fig 03Das Kirchweihfest „der Kirche, die einmal war…”

Es war einmal ein herrliches Dörflein in der Nachbarschaft von Sopron, das aber keine evangelische Kirche hatte. Die Einwohner, die mehrheitlich evangelisch waren, wurden immer mehr und mehr. So beschlossen sie, eine Kirche zu bauen. Die Freude war groß als im Jahre 1887 das Gebäude eingeweiht wurde. So groß war die Freude, dass die Nachfahren noch heute etwas davon haben: der Jahrestag der Kirchweihe wird bis heute gefeiert.

Die „es war einmal eine Kirche“ in der Mitte des Dorfes wurde sehr gut besucht. Bald machte die Kirchengemeinde sich selbstständig, wurde immer grösser und grösser, und hatte auch Träume. Sie träumte von einem eigenen Pfarrer, unabhängig von den benachbarten Großgemeinden Agendorf und Sopron. Der Traum ging in Person von Dr. Karl Pröhle in Erfüllung.

Die Gemeinde wuchs und wuchs - trotz zweier Weltkriege und erheblicher Opfer Wandorfs. Diese Kirchengemeinde war so stark und groß, dass sie in der Zeit des zweiten Weltkriegs ein Pfarrhaus erbaute. Und sie planten auch im Dorf eine neue Kirche zu bauen, in der Nachbarschaft der Parochie.

Auf einmal aber ging das Märchen schlagartig zu Ende. Am Ostermontag der Jahres 1946 wurden von den 2.500 Einwohnern des Dorfes 2.073 vertrieben und deportiert, die meisten von ihnen waren evangelisch. In wenigen Stunden wurde das Dorf von der Polizei umkreist und die Einwohner in mehreren Schüben nach Agendorf und nach Sopron transportiert und dort einwaggoniert.

Das waren die Eisenbahnwaggons in denen man früher die Juden deportiert hatte.

Es kamen schreckliche Wochen, schreckliche Zeiten. Im Dorf blieben einige hundert Menschen, die fast wahnsinnig umherirrten in den leeren Gassen, wo sie die Schreie der hungrigen Hunde, Rinder und Schweine hörten.

Es kamen neue Menschen in das Dorf. Sie kamen von weit entfernten Gebieten und sprachen die Sprache des Dorfes, das Deutsche, nicht. Evangelisch waren sehr wenige.

Schwere Zeiten brachen an. Selbst das Dorf „gab“ es nicht mehr, das Ortsschild  „Wandorf“ wurde durch das Ortsschild „Sopron“ ersetzt.

Nach einiger Zeit wurde die Kirche baufällig und es war sehr schwer, sie instand zu halten.

Im Jahre 1967 wurde die Kirchengemeinde vom Stadtrat aufgefordert, das Gebäude zu renovieren. Die kleine Gemeinde war aber dazu nicht fähig, deshalb musste sie einen Tausch annehmen. So zog die Kirchengemeinde in die frühere katholische Schule um.

fig 01Das Märchen „Es war einmal ein Dorf, das eine Kirche hatte“, könnte hier zu Ende sein. Aber in dem heute auch „Gartenstadt“ genannten Dorf wohnen besondere Menschen, die ihre „neue“ Kirche schön eingerichtet und in 50 Jahren liebgewonnen haben. Von dem vor 130 Jahren eingeweihten Gebäude blieben nur die Erinnerungen und das Kirchweihfest, das die Wandorfer bis heute am zweiten Wochenende im September feiern.

Am 10. September 2017, dem 130. Jahrestag der Kirchweih, besuchte János Szemerei, der Bischof der Westdiözese der evangelischen Kirche (Transdanubien) die Gemeinde. In seiner Predigt sprach er von den Wohnungen Gottes und den beiden Zufluchtsorten in Wandorf, der einen, die es wirklich gegeben hatte und der anderen, von der die Gemeinde geträumt hatte. Beide werden im Gedächtnis der Menschen erhalten bleiben. Im Rahmen der gottesdienstlichen Feiern wurden Kränze an der alten Kirche niedergelegt. Superinterdent Balázs Mesterházy segnete die Gedenkstätten der Opfer des ersten und zweiten Weltkrieges und der Vertriebenen.

„Es war einmal“ – dieses Märchen von hohen Zahlen und großen Träumen fand im 20. Jahrhundert ein Ende. Die kleinen Kirchengemeinden in der Umgebung von Sopron haben aber auch heute noch ihre Träume und Pläne. Sie dürfen das auch, denn sie verkünden wie ihre Vorgänger: „Herr, du bist unsre Zuflucht für und für.“ (Psalm 90,1)

Eszter Heinrichs (aus dem ungarischen übersetzt von Magdi Gritsch)

Weitere Fotos sind auf: http://sopronbanfalva.lutheran.hu/node/5605 zu finden!