestraft. "Deis is a'n oöti Dreicksau", war dann die Meinung der alten Weiber, die genau alles beobachteten. Aber gottlob, unsere neugebackene Hausfrau bestand glänzend die Besen-Probe. Nun gab's kein Halten mehr, die Eltern des Bräutigams warteten schon auf die neue Schwiegertochter und begrüßten sie herzlich in ihrem neuen Heim. Die Braut, der diese wohltuenden Worte bis ins Herz drangen, ergriff begeistert die Hände ihrer Schwiegereltern und konnte vor lauter Rührung kaum die folgenden Sätze herausbringen:
 
"Geliebte Schwiegereltern! Indem ich meine treu sorgenden Eltern verlassen habe und mich an den Mann anhangen soll, so bitt ich Euch von Grund meines Herzens, Ihr wollet mich als Eure Schwiegertochter annehmen und wollet mich in keiner Not oder Gefahr verlassen, so wie ich es als Euer teures Kind erfüllen werde.
 
Ich bringe Ihnen, was ich habe,
Ein Herz voll Lieb und Dankbarkeit,
Ein gutes Gewissen als eine Gabe,
Die Ihnen Kindes Liebe weiht,
Auf Ihren Lebenswege scheute,
So bitt ich von Ihnen um Zufriedenheit.
Und Gottes Segen, Glück und Freud,
Sei uns all liebreich stets geweiht. Amen."
 
Nun hätte man endlich mit dem Hochzeitsschmaus beginnen können. Aber zuvor noch stand der Brautführer oder ein Böttmann auf und richtete folgenden Spruch an die Neuvermählten:
 
"Ich wünsche Euch, ihr trautes Paar,
Von Jahr zu Jahr und immerdar
In Eurem Ehstand Glück und Segen,
Das wolle Euch heute der Herr geben.
Ihr habt Euch heute in den Ehestand
Wohl mutig eingefunden,
Und aller Welt ist wohlbekannt,
Da gibt' s viel gute Stunden.
Und aller Welt ist auch bekannt,
Da gibt' s viel böse Zeiten.
Der Herr und Frau machts' s oft zu toll.
Drum sag ich Euch beiden,
Wie Ihr Euch nun verhalten müßt,
Wie Mann und Weib' im Hause,
Und wie Ihr einig leben müßt,
Wie heut beim Hochzeitsschmause.
Das Weib muß nicht beim Fenster stehn,
Nach andern Männern gaffen.
Der Mann hat bloß auf sie zu sehn,
Mit andern nichts zu schaffen.
Der Mann ist Herr, nicht was er will,
Muß er zu streng gebieten.
Und brummt er viel, so schweig sie still
Und halt ihr Maul in Frieden.
Und wachsen kleine Kinder an
In Segen und in Ehren,
Der Gott, der sprach ja früher schon,
Die Welt, die soll sich mehren.
So habt dabei nur frohen Mut,
Der sie Euch schenkt, ist Euer Gut.
Er wird sie auch ernähren.
Und wenn der Tod Euch trennt alsdann
Nimmt Gott Euch wieder gnädig an
Und führet Euch wieder höchst erfreut
Mitsammen in die Ewigkeit. (Vivat!)"
 
Nun konnte das Essen wirklich beginnen. Aber unsere guten Vorväter wußten als gute Christen, dass man vorher beten muß. Obzwar die dampfende Suppe schon bereit stand, erhoben sich die Hochzeitsgäste, und der Hausvater sprach das schon in der frühesten Jugend gelernte
 
Tischgebet
 
"Speis uns Vater, deine Kinder,
Tröste die betrübten Sünder.
Sprich den Segen zu den Gaben,
Die wir jetzt vor uns haben.
dass sie uns in diesem Leben
Stärke, Kraft und Nahrung geben.
Bis wir einstens mit den Frommen
Zu der Himmelsmahlzeit kommen. Amen."

Oder

" Was da gesetzt wird auf den Tisch,
Das segne uns, lieber Herr Jesu Christ.
Gott speis' uns jetzt und allezeit
Mit seinem Werk und Seligkeit.
Komm Herr Jesu, sei unser Gast
Und segne, wast uns bescheret hast.
Von einem bösen schnellen Tod
Behüt uns all der liebe Gott. Amen."

 
Nun konnte es aber wirklich losgehen! Der "Auftrag-Bursch" brachte mit folgendem Spruch die dampfende Hühnersuppe:
 
Meine Herrn, zuerst bringt man die Suppe gern,
Darinnen steckt eine Henne, die ich zuvor gar nicht kenne,
' s kann auch sein ein alter Hahn,
Von diesen zweien nehmt es man.
Drum meine lieben Hochzeitsgäst,
Das sag ich Euch, eßt nicht so viel Hühnerfleisch,
dass für die Köchin auch was übrig bleibt!
 
Die Köchin brauchte keine Angst zu haben, es blieb genug Suppe übrig, denn die Gäste löffelten nicht zu viel "Owoschwossa", da es nach viel besserem roch. Kaum war der letzte Suppenrest ausgelöffelt, brachte man das Kraut. Auch jetzt wußte unser Bursch ein schönes Verschen:
 
"Jetzt bring ich das Kraut.
Das Kraut, das eß ich gar nicht gern.
Vom Kraut, da kriegt man's Fieber,
Die Bratwürstl sein ma lieber."
 
Fanden die Hochzeitsgäste Gefallen an dem Spruch, so durfte der Bursch von dem Hochzeitswein trinken, mußte aber vorher einen Trinkspruch zum besten geben:
 
"Dieses Glas nehm ich in d'Hand,
fürwahr, du bist ein gutes Band.
Wo dieser Wein gepflanzet wird,
Da gibt's viel starke Brüder.
Der Wein erfreut das Menschenherz,
Er stärkt die matten Glieder.
Der Wein ist gut, er macht uns Mut,
Und wer dabei viel trinken tut,
Den wirft er auch gleich nieder.
Ein Trank kann zwar nicht schädlich sein.
Auf gute Speisen schmeckt der Wein.
Ich wünsche Euch, ihr trautes Paar
Von Jahr zu Jahr und immerdar
Glück, Fried und Freud und Einigkeit
Durch Eure ganze Lebenszeit.
So wünsch ich Euch und allen andem
Eingeladenen Hochzeitsgästen gute Gesundheit."
 
Und war dann das Kraut verzehrt, so brachte man die Fleck. (Man aß nur wenig von den einzelnen Speisen, es kamen ja immer bessere!)
 
"Jetzt bring ich die Fleck,
Mit der Braut ins Bett!"
 
Gefiel auch dieser Spruch, so durfte der Bursch einen schönen Trinkspruch sagen:
 
"Dieses Glas ist kugelrund,
Ich setz es an meinen Mund
Und trink es aus, aus Schagarin,
Weil ich grad so durstig bin."
 
Der Auftrag-Bursch war inzwischen müde geworden, und weil er auch keinen Trinkspruch mehr kannte, schickte er einen andern mit dem Rindfleisch zu den Gästen.
 
"Jetzt bringen wir das Rindfleisch mit'n Kren,
Der's nit mo, der 10st's stehn."
 
Das Rindfleisch war scharf gewürzt, unsere "Leidl" wurden durstig, der bereitwillige Bursch schenkte ihnen ein und durfte dafür auch mit trinken. doch dafür ...
 
"O du edler Rebensaft, geziert mit schönen Gaben.
Was muß der edle Rebensaft für Regeln in sich haben?
Kalvinisch muß er sein, aus einem kühlen Faß.
Auch Lutherisch muß er sein, aus einem reinen Glas.
Katholisch muß er sein, dass er zeig seine Werke,
In seines Glaubensgrund beweisest deine Stärke.
Auch jüdisch muß er sein, dass er nicht wird getauft,
Denn das ist guter Wein, in dem kein Wasser lauft.
Vivat hoch! im Gedanken,
Gott stärke die Kranken,
Gott stärke die Betrübten
Und alle die Verliebten,
Das Wasser und Land und des Kaisers Tapferkeit
Und den ehrsamen Hochzeitsgäst gute Gesundheit. (Vivat!)
Unser Jungherr Bräutigam soll leben
Und seine vielgeliebte Braut daneben (Vivat hoch!)"
 
Die bisher aufgetragenen Speisen galten im Grunde nur als Einleitung. Jetzt kam etwas Handfestes, ein gebratenes Spanferkel:
 
"Nun meine lieben Hochzeitsgäst,
Weil das Gitschal is so keck,
Und is in den Garten g'steckt
Und hot uns den Salat abg' fressen,
So hilf uns Gott zum Trantschiern,
dass ma uns kinna' s Geischal schmiern."
 
Bei diesem knusprigen Braten griff man schon tüchtiger zu, man sagte nicht mehr: "Die Bratwürstl wären mir lieber!" Auch getrunken wurde fleißiger, denn wozu stand der spritzige Wandorfer auf der Hochzeitstafel? Er war ja ohnehin kalvinistisch, lutherisch, katholisch und sogar jüdisch. Auch die Braut mußte fleißig mittun, ob sie wollte oder nicht. Ein Trinkspruch klang nach dem andern, ein jeder wollte den andern übertrumpfen.
 
"Gesundheit, Glück und Segen der Braut, dem Bräutigam -
Und auch den Junggesellen, die Männer die heut läuten.
Der Hochzeit Fröhlichkeit, Gesundheit ihnen heute.
Gesundheit jeder Zeit, Gesundheit allen denen, Die Gäste fern und nah
Und auch die Musikanten, wir alle leben hoch! Gute Gesundheit!"
 
Auch die draußen Stehenden wurden nicht vergessen, man brachte ihnen "Bagl" und andere Mehlspeisen. Die Kinder stürzten sich begierig auf das "Hozatbagl", denn das war ja bekannter weise viel besser als ihres daheim. Das Schmausen im Hochzeitshaus ging inzwischen flott weiter.
 
"Brat unsre Köchin die Bratel so braun,
Auf's Jahr um die Zeit hängen die Windl am Zaun"
 
 
Mit diesen Worten brachte der Bursch das Schweinerne. DIe Stimmung erreichte fast den Höhepunkt, es wurde "getuscht", gesungen und Trinksprüche vorgetragen:
 
Ist bei diesem Hochzeitsschmause
Keiner, der ein Liedchen singt?
Und der Bräutigam im Hause
Uns wohl ein Vivat bringt?
Singt man doch bei andern Sachen,
Liebe, Freundschaft, Kuß und Wein.
Solch Verschulden gut zu machen,
Stimmt in den Chor mit ein.
Nicht was die Katheder lehren
Soll des Liedes Inhalt sein.
IEinem holden Paar zu Ehren
Schenken wir die Gläser ein.
Dreifach hoch ertönen beiden,
Sie zu feiern sei uns Pflicht.
Niemand schweige,
denn wir leiden Heute solchen Unfug nicht.
Doch damit ist nichts zu Ende,
Hebt die Gläser hoch empor.
Und dem Wunsch, den ich euch spende
Singet im vereinten Chor!
Wandelt beide stets zufrieden
Diesen kurzen Pilgerlauf,
Nehmt das Glück, das Euch beschieden,
Nehmt's mit Dank und Frohsinn auf.
Drei sind aller guten Dinge,
Noch einmal das Glas gefüllt.
Was ich im Gedanken singe
Wird durch einen Buben erfüllt.
Dann versammeln wir uns wieder,
Denn wer weiß, was dann geschieht?
Und das beste aller Lieder
Ist wohl dann ein Wiegenlied.
Der Henker hol die Grillen.
Es lebe guter Wein, laßt uns die Gläser füllen
Und ewig freudig sein.
Es ist alles eitel, außer drei allein:
Hübsche Mädchen, guter Wein
Und ein voller Beutel.
Hab ich dies, so bin ich froh
Und sprech auch dann mit Salomo:
Es ist alles eitel! (Vivat, hoch!)
 
Ich glaube, mit den Fleisch-Speisen wird es nun genug sein, denn ißt man zuviel Fleisch, so verträgt unser Magen die Mehlspeisen nicht, mit welchen doch die Weibsleute ihr Können zeigen wollen. Aß man nichts davon, so beleidigte man sie derart, dass die Freundschaft sich bald in Feindschaft und Haß verwandelte. Aber die Wandorfer Männer wußten schon, wie sie mit ihren lieben Frauen umgehen mußten. Sie aßen ein kleines Stück Bäckerei und lobten es über alle Maßen, auch wenn es ihnen nicht mundete. Na ja, die Frauen sollten auch mal ihre Freude haben! Zuerst brachte man den "Mühlireis".
 
"Jetzt bringen wir den Mühlireis,
Der ist wie Schnee so weiß.
Drum eßt sehr viel Reis,
dass der Köchin nichts übrig bleibt."
 
Auch nach der Mehlspeise wurde getrunken, denn "im Mong kommt jo eh ollas zamma", sagten unsere vielleicht schon zu gut aufgelegten Vorväter. In ihrer guten Laune gingen ihnen nicht einmal die Trinksprüche aus. Hatten sie keinen auf Lager, so fabrizierten sie einen aus dem Stegreif, z. B.:
 
Ist' s auch kein Steinwein,
Wenn's nur kein Weinstein.
Ist' s auch kein Rheinwein,
Wenn nur der Wein rein.
Ja, wär's vom Main Wein,
Wollt, wenn der Wein mein.
Froh ich beim Wein fein
Und ihm mein Sein weih'n."
 
War der "Mühlireis" verzehrt, so kamen andere Spezialitäten auf die Tafel, die schließlich auch nicht verschmäht wurden, besonders von den Kindern. Da gab es Torten, Gugelhupf, Damenkapritzen, "Böllasn", Kipferln, alles, was sich der Mensch nur denken konnte und was sein Herz begehrte. Die Hausmutter konnte nicht genug "antragen". Man ließ sich das nicht zweimal sagen, man langte zu und aß ... Oft artete so eine Hochzeit in eine unliebsame Völlerei, in ein Freßgelage aus. Es sei vorgekommen, dass mehrere Schweine, ein bis zwei Rinder und fast hundert Hühner verzehrt wurden. (Die Hochzeit meines Urgroßvaters soll 5 -6 Tage gedauert haben.)
 
Nachdem das Hochzeitsmahl vorüber war, stand der Hausvater auf, faltete die Hände und sprach das Dankgebet:
 
"So danken wir Gott für seine Gaben,
Die wir von Ihm empfangen haben,
Und bitten unsern lieben Herrn,
Er möge uns immerdar das Notwendige bescher' n.
So haben wir Gott und preisen seinen heiligen Namen.
Gepriesen sei die Wunderkraft, die Liebe sei gepriesen,
Die uns so reichlich Nahrung schafft Auf Felder und auf Wiesen.
Er sättigt uns, wir werden satt,
Er gibt, dass man noch übrig hat, Den Brüdern mitzuteilen.
und so spreche ich, wie einst Christus sprach:
Sammelt die übrigen Brocken, dass nichts umkomme,
Ein jeder in sein Tüchlein und tragt es nach Haus.
Auch bitte Ich, meine Lieben,
Es möchte sich unter uns niemand beleidigt fühlen.
Dazu helfe uns Gott, der Allmächtige. Amen."
 
Kaum war das Tischgebet verklungen, trat ein Böttmann vor die Braut und richtete folgende Worte an sie:
 
"Ich wünsche den ehrsamen Herrn und Fraun, Junggesellen und Jung. fraun einen guten Abend herein. In Ehren bitte ich die Herrn, ich hätte ein oder zwei Worte vorzubringen, ob sie es möchten anhören. Schickt mich der Jungherr Bräutigam (jetzt schon ein junger Mann) zu seiner ehr- und tugendsamen Jungfrau Braut (jetzt schon eine Frau) und läßt ihr einen guten Abend anmelden. Ich grüße die ehr- und tugendsame Jungfrau Braut mit ihrem grünen Kranz zu einem christlichen Ehrentanz.
 
Weil es aber anders nicht mag sein, So nimm ich mir ein Glas mit Wein.
Ist er nicht gewachsen zu Köln am Rhein,
So ist er doch gewachsen unter Sonn- und Mondenschein.
Gute Gesundheit wünsche ich dem Jungherrn Bräutigam,
Sowohl auch seiner vielgeliebten Jungfrau Braut.
Er hat sich was Schönes ausersehn,
Und was er sich gewünscht hat, ließ ihm Gott geschehn.
Aber dass ihr Ehestand nicht in den Wehestand Möge übergehn,
Das kann und soll man an allen Dingen sehn,
Denn mich däucht, der Spruch hat mich erinnern wollen,
dass man auf Tugend mehr als auf Schönheit Sehen sollen. (Vivat hoch!)
Gute Gesundheit wünsche ich den Beiständen und Beistand Frauen,
Die uns heute geholfen haben unsern Ehrentag erbauen.
Wir tun ihnen einen schuldigen Dank sagen
Für den Dienst, den sie unserm Brautpaar erwiesen haben (Vivat hoch!),
Gute Gesundheit den Kranzel-Jungfraun,
Sie sollen leben, Gott aber möge ihnen die Freude geben,
dass sie möchten die Bahn mit dem Ehestand treten an. (Vivat!)
Gute Gesundheit wünsche ich den beiden Hochzeitsvätern und Müttern,
Gott wolle sie noch ferner behüten,
dass auch sie möchten ihre übrigen Erben Glücklich verheiraten in Ehren. (Vivat!)
Gute Gesundheit wünsche ich allen versammelten Hochzeitsgästen und Hochzeitsfreunden,
Gott wolle sie noch ferner begleiten,
dass auch sie mit Freud und Ruh Ihre Lebenszeit bringen zu. (Vivat!)
Gute Gesundheit den Köchinnen und Kuchelweibern,
Die draußen beim Feuern stehn.
Wir tun ihnen einen schuldigen Dank sagen
Für die Speisen, die sie uns so gut bereitet haben. (Vivat)
Gute Gesundheit unserm dienstfertigen Kellner,
Der soll nur brav und fleißg sein,
Damit es uns nicht fehlt an Wein. (Vivat!)
Gute Gesundheit der alten und neuen Freundschaft,
Sie sollen leben, Gott wolle uns aber die Freude geben,
dass wir uns bis zum Tod als gute Freunde sehen. (Vivat!)
Gute Gesundheit den Herrn Musikanten,
Wenn sie noch vorhanden
Sind. Ich sag, sie sollen nur die Saiten nicht schonen.
Wenn wir ein übriges Geld haben,
Das werden sie schon bekommen. (Vivat!)
Und auf mich hätt'ich bald vergessen,
Ich trink auf meine Gesundheit indessen
Und Gott, der Allerhöchste, helfe mir dazu,
dass auch ich bald kann dringen in das Brautpaar-Schuh. (Vivat!)
Nun bitte ich die ehrsamen Herrn und Fraun und Jungfraun,
dass sie ein wenig auf die Seite stehn
Und die Jungfrau Braut lassen herfür gehen
Mit ihrem grünen Kranz,
Auf einen christlichen Ehrentanz.
Ist die Braut krank,
So gehe sie nach der Bank.
Ist sie aber frisch und wohl bei Mut,
So tritt sie her auf meinen Hut.
Tritt sie aber daneben,
So muß sie aber mir dreihundert Reichstaler
zur Strafe geben. Amen."
 
Und als dann alles vorüber war - die jungen Leute waren ohnehin schon ganz nervös, sie konnten nicht verstehen, wozu dies lange Hin und Her gut sei - konnte man an den lange herbeigesehnten Tanz denken. Jetzt, da ihr Wunsch bald in Erfüllung ging, liefen die Mädchen schnell nach Hause, um sich umzuziehen. Die Mutter hätte ja furchtbar geschimpft, wenn man in den neuen Kleidern getanzt hätte. Bevor sie es aber ablegen, betrachten wir sie ein wenig näher.
 
Unterdessen war es in der Stube immer dunkler geworden, man mußte das Licht anmachen. Doch dies durfte nur jene Jungfrau tun, die ein schönes "Veaschl" dazu aufsagen konnte, z.B.
 
"Gott laßt Euch allen einen guten Abend anmelden."
(Jemand fragt: Was macht Gott draußen?)
"Er hüt't und wacht,
Stets für uns tracht' t
Auf dass uns ja nichts fehlet.
Z'essen und z'trinken haben wir gnua,
Da Wein, der liegt im Kölla."
 
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Endlich waren nun alle Hindernisse überwunden, der Tanz konnte beginnen. Die jungen Leute waren jetzt in ihrem Element, die Mädl lächelten ihren Burschen zu, die Burschen "juatztn" oder pfiffen die Melodie mit den Musikanten mit. Oft, sehr oft, schauten sie in die glühenden Augen ihrer Tänzerin, wo sie nicht selten eine ganze Welt von Glückseligkeit fanden. Es geschah häufig, dass gerade diese Tänzerin, die ihn so schelmisch anblickte, binnen einem Jahr, seine Frau wurde. Aber die frohe Walzerseligkeit mußte unterbrochen werden, denn die Alten waren inzwischen wieder hungrig geworden. Die Jugend hatte freilich nicht wahrgenommen, dass es schon Mitternacht war. Das Nachtmahl wurde schnell zu sich genommen, da die Burschen und Mädchen ja weiter tanzen wollten. Jetzt wurde auch das "Bschoatessen" ausgeteilt. Ein jeder Hochzeitsgast erhielt ein Viertel von einem Guglhupf und ebenso von einem Bagl. Auch der Braut wurde ihr Teil vorgelegt, doch es hätte nicht schön ausgesehen, wenn sie es tatsächlich angenommen hätte.
 
Anschließend begann der Tanz aufs Neue. Der Braut wurde jetzt der "Kranz abgetanzt", indem ihr jeder Tänzer eine Haarnadel vom "RaI" her- ausnahm. Als letzter tanzte der Brautführer mit der Braut und setzte ihr ein "Bundtiachl" auf, zum Zeichen, dass aus dem Mädchen eine junge Frau geworden war. Der Bräutigam bekam eine gestopfte Pfeife in den Mund, die der Brautführer in Brand steckte und damit feierlich erklärte, dass man nun keine Brautleute mehr vor sich habe, sondern neugebackene Eheleute. Der Bräutigam, jetzt schon ein hoffnungsvoller junger Mann, war stolz auf seine neue Würde, doch was war mit der Braut los? Warum weinte sie? Man wußte nicht, ob es Freuden- oder Schmerzenstränen waren, doch eins war gewiß, sie nahm Abschied von ihrem Mädchenleben. Der Tanz ging nun weiter, doch das junge Paar nahm nicht daran teil, sondern verließ ohne Sang und Klang die Stube und zog sich ins Brautgemach zurück ...
 
Um fünf Uhr morgens wurde das arme Paar aber schon wieder "Aufteifüt". War der junge Ehemann schon auf, so war alles in Ordnung, lag er aber noch bei seiner jungen Frau im Bett, wurde er von den Hochzeitsknechten gebunden und mit einem bloßen Hemd durch das Dorf geführt. Man wollte damit zum Ausdruck bringen, dass der Mann, der den ersten Morgen verschläft, auch fernerhin faul und unpünktlich in allen seinen Angelegenheiten sein würde.
 
Der zweite Tag wurde nicht mehr im Hause des Bräutigams gefeiert. Der Hochzeitszug, nicht mehr so feierlich wie gestern, zog mit Musik ins Brauthaus. Doch hier erklärte man, dass man sie nicht erwartet habe und sie wieder abziehen könnten. Aber unsere Burschen ließen sich nicht beirren und meinten: "Habt Ihr nichts, so werden wir uns schon ein bißchen umschauen!" Gesagt, getan! Sie holten sich im Geflügelhof einen "Hozathao", banden dem armen Tier die Füße zusammen und erschlugen es. Aber wie?! Die Burschen bildeten einen Kreis, verbanden sich die Augen und schlugen mit Dreschflegeln solange auf den Hahn ein, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Der so dahingeschiedene Hahn verwandelte sich binnen kurzer Zeit in ein "Paprikasch" oder Gebackenes, in ein Gebratenes. Auch im Brauthaus wurde den ganzen Tag gegessen, getrunken und getanzt. Am übernächsten Tag feierte man wieder beim Bräutigam, bis sich schließlich die Gäste auf den Heimweg machten.
 
Nach der Hochzeit zog die junge Frau gänzlich zu ihren Schwiegereltern, denn sogar in der Bibel steht geschrieben: "Das Weib soll Vater und Mutter verlassen und dem Manne anhangen!" Sie brachte außer dem, was im Heiratskontrakt schriftlich niedergelegt war, einen Kasten, ein Himmelbett und eine Kuh nebst Kalb mit. Waren ihre Eltern wohlhabend, bekam sie noch extra einen guten Acker mit, damit sich die jungen Leute etwas ersparen könnten, "dass sa sie da schupfa kinna."
 
Es kam auch vor, dass ein Bursch aus dem Nachbardorf ein Wandorfer Mädl zur Frau begehrte. Unsere Burschen, denen das gar nicht gefiel, wußten nicht so recht, wie sie sich rächen sollten, Wenn dann der Bräutigam am Hochzeitstag die Braut in sein Heimatdorf führen wollte, war der Weg vor dem Brauthaus mit Asten und Zweigen, im Winter mit Schnee blockiert. Die Wandorfer Burschen standen beiderseits der Straße wie die Soldaten aufgereiht. Ihr Anführer, meistens der älteste Bursch, trat vor und richtete folgende Rede an den verblüfften Bräutigam:
 
"Mein lieber Jungherr Bräutigam, ihr werdet uns nicht für ungut aufnehmen, dass sich einige ehrsame Burschen unternehmen und auch auf freier Gassen einen Anstand nehmen. Es wird Euch nicht unbekannt sein, dass sich oft der Fall getroffen, dass wenn sich ein fremder Bursch unternimmt und ein solches Jungfräulein aus unserer Mitte reißt,<
 
dass es den Kranz jetzt lösen heißt.
Ihr führet jetzt das Mädchen fort
Und wollt sie an einem fremden Ort
Zu Eurer Gattin haben.
Fürwahr, sie fesselt Euer Herz.
So treibt mit uns nicht lange Scherz
Und laßt es Euch gestalten.
Dann sagen wir euch allen,
Die Münze muß verdoppelt sein.
So trinkt darauf ein gut's Glas Wein,
Die Braut, die muß gelöset sein.
Und darnach fahrt in Gottes Nam',
Adje, und lebet wohl!
Der Gott im Himmel wird Euch lohnen,
Der uns bezahlen soll.
Ich wünsche Euch, ihr trautes Paar
Von Jahr zu Jahr und immerdar:
Gute Gesundheit!"
 
War nun der Bräutigam bereit zu zahlen, ließ man ihn ohne weiteres durch. Wollte er sich aber davor drücken, so wurden scherzhafte Verhandlungen eingeleitet, die so lange dauerten, bis es dem Bräutigam zu dumm wurde und er ihnen die gewünschte Summe vor die Füße warf. Die ganze Prozedur lief folgendermaßen ab: Der Anführer der Burschen drückte dem Bräutigam einen Teller in die Hand, auf dem eine große Münze lag. (Das Geld war meistens vom Gastwirt geborgt; der brauchte keine Angst zu haben, denn er bekam es ja doppelt zurück). Der Bräutigam sollte jetzt das Doppelte darauf legen. Tat er es nicht, ließ man ihn nicht passieren, War ihm dann schließlich die ganze Angelegenheit zu dumm, warf er ihnen das Geld an den Kopf und verließ fluchend das Dorf, Unsere Burschen, die ihr Gaudi gehabt hatten und inzwischen durstig geworden waren, zogen ins Wirtshaus, wo sie das leicht erworbene Geld "verputzten".
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)