War ein Familienmitglied in Christo Jesu verschieden, so wurde der Leichenbestatter bestellt, der Sarg und Kränze besorgte sowie die Träger bestimmte. Der Hausvater ging schweren Herzens nach Agendorf zum Pfarrer und bestellte die Leichenpredigt. Er berichtete dem Seelsorger, wie alt der Verstorbene war, wie lang er gelitten und wie er verschieden sei.
 
War der Dahingeschiedene noch vor 8 Uhr gestorben, so wurde er um 12 Uhr "ausgeläutet", wenn später, dann am nächsten Tag. Der Leichnam wurde bei uns nicht ins "Totenheisi" gebracht, wie es in der Stadt gang und gäbe war, sondern im schönsten Zimmer des Hauses aufgebahrt. Zuvor aber kam der Totenbeschauer, stellte den eingetretenen Tod fest und zog den Dahingeschiedenen die Festkleider an. Nachbarn, Verwandte und Bekannte eilten herbei, um die Leidtragenden zu trösten. Sie alle hielten auch am letzten Abend vor dem Begräbnis die Totenwache: Man sang bei Kerzenlicht Begräbnislieder, sprach über den Toten, betete und vergoß Tränen. Ob das Weinen immer von Herzen kam, möge dahingestellt sein, denn auch das Sprichwort sagt: "Es ist nicht alles Gold, was glänzt!"

Das Begräbnis wurde dann am nächsten Tag um 3 Uhr abgehalten. Die Trauergäste versammelten sich im Trauerhaus, sogar die weit entfernten Freunde hatten sich eingefunden, und man wartete nur noch auf den Pfarrer. Die Träger brachten schon vorher vom" Totenheisl" die sog. "Muzn" und stellten sie im Hofe auf. Nach dem zweiten Läuten kamen Pfarrer, Kreuzträger und Kantor. Noch bevor der Sarg auf den Hof gebracht wurde, mußte der Verstorbene "ausgebeten" werden. Dies machte meistens der klügste Träger. Solche "Ausbitten" waren:

 
Leichausbitte bei einem Familienvater
 
Vater, dunkel ist dein Walten
Und dein Rat oft Mitternacht.
Was du könntest leicht erhalten,
Gibst du in des Todes Macht.
Heilig, heilig ist dein Wille,
Doch verdeckt in finstrer Hülle,
Vater darum sende du
Selbst des Trostes Geist uns zu.
Eine Witwe klagt mit Tränen,
Wer wird mein Versorger sein?
Unversorgte Kinder stöhnen:
Wer wird Vatertreu uns weihen?
Ach sie können sich nicht fassen,
Dünken sich von Gott verlassen,
Sehn nur Elend um sich her,
Und der Zukunft Sorgen schwer!
Doch du hast es ja verheißen Vater,
und die Kraft ist dein.
Ein Versorger für die Waisen
Und der Witwen Schutz zu sein.
Und du willst durch Trost erquicken,
Wenn wir gläubig zu dir blicken!
Du bist unsre Zuversicht
Und vergiß uns ewig nicht. Amen
 
Ausbitte bei einem Bräutigam
 
Laßt des Schmerzens Tränen rinnen,
Trauer weilet um uns her.
I Laßt euch nicht so schwer betrüben,
Ach, ein Jüngling ist nicht mehr.
In den schönsten Blütentagen
Wird er schon zu Grab getragen.
Trauernd stehen anverwandt
Um des Todes Sarg umher:
Eltern, Freunde und Bekannte Klagen laut:
Er ist nicht mehr!
Ist so bald von uns geschieden,
Was gewährt uns Trost und Frieden?
Trostlos ringet sich vergebens
Dort die Braut die Hände wund.
Um die Hoffnung ihres Lebens
Fruchtlos klaget laut ihr Mund.
Fruchtlos fließen ihre Tränen,
Fruchtlos ist der Liebe Sehnen.
Statt an den Altar zu führen,
Führen wir zu Grabe ihn.
Nicht der Traukranz soll ihn zieren,
Nicht die Freude vor ihm ziehn.
Statt dem festlichen Gepränge
tönen düstre Klaggesänge.
Doch, 0 Gott, es ist dein Wille,
Was du tust, ist wohlgetan.
Voll Ergebenheit und Stille:
Beten deinen Rat wir an.
i Überzeugt daß auch durch Leiden,
Du uns führen kannst zu Freuden.
Ihr, die dieser Tod betrübt,
Trocknet eure Tränen ab.
Was sich treu hier hat geliebt,
Trennt nicht ewig Tod noch Grab.
Dort, wo man nicht Tränen weinet,
Werdet wieder ihr vereinet. Amen.
 
Die Ausbitter trugen diese schönen Verse oft so rührend vor, dass die Anwesenden laut aufschluchzten. Anschließend wurde der Sarg mitten im Hof auf die "Muzn" gestellt, Pfarrer und Kantor stellten sich daneben, und der Letztere stimmte das Hoflied an. Gesungen wurde aus dem evangelischen Gesangbuch und zwar bei Kindern das Lied Nr. 519, bei Jungfrauen 492, bei Selbstmördern 526 und bei alten Leuten, die lange krank gewesen waren, das wunderschöne Lied: "Es ist vollbracht". Nachdem der Gesang verstummt war, sprach der Geistliche den Segen über den Dahingeschiedenen. Um den Sarg standen die Leichenträger (bei Erwachsenen 8, bei jungen Leuten 6, bei Kleinkindern 2), auf deren Armem Rosmarinzweige (bei Junggesellen und Jungfrauen) oder Myrtenbänder (bei Kindern) angebracht waren. Diese Bänder nahm man später auf dem Friedhof ab und warf sie als letzten Gruß dem ins Grab sinkenden Sarge nach. Bei alten Leuten blieb der Rosmarin jedoch weg. Pfarrer, Lehrer, die Träger und Kreuzträger erhielten als Dank eine Orange oder Zitrone, zu dieser Zeit eine ganz besondere Köstlichkeit. Nach dem Segen stimmte der Kantor den letzten Vers des Hofliedes an. Der Trauerzug setzte sich nun langsam in Bewegung.
 
Angeführt wurde er von den zwei Kreuzträgern - zwei Buben, die das Kruzifix zuvor mit Trauerflor umhüllt hatten. Ihnen folgte der Kantor mit den großen Schulkindern, die zeitweise einen Vers aus einem Grablied sangen. Vor dem Sarg schritt der Pfarrer. Hinter den Sargträgern kamen nun die Leidtragenden. War der Verstorbene Mitglied eines Vereins, so spielten die Musikanten auf dem langen Wege zum Friedhof ernste Trauermärsche. Ganz hinten tummelten sich dann alle anderen, die dem Verstorbenen das letzte Geleit gaben. Doch auch der längste Weg nahm schließlich sein Ende, der Trauerzug langte an der letzten irdischen Stätte, am letzten Ruheort an. Der Sarg sank tiefer und tiefer, die Musikkapelle ließ ihre letzten Klänge ertönen, und die untergehende Sonne blickte noch einmal auf den in die Grube sinkenden Sarg, als wenn sie sich die schwarze Truhe zum letzten Male betrachten wollte. Der Pfarrer war dann schließlich mit der Grabrede fertig; die Menschen drängten sich an das offene Grab, um dem teuren Verwandten oder Nachbarn als letzten Gruß ein Blumengebinde mitzugeben. Bei einem Vereinsmitglied hielt der Vor- sitzende eine kurze Ansprache und legte einen Kranz nieder, während die Kapelle das Lied "Ich hatt' einen Kameraden" intonierte.>/div>
 
Nachdem auch das Schlußlied gesungen war, bedankte sich die Hausmutter unter Tränen für die Ehre, die man ihr, der ganzen Familie und vor allem dem Verstorbenen erwiesen hatte.
 
Nach dem Begräbnis begab sich die ganze Verwandtschaft zurück ins "Leihhaus", wo man ein prächtiges "Totenmahl" zu sich nahm. Gesprochen wurde freilich nur vom Dahingeschiedenen, wie alt er war und wie gut er mit allen Leuten umgehen konnte. All zulange hielt man sich jedoch damit nicht auf, da die Leidtragenden, die in den vergangenen Tagen ohnehin nicht zur Ruhe gekommen waren, jetzt alleine sein wollten.
 
Bei uns in Wandorf war der Totenkult sehr ausgeprägt. Es dauerte nicht lange, so hatte der Verstorbene einen wunderschönen Grabstein aus Marmor oder Granit, mit goldener Aufschrift, die außer Namen und den zwei Jahreszahlen auch einen schönen Vers enthielt. Diese Verse wurden oft von den Angehörigen selbst ersonnen. z.B.:
 
"Gute Nacht, ihr meine Lieben,
Ich muß euch ja sehr betrüben,
Weil ich jetzt von euch scheiden muß.
Ein liebes Kind, von Gott gegeben,
Hat mir gekost' mein junges Leben.
Es schläft bei mir im Grab zugleich
Das größere Kind schenkt Gott noch euch.
Schmückt unser Grab mit Blumen,
Das ist der Liebe Zier.
Bis wir uns wieder sehen
Im Jenseits und nicht hier."
Du warst der Mutter Glück,
Des Vaters Stolz und Freude.
Gott aber liebte dich noch mehr Als alle beide."
"Zu früh, ihr meine Lieben,
Muß ich euch sehr betrüben,
Ganz unerwartet schnell.
Geliebte Gattin, traure, sei doch nicht so betrübt,
Die lieben Kinder denken ja auch an mich zurück."
"Ich liege hier im Rosengarten
Und tu' auf meine Eltern warten,
Weil ich mein junges blühendes Leben
Der Mörderhand muß übergeben.
Gott wird aber richten allen,
Dass sie in die Grube fallen,
Welche solche Tat verrichten,
So ein junges Blut vernichten."
"Noch viel zu früh für dich geliebte Gattin
Muß ich scheiden,
Doch tröste dich in diesem schweren Leiden.
Es ruft der Herr euch bei seinem Namen,
Im Himmelssaal da kommen wir zusammen."
"Der Hügel unscheinbar und klein,
Er schließet unser Liebstes ein.
Denn unter diesen Rosen ruhn
Zwei Herzen, so brav, so treu, so gut."
 
Unser Friedhof war seinerzeit ein Schmuckstück der Gemeinde. Ringsum von Bergen umgeben, in der Mitte ein schönes Tal, wo die Verstorbenen' ruhig dem Tag des Gerichts, dem Jüngsten Tag entgegen schlummern konnten. Zu Allerheiligen waren die Gräber mit weißen Chrysanthemen und anderem Blumenflor geschmückt. Den ganzen Tag über pilgerten die Angehörigen andachtsvoll zu den Gräbern ihrer Lieben, um dort ein stilles Vaterunser zu verrichten.
 
Der Friedhof wurde im Juni 1786 seiner Bestimmung übergeben. Und bereits am 22. Juni 1786 konnte der 47jährige Ehemann Johann Hackstock (Hausnummer 39) dort beerdigt werden. Im Sterberegister war vermerkt: "Sein Grab war das erste am neuen Wandorfer Begräbnis-Platz." Bis dahin wurden die Toten um die mitten im Dorf gelegene Kirche (Maria-Magdalena-Kapelle) herum bestattet.
 
Das Gedicht, das zur Einweihungsfeier vorgetragen wurde, ist folgendes:
 
Menschen, schreckt nicht zurücke
Einen Friedhof anzusehn.
Gönnt der Zukunft eure Blicke,
Denn einst müßt Ihr auch vergehn.
Der Totengräber selbst, ihr Brüder,
Wißt ihr, ist davon auch nicht frei.
Staub und Asch' sind Menschenglieder,
Wir sind alle einerlei.
Kinder sammeln sich zu Greisen,
Treu und Unschuld geht zur Ruh.
Toren liegen unter Weisen.
Seine Hand deckt alle zu.
Seht, so manches holde Mädchen
Blüht wie Rosen in dem Mai,
Und jetzt blüht ein Veilchen ihr auf dem Grabe
Als ihre letzte Schmeichelei.
Sieh, die kahlen Totenschädel
Hier in dieser stillen Ruh.
Waren einst so jung und edel,
Vielleicht schöner noch als du.
Du wirst ihnen wieder gleichen
Denn unsterblich bist du nicht.
Wann einst auf des Todes Zeichen
Deine morsche Hülle bricht.
Alles schläft den Totenschlummer
Hier in dieser öden Flur,
Frei von Sorgen, frei von Kummer
Ruht hier einsam die Natur.
Ruhet sanft, verweste Brüder
In den Gräbern ringsumher.
Einst ward ihr der Menschheit Glieder,
Jetzt fühlt ihr kein Leiden mehr.
Fällt einst meine morsche Hülle
Von der freien Seele ab,
So gönnt ihr in dieser Stille,
Neben euch ein kühles Grab.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)