War im Herbst die Ernte eingebracht, der Kukuruz in der "Einfahrt" auf- gehängt und das Herbstackern beendet, so hatten die Leute endlich Zeit für das schönste Fest im Jahr, die Kirchweih. Die Wohnhäuser wurden in der Woche vor dem großen Ereignis in Ordnung gebracht, die Giebelseiten geweißt oder mit blauer, gelber und grüner Farbe bemalt. Am Samstag wurde das "Kiritobagl" und die sonstigen Leckereien gebacken, sowie die gemästeten Hühner, Enten und Gänse geschlachtet. Sonntag vormittag wurde gekocht, gesotten und gebraten und alles für den Kirchweihtisch vorbereitet. Um diese Zeit hatte auch der ärmste Mann sein Huhn im Topf und eine gebratene Gans auf dem Tisch, denn auch er erwartete Verwandte und Gäste zu diesem hohen Feste.
 
Die Ausführung der "Bursch" nahmen selbstverständlich die Dorfburschen in die Hand. Die Leitung stand freilich den "Oitbuaschn" zu. Die Teilnahme war eine freiwillige, doch blieb selten einer zurück, obwohl die entstandenen Kosten nicht gering waren. Denn der "Kiritobuasch" brauchte ein neues Festgewand, das in früherer Zeit sehr kostspielig war. Außerdem hatten die Teilnehmer auch für die Musik, die Herstellung des öffentlichen Festplatzes und für den Wein zu sorgen.
 
Einen Monat vor dem Kirito wurde der "Kiritoaoschlo" abgehalten. Da trafen sich die Burschen, die mitmachen wollten und besprachen die "Buasch". Jeder wählte sich zur Feier eine Tänzerin, die aber nur mit Erlaubnis ihrer Eltern zustimmen durfte, da auch ihre Kosten beträchtlich waren. Die Burschen kamen jetzt täglich abends zusammen, besprachen die anliegenden Probleme und wählten aus ihren Reihen den Tanzmeister, den Oberkellner und den Unterkellner. Es mußte auch geklärt werden, woher sie das Holz für die "Hitn" und wo sie den "Buaschwei" herkriegten. Die Burschen besaßen nämlich ihren eigenen Wein, obwohl die Feier im Gasthaus abgehalten wurde. War alles besorgt, konnte die" Tanzhitn" auf der Wirtsgasse aufgestellt werden. Dabei halfen auch solche Burschen, die nicht "mitbuaschten" und durften nach Beendigung der Arbeit den Burschwein verkosten. Alle diese Tätigkeiten wurden abends, wenn die Feldarbeit und das Abfüttern der Tiere erledigt war, verrichtet. War die Tanzhütte fertig, wurde der "Freibam" aufgestellt, der oft 30-40 Meter hoch war und auf dessen Gipfel Bier- und Weinflaschen hingen, zum Zeichen, daß allernächst ein großes Freudenfest für die Dorfjugend stattfinden würde. Für die Vögel waren allerlei Eßwaren auf den Zweigen angebracht.
 
Am Kirchweihsonntag herrschte schon am frühen Morgen reges Leben. Die glänzend gescheuerten Häuser und Stuben erwarteten die Gäste, die in den Vormittagsstunden von nah und fern herbeieilten. Gerade für diesen Tag galt der Spruch: "Vü Gäst, vü Ea!" Kamen sogar "Heansleit" zu Besuch, so waren Ehre und Stolz des so ausgezeichneten Bauern um so größer. Auch bei den Burschen herrschte Betriebsamkeit. Sie versammelten sich um 8 Uhr beim Gastwirt und zogen dann mit Musik in das Gotteshaus, wo ihnen an diesem Tage ein Ehrenplatz eingeräumt war. Nach dem Gottesdienst begann das eigentliche Volksfest. Die Burschen zogen wieder mit Musikbegleitung zur Tanzhütte, wo sie dann ihre drei Stücke "Weamten" (Kreistanz um den Tanzbaum).
 
Nach dem Festessen nahm die allgemeine Feier ihren Lauf. Die Burschen versammelten sich vor dem Gasthaus, holten dann ihre "Buaschdiaran" und kamen vor der Schule zusammen, wo sie ihre "drei Stickl" tanzten. Nachher wurde der schöne Festzug zusammengestellt, dem sich auch die "Weiber" und Kinder anschlossen. Den Zug eröffneten die zwei Kellner, die vor den Musikanten springend laut "aufjuatztn". Nach den Musikanten stolzierte der Tanzmeister mit seiner Tänzerin, gefolgt von den anderen Burschen mit ihren "zamksampatn" Mädeln. Zuletzt kamen die verwaisten Kellnerinnen, deren Augen an den schmucken Kellnern hingen. Sie wollten nicht verstehen, warum gerade sie so alleine, ohne männliche Begleitung, gehen mußten.
 
Im Gasthaus angelangt, begannen die drei Ehrentänze. Den ersten tanzte nur der Tanzmeister mit seiner Partnerin, die ihren geröteten Kopf tief senkte. Sie wußte, daß jedermanns Auge auf ihr haftete, daß man sie genau vom Kopf bis zur Fußsohle musterte. Den zweiten Tanz tanzten der Tanzmeister und die beiden Kellner, den dritten schon alle Burschen. Nach Absolvierung der Ehrentänze durfte sich jedermann dem Tanzvergnügen hingeben, vorausgesetzt er hatte sich die Tanzerlaubnis dazu bei den Musikanten erworben. Man mußte nicht gleich zahlen, es wurden jedem Tänzer drei Stücke umsonst gewährt. Zahlte er aber nicht oder sträubte sich dagegen, so wurde mit ihm kurzer Prozeß gemacht, er wurde aus der Tanzhütte entfernt. Während sich die Großen in der Tanzhütte vergnügten, amüsierten sich die Kleinen außerhalb, wo sie die ersten Tanzschritte übten und sich für die spätere "Buasch" vorbereiteten. Aber auch die Alten verschmähten an diesem Fest den wiegenden Walzer, die springende Polka und den närrischen Galopp, der ihnen fast den Atem verschlug, nicht. Während des Nachmittags wurde auch öfters "Vivat- trunka". Da begab sich der eine oder andere Bursch hinauf zur Musikanten-Empore, legte ein Geldstück hin, erhob ein Glas Wein und ließ die Musikanten, die Burschen, die Mädeln oder die alten Weiber hoch leben. Kaum, daß der Bursch ausgesprochen hatte, intonierten die Musikanten schon das "Hoch soll er leben!" um dann sogleich mit der Tanzmusik fortzufahren.
 
Um acht Uhr abends ging jeder Bursch zu seinem Mädl "nachtmahl halten"; die Musikanten gingen verteilt mit. Anschließend ging der Tanz bis Mitternacht weiter, wo dann wieder gegessen wurde. Der Bursch mußte jetzt für das Nachtmahl seiner Tänzerin im Gasthaus aufkommen. Wieder gestärkt wurde der Tanz fortgesetzt. Es ging drunter und drüber, alt und jung drehte sich, wiegte sich im Kreise herum. Und wenn dann die alten "Weiber" endlich nach Hause verschwanden, waren die Jungen in ihrem Element. Sie brauchten sich nicht mehr zu verstellen, die Mutter sah es ja nicht! Gar mancher Jüngling wartete nur auf diesen Moment: Er wußte ohnehin nicht, warum sein Mädl ihm bisher so kalt die Schulter zeigte.
 
Doch welch ein Wunder bewirkte dieses Nachhause gehen der Alten: Sein Liebchen war wieder lieb und nett zu ihm. Erst jetzt kapierte er so richtig: "d'Muida braucht jo nit ollas sehng."
 
Um vier Uhr morgens wurde Schluß gemacht, man mußte nach Hause gehen. Doch kaum war das Mädchen daheim, hörte es unter seinem Fenster die Musikanten "Stantalingblosn". Doch mit dieser Serenade war es nicht abgetan, unsere Burschen erhofften sich noch manches. Die Mädl, die bestimmt schon wußten, wo die Burschen der Schuh drückte, bereiteten ihnen Tee, warmen Wein oder starken Kaffee. Anschließend begab man sich zur Tanzmeisterin zum Frühstück. Das hättet Ihr sehen sollen, was da alles auf den Tisch kam! Jedes Burschmädl wollte das andere übertrumpfen.
 
Montag nachmittag versammelten sich die Burschen beim Wirtshaus, wo sie wieder ihre drei "Stickl weamten". Nachher holten sie in aller Eile ihre Mädl und trafen sich bei der Tanzmeisterin, wo die obligatorischen drei Tänze absolviert wurden. Anschließend wurde wieder in der Tanzhütte frisch darauf los getanzt. Auch die alten" Weiber" fehlten wieder nicht mit ihrem "Kritisieren". Ihnen paßte nichts, dieser Kittel war zu weit, die " "Laomaschn" zu kurz und überhaupt waren sie früher als Burschdirnen viel fescher gewesen als die jetzigen. Ob sie recht haben, wird sich gleich herausstellen, betrachten wir sie nur ein wenig näher.
 
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Kiritog 1927-Die Burschgruppe mit der Blaskapelle Gritsch vor dem Manninger-Gasthaus.
 
Vor allem fällt uns die bunte, malerische Tracht der Mädel auf. Sie trugen Kittel aus Tuch oder Seide, die in allen möglichen Farben glänzten, der eine hellgrün, der andere blau, der dritte vielleicht gelb. Die Kittel trug man sehr lang, doch mußten die schönen Spitzen des Unterrocks sichtbar sein. War das nicht der Fall, so war Sie "gschlampat aoglegt". Auch das Samtleibchen mit seinen silbernen Schnüren und Knöpfen mußte gut anliegen. Es muß eine Qual gewesen sein, den ganzen Tag hindurch dieses Geschnürtsein auszuhalten. Oft kam es vor, daß ein Mädchen während des Tanzes ohnmächtig wurde. Um den Hals trugen die "Buaschdiran" farbige gestickte Halstücher, auf die sie sehr stolz waren, denn je nach Qualität zeigten sie den Reichtum des Vaters an. Schöne Schürzen und "Laomaschn" vervollständigten die Kleidung. Die Maschen waren schön verziert und mit dem aus Goldfäden gestickten Monogramm versehen.
 
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Kiritog 1933-Burschgruppe mit der Kapelle Degendorfer (simmel) vor dem Gemeinde-Wirtshaus. Musik v.l.n.r.: Johann Kraus, Karl Degendorfer, Peter Hammer, Karl Degendorfer sen., Andreas Graf, Karl Degendorfer jun., Franz Kirchner, Andreas Unger, Michael Degendorfer (Trommler)
 
An der Schürze, die aus Atlas bestand und mit Seidenspitzen und Seideneinsatz versehen war, durfte auch der Namenszug nicht fehlen. Sehr stolz waren die Wandorfer Mädel auf ihre blauen oder grünen "Zipfelstrimpf" und auf ihre schwarzen Samtschuhe, die mit verschiedenem Zierat geschmückt waren. In die Hand gehörte noch ein ausgenähtes "Schneiztiachl", in die ondolierten Haare vergoldete Haarnadeln und auf der rechten Seite das "Buaschbischl", damit es jedermann sehen konnte.
 
Auch die Burschen brauchten sich ihrer Tracht wegen nicht zu schämen. Sie trugen sehr enge, sogenannte "Stanizlhosn", die mit Schnüren verziert waren und.. dann Tuchleibchen, auf denen fast faustgroße Silberknöpfe prangten. Über dem "Leiwü" saß der aus Tuch gefertigte "Janka", der stramm anpassen mußte. Als Kopfbedeckung dienten die "Astrikankoppan", die mit dem "Buaschstraissal" und Rosmarin geschmückt waren. Abends wurde der Tuchrock mit dem weißen "Kratljanka" vertauscht. Auch die Mädl wechselten ihre Kittel gegen rote oder grüne Seidenkittel um. Statt der Halstücher trug man jetzt farbige "Kaschmiatiachln" und einfache Leinwandschürzen mit Spitzen.
 
Wie wir beim Mustern der "Burschkleidung" sahen, waren die alten Frauen in ihrer Jugend auch nicht schöner herausgeputzt. Aber sagen durfte man es ihnen nicht, denn sonst wäre es mit der Freundschaft rapide aus gewesen. Sie war ohnehin nicht von langer Dauer. Denn wollten die Jungen erreichen, daß die älteren Herrschaften nach Hause gingen, bestrichen sie die "Auflehnungsstangen" mit Pech oder hängten die Röcke der Weiber mit Sicherheitsnadeln zusammen. Nahmen die Mütter und Großmütter diese Spitzbuben-Streiche wahr, so fluchten sie eine Weile, doch dann begaben sie sich endlich auf den Weg. Aber wer glaubte, daß sie jetzt wirklich heimgingen, der täuschte sich. Denn wozu war das zweite Gasthaus da, wo doch auch "gebuascht" wurde!? Aber hier war ihr Aufenthalt auch nicht von Dauer. ... schließlich mußten sie doch, wenn auch schweren Herzens, den Heimweg antreten.>/div>
 
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Am Kirchweihmontag ging es in der Tanzhütte viel schöner und bequemer zu als am Vortag, denn es fehlten die vielen Fremden, die oft den Tanzablauf störten. Es wurde wieder flott getanzt, "Vivatgetrunka" und freudig "aufgjuazt": Gyi hu! Huj-ja-ju-hu! Das Tanzvergnügen dauerte bis vier Uhr morgens. Der echte Kirito war damit aus, doch es gab ja noch den "Nochkirito", der sonntags darauf gefeiert wurde.
 
Die Burschen brauchten die ganze Woche hindurch nichts zu arbeiten, blieben die meiste Zeit zusammen und bereiteten ihrem Wein ein schnelles Ende. Auch zu essen hatten sie genug, denn jedes Mädl spendierte ihnen am Montag ein großes "Bagl". Und wozu hing das Fleisch in Vaters Kammer? Für die Rauchwaren sorgten die jüngeren Burschen, die sogenannten" Trummüsimma" , die als Einstand ein Backl "Wetschinna" (50 Stück) spendierten. Es kam schon vor, daß einem Jungburschen beim Tanz die Hose naß und die Stirn weiß wurde. Stante pede mußte er den Tanzboden verlassen, denn Schwächlinge konnte man nicht gebrauchen. Eben deshalb übten die angehenden Burschen schon fleißig, wie man eine Zigarre zu rauchen hatte.
 
In Wandorf gab es zweierlei Burschen: die "Doafbuaschn" und die "Kirigoslabuaschn", die ewig miteinander im Streite lagen. Bei den Dorfburschen spielte die Gritsch-Kapelle, bei den Kirchgasseburschen die Simmerl (Degendorfer). Kam jetzt ein Kirchgaßbursche in die Dorfhütte, wo er vielleicht etwas zu kritisieren hatte, so entstand im Nu ein Handgemenge, das oft blaue und grüne Flecken auf dem Körper hinterließ. Die Kirchgaßburschen schworen jetzt denen vom Dorfwirtshaus Rache. Die Dorfburschen waren Söhne wohlhabender Bauern, die auf die ärmeren Häuslerbuben von oben herabsahen.
 
Die Burschen brauchten den Musikanten nichts bezahlen, denn diese arbeiteten aufs "Eingeigen", d.h. was sie von den Tänzern einnahmen. Sie verdienten so reichlich, so daß sie am "Zoisumdo" (Zahlsonntag) den Burschen sogar einige Spanferkel spendieren konnten. Was mußte ein Tänzer berappen? Das mindeste war eine Krone (später Pengö), doch nahmen sie auch einen Gulden oder mehrere, wenn es sein mußte. Die Musikanten spielten gewöhnlich ihr Repertoire. Doch wollte ein Bursch z.B. einen Walzer gespielt haben, so mußte er eine Krone auf den Tisch legen. Wollte aber zur selben Zeit ein anderer Bursche eine Polka haben, so gab er einen Gulden. War der andere aber doch auf seinen Walzer erpicht, legte er vielleicht fünf Gulden auf das Pult, in der Meinung, er sei der Sieger. Und wollte dann der zweite doch seinen Willen durchsetzen, mußte er noch tiefer in den Säckel greifen. . . Das Ende war meistens, daß einem das Geld ausging und er dann zusehen mußte, wie der Gegner dann doch die schwer erkaufte Polka tanzte. An einer solchen "Lizitation", die immer recht spannend und aufregend war, nahm die ganze Burschenschaft teil. Es gab aber immer einige Duckmäuser, die sich den Bauch vollachten, wenn sie sahen, daß ihre Kollegen pleite waren. Sie wurden aber wegen ihres Betragens von den anderen verhöhnt und verspottet. Am meisten freuten sich die Musikanten, die wie immer, ihre Schäfchen ins Trockene brachten.
 
Acht Tage nach dem Nachkirito war der "Zoisumdo (Zahlsonntag). Jeder Bursch holte sich seine Burschdirne zum Tanz. Er bekam bei dieser Gelegenheit ein Rosmarin-Zweiglein von ihr geschenkt, das er als Andenken an die verflossene "Buasch" sorgfältig aufbewahrte. Oft fragte er sie, ob er auch in Zukunft mit "ihr gehen" dürfte. Es gab unzählbare Beispiele dafür, daß sich Eheleute eben durch das "Buaschn" gefunden hatten. Am Zahlsonntag wurde alles verrechnet. Der Oberkellner, der genauestens Buch führte, rechnete jedem Burschen seinen Anteil aus, der oft dreißig bis vierzig Gulden ausmachte. War alles geregelt, schwang man bis Mitternacht das Tanzbein. Und dann blies man den Kirito endgültig ab und ging nach Hause.
 
Es wurde noch einige Zeit von der schönen "Buasch" gesprochen, doch umhüllte sie bald der Schleier der Vergangenheit. ... "es war einmal", und dann freute man sich auf das nächste Jahr.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)